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© Charlotte Noelle / Unsplash,com

27.03.2020 / Liedbetrachtung / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Joachim Bär

Musik, die zum Herzen spricht

Wie überraschend hilfreich ein altes Kirchenlied in Corona-Zeiten sein kann.

Die Corona-Krise ist schon jetzt eine Zäsur. Für Deutschland und weltweit – und damit für Millionen von Menschen, die sich seit Wochen fragen, wo das alles hinführt. Nun würde ich als Christ gerne bezeugen, wie anders es mir geht. Dass ich mich sicher fühle bei Gott und mich das Vertrauen auf ihn trägt. Diesen Teil gibt es in mir! Und doch geht es mir nicht anders als so vielen Menschen. Auch ich bin verunsichert. Was hilft mir jetzt?

Ein Zugang, der mich anspricht

Ich habe schon viele Ratgeber-Beiträge gelesen. Händewaschen, zu Hause bleiben, keine Panik - geschenkt. Wie das Homeoffice zusammen mit Kindern überleben, wie mit dem Alleinsein umgehen, wie mich an Gott wenden. Alles verstanden. Und doch gibt es einen Teil in mir, der nicht so leicht zur Ruhe kommt. Da ist dieses Wissen, dass es jetzt anders ist als sonst. Dass es ernst ist. Und noch ernster werden könnte. Mich treffen könnte. Ich merke: Ich bin verletzlich, dem Leben und ja, auch dem Tod mehr ausgesetzt als sonst. Covid-19 konfrontiert mich mit meiner Endlichkeit.

Wenn mein Herz keine Ruhe findet, hilft mir häufig die Musik, genauer einige Lieder. Gerade in ernsten Lebenslagen mag ich die Musik vergangener Jahrhunderte. Vielleicht deshalb, weil Menschen früherer Zeit dem Leben und dem Tod mehr ausgesetzt waren als wir heute. Das spiegelt sich in ihrer Musik wider. In diesem Schatz früherer Zeit hat das Klagen, das Fragen und das Leiden seinen Platz.

Ein Trostlied

Eines dieser Lieder ist das 1641 entstandene Lied von Georg Neumark „Wer nur den lieben Gott lässt walten“. Es verbindet einen ernsten, in Reim geformten Text mit einer traurigen und gleichzeitig tröstlichen Melodie – und bietet mir gerade in dieser Kombination einen tiefen Trost, der mich abholt. Es ist ein gesungenes Gebet, das meine Gedanken zur Ruhe bringt und mich die tiefe Gewissheit fühlen lässt, dass da jemand ist, der mich trägt.
 

Schauen wir uns drei Strophen genauer an (und für Eilige: Lied hier schon mal anhören):

1. Wer nur den lieben Gott lässt walten
Und hoffet auf Ihn allezeit
Der wird Ihn wunderlich erhalten
In aller Not und Traurigkeit.
Wer Gott dem Allerhöchsten traut
Der hat auf keinen Sand gebaut.

Das Lied beginnt mit dem Vertrauen auf Gott: Da ist jemand, der wirkt und arbeitet, schaltet und waltet. Jetzt, 2020, mitten in der Pandemie. Da tut jemand seinen Teil – und das hat etwas Befreiendes. Es hilft mir, nicht vom Gefühl des Kontrollverlusts übermannt zu werden. Ich gebe meinen Willen, alles absichern und kontrollieren zu wollen, an ein allmächtiges Gegenüber ab: an Gott. Sein Wille geschehe, denn mein Wille und mein Können sind am Ende.

Das ist keine Kapitulation. Ich tue noch immer, was in dieser Situation geboten ist. Was ich aber nicht in der Hand habe, übergebe ich der Fürsorge des Einzigen, der diese Dinge als einziger in der Hand haben kann. Die Zusage: Dieses Gegenüber trägt mich durch die Zeit von Unsicherheit und Verlust. Wer diesem Gegenüber die Kontrolle über das Unkontrollierbare abgibt und mit ihm in Verbindung bleibt, steht fest. Hat einen verlässlichen Halt. Ist nicht allein.

