Navigation überspringen
© Privat

06.10.2016 / Interview / Lesezeit: ~ 5 min

Autor/-in: Tanja Rinsland

Mein Kind wird sterben

Inci Auths Sohn Dennis hat einen ernsten Herzfehler. Trotzdem hat sie Hoffnung.

Inci Auths Sohn Dennis wurde mit einem lebensbedrohlichem Herzfehler geboren. Allen Prognosen zum Trotz überlebte er mehrere schwere Eingriffe und ist heute 17 Jahre alt – ein Wunder! Trotzdem weiß seine Mutter, dass Dennis wahrscheinlich vor ihr sterben wird.

Wunschkind mit Herzfehler

ERF: Vom ersten Atemzug an musste Dennis um sein Leben kämpfen: Ihr Sohn wurde mit einem schweren Herzfehler geboren. Schon nach drei Wochen musste er das erste Mal operiert werden. Was ging damals in Ihnen vor?

Inci Auth: Bei der ersten OP habe ich nicht viel nachgedacht, sondern nur funktioniert. Die Ärzte hatten teilweise keine Antworten für mich, da Dennis‘ Herzfehler sehr selten ist. Sie konnten mir noch nicht einmal zusagen, dass er sechs Jahre alt wird. Ich war überfordert und hilflos: wie in einem Strudel, einem reißenden Fluss ohne Halt.
 

ERF: Dennis war ein absolutes Wunschkind. Religiös waren Sie damals eigentlich nicht – aber das Wunder des Lebens berührte Sie und Sie haben gebetet. Wie kam es dazu?

Inci Auth: Ja. Als ich von der Schwangerschaft erfuhr, hatte ich ein Gebet im Herzen. Ich habe Gott versprochen, dass ich mein Kind so erziehe, dass er Gott kennenlernt. Ich hatte dabei natürlich völlig außer Acht gelassen, dass ich ihn selbst gar nicht kannte! Als aber alles nach der Geburt über mir zusammenbrach, habe ich lange Zeit nicht mehr an Gott gedacht.
 

ERF: Was genau hat Dennis?

Inci Auth: Er hat einen angeborenen Herzfehler, der so komplex ist, dass man ihn nicht korrigieren kann. Man kann zwar operieren, aber nur um den Status Quo zu erhalten und damit seine Lebenserwartung zu verlängern. Die erste OP hatte zum Beispiel allein den Zweck, dass er drei Monate überlebt – bis zum nächsten Eingriff. Und trotz der vielen medizinischen Maßnahmen wird Dennis nie wirklich gesund sein. Die Sauerstoffversorgung in seinem Körper ist nicht gut und das hat Auswirkungen auf alle Organe. Deswegen spricht man bei ihm von einer „lebenslimitierenden Erkrankung“.

Alltag mit einem schwerstkranken Kind

ERF: Der Herzfehler ist leider nicht die einzige Einschränkung, mit der Dennis lebt. Er ist Autist und braucht viel Begleitung und auf ihn abgestimmte Betreuung. Sie waren lange Zeit alleinerziehend – wie sah Ihr Alltag aus?

Inci Auth: In den ersten vier Lebensjahren gab es kaum Verschnaufpausen. Meistens waren wir nur wenige Wochen zuhause – dann musste Dennis wieder ins Krankenhaus. Das war ganz schlimm. Dadurch war ich auch sozial sehr isoliert. Freunde zogen sich zurück, da sie hilflos und mit der Situation überfordert waren. Aber auch ich konnte kaum eine Freundschaft aufrechterhalten, da ich einfach schauen musste, wie wir irgendwie den Tag überleben. Für mehr war kaum Zeit da.
 

ERF: Ein Kind mit so einer schweren Erkrankung zu betreuen, ist für die Eltern eine extreme Dauerbelastung: nicht nur emotional, sondern auch sozial und körperlich. Wie ging es Ihnen persönlich in dieser Zeit?

Inci Auth: Ich war so leer in mir drin. Dennis hat jahrelang kaum geschlafen, hatte nächtliche Weinattacken und hat sehr viel erbrochen, da er immer wieder Lungenentzündungen bekam. Und bei den vielen Krankenhausaufenthalten sagten die Ärzte immer wieder: „Sie müssen ihr Kind dazu bringen, mehr zu trinken und zu essen, damit es die nächste Operation schafft.“ Aber ich wusste nicht, wie ich das bewerkstelligen sollte, da Dennis kaum was essen konnte. Mir ging es in dieser Zeit sehr schlecht.

„Du musst das nicht alleine schaffen!“

ERF: In der Schwangerschaft hatten Sie ein Gebet gesprochen. Jahre später, während dieser schlimmen Phase, tauchte Gott wieder in Ihrem Leben auf. Wie kam das?