2. Was helfen uns die schweren Sorgen?
Was hilft uns unser Weh und Ach?
Was hilft es dass wir alle Morgen
Beseufzen unser Ungemach?
Wir machen unser Kreuz und Leid
Nur größer durch die Traurigkeit.

Wenn ich mir Sorgen mache, lasse ich nicht los. Vielmehr durchdenke ich alle möglichen Lösungswege immer und immer wieder. So grabe ich mich tiefer in die Probleme hinein und bleibe schließlich stecken. Hilft das weiter? Neumark sagt: Nein. Das heißt in der Corona-Krise: Mich andauernd den Live-Tickern zur Pandemie aussetzen, Soziale Medien durchstöbern, eine Nachrichtenseite nach der anderen ansteuern – all das ist nur so lange gut, wie ich mich informiere.

Vorsicht und Vorsorge sind richtig. Angst und Sorgen nähren ist dagegen wenig hilfreich. Natürlich gehört es zu einem normalen Verarbeitungsprozess von schweren Themen dazu, sich über die Fragen Gedanken zu machen, die Sorgen mit anderen Menschen zu teilen und zu klagen. Die Sorge aber kultivieren – das hilft keinem. Der Blick muss irgendwann in eine andere Richtung gehen. Zum Beispiel hin zu einem Gott, der weiß, was mir fehlt, wovon die dritte Strophe spricht.

Wir gehen aber weiter zur letzten:

7. Sing / bet / und geh auf Gottes Wegen
Verricht das Deine nur getreu
Und trau des Himmels reichem Segen
So wird Er bei dir werden neu.
Denn Welcher seine Zuversicht
Auf Gott setzt / den verlässt Er nicht.

Was kann ich in meiner Situation tun? Singen! Gerne dieses Lied, aber auch so viele andere. Denn Musik, die zum Herzen spricht, ist heilsam. Dazu gehört natürlich auch aktuelle Musik. Beten! Klar, der Kontakt mit dem, der mich jetzt durchtragen möchte, bleibt essenziell. Aber vergiss das Handeln nicht, sage ich mir. Gutes tun, auch jetzt im Sinne Gottes mit meinem Mitmenschen umgehen. Unterm Strich: Das Meine tun und darauf vertrauen, dass Gott seinen Teil tut. Dass er segnet. Dann kann ich darauf vertrauen, dass Gott mich niemals alleine lässt. Niemals.

Und jetzt? Unbedingt anhören. Und vielleicht mitsingen

Sollte ich Gefühlen in dieser Zeit so viel Aufmerksamkeit schenken? Sollte ich nicht mit Bedacht, Augenmaß und Pragmatismus gute Entscheidungen treffen? Nun, wie so häufig: Die Fragen und die damit verbundenen Emotionen sind da. Ich kann sie zwar unterdrücken, aber sie kommen  wieder - in den ruhigen Momenten oder nachts. Es ist besser, sie zu verarbeiten: das Gefühl der Hilflosigkeit, das Bewusstsein, dass ich krank werden könnte, die Erkenntnis, wie dünn das Eis ist, auf dem wir alle stehen. Dabei hilft mir die Musik. Hier erkennt die Seele, welcher Schatz in der Verbindung mit dem liegt, der die Hilfe in Person ist: Gott ist unendlich und mit allen Möglichkeiten ausgestattet. Deshalb spreche oder singe ich mir das Lied selbst zu. Zum Beispiel in dieser Version (Strophen 1 und 7):
 

 

 Joachim Bär

Joachim Bär

  |  Unit Lead erf.de / Antenne

Joachim Bär war Unit Lead von erf.de und hat die übergreifenden Themen der redaktionellen Angebote des ERF koordiniert. Er ist Theologe und Redakteur, verheiratet und hat zwei Kinder.

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Kommentare (2)

Elvira K. /

Dieses altbekannte Lied hat mich tief berührt. Und Anregung zum konkretem Gebet gegeben.

Anne /

Ich bin so froh, dass Ihr mir Trost spendet!!!! Gott segne Euch...

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