Inci Auth: Es gibt ein Erlebnis, das mich bis heute bewegt. Nachdem ich tagelang gekämpft hatte und völlig am Ende war nach vielen Nächten ohne Schlaf, saß ich eines Tages am Küchenfußboden. Nervenzusammenbruch. Absolute Verzweiflung. Da habe ich in dem Moment gespürt: Gott ist da. Er nimmt mich an die Hand. Er umarmt mich und hilft mir von diesem Küchenboden auf. Und er gibt mir so viel Liebe, dass ich es schaffe weiterzumachen. Ich schaffe es, mein Kind wieder in den Arm zu nehmen und einfach zu halten und ihm zu sagen: „Ich liebe dich“.
 

ERF: Haben Sie Gott Vorwürfe gemacht, dass Ihr Kind so schwer krank ist?

Inci Auth: Noch nicht einmal das – ich habe davor einfach gar nicht mit Gott gesprochen. Nach diesem Tag allerdings erlebte ich immer wieder Momente, in denen ich spürte, dass Gott nicht von mir lässt. Ich habe dann angefangen mit ihm zu sprechen und zu fragen: „Warum das alles? Du siehst doch, dass ich völlig am Ende meiner Kraft bin – du hast dir die Falsche für diesen Job ausgesucht.“ Aber es gab keinen anderen, der diesen Job machen wollte, und so durfte ich lernen, dass Gott mir die Kraft gibt, die ich brauche, um für mein Kind da zu sein.

Und als ich angefangen habe, Gott zu sagen, dass ich überfordert bin, habe ich gespürt, dass er mir wiederum antwortet: „ Du musst das gar nicht alleine schaffen. Nimm meine Hand, ich helfe dir. Du kannst mit allem zu mir kommen.“
 

ERF: Gott war für Sie mitten in der Krise da – und das, obwohl Sie eigentlich gar nicht nach ihm gesucht hatten. Wie hat diese Begegnung Ihr Leben geprägt?

Inci Auth: Ich wache inzwischen jeden Morgen mit dem Gefühl auf, dass mein Leben trotz allem wunderbar ist. Weil ich diesen Gott habe, der mich liebt und mir diese Liebe ohne Bedingungen schenkt. Ich kann mit allem Mist einfach zu ihm kommen. Selbst wenn ich traurig bin und Sorgen um Dennis habe, bin ich nie allein. Ich darf Gott von meinen Ängsten erzählen, und er gibt mir Frieden. Das hätte ich mir vorher nie vorstellen können.

Hoffnung auf ein schmerzfreies Leben

Inci Auth hat ein Buch über ihre Erfahrungen geschrieben: „Sind die Knöpfe spitz?“ es kann über ihre Webseite bezogen werden.

ERF: Sie wissen, dass Dennis wahrscheinlich vor Ihnen sterben wird. Wie gehen Sie mit so einer Diagnose um?

Inci Auth: Für mich ist das Allerwichtigste, dass Dennis jeden Tag, den er noch hat, glücklich ist. Da Dennis Autist ist, weiß er Gott sei Dank nicht, dass er eine lebenslimitierende Erkrankung hat. Dennis weiß nicht, dass er theoretisch am nächsten Tag sterben könnte. Sein Leben spielt sich völlig im Hier und Jetzt ab: Was es zu essen gibt, was er am Tag unternehmen wird und ob er noch ein Eis bekommt. Und ich weiß, wenn mein Kind nicht mehr auf dieser Welt ist, wird er der glücklichste Mensch sein, denn dann ist er bei Gott. Er wird keine Schmerzen mehr haben, das Leid ist dann vorbei! Dort gibt es nur Freude, Liebe – bei Gott ist es wunderschön.

Das wünsche ich mir auch für mein Kind: Dass Jesus ihn zu sich nimmt, bevor er zu sehr an seinen körperlichen Problemen leiden muss. Ich wünsche mir, dass es ihm gut geht
.

ERF: Klingt irgendwie leichter als es wahrscheinlich ist, oder?

Inci Auth: Ich kann natürlich jetzt noch nicht sagen, wie es für mich wird, wenn er nicht mehr da ist – sicherlich überhaupt nicht leicht. Aber ich hab keine Angst, denn in meinem Herzen weiß ich: Das Beste, was uns Menschen passieren kann, ist es bei Gott zu sein. Bei ihm ist alles gut.
 

ERF: Vielen Dank für das Interview.


Das ganze Gespräch mit Inci Auth ist bei unserer Sendung Calando zu hören: Mein einzigartiges, autistisches Kind

 Tanja Rinsland

Tanja Rinsland

  |  Unit Lead ERF Plus Redaktion

Tanja Rinsland hat Medienwissenschaften und Organisationsentwicklung studiert. Die Deutschbrasilianerin leitet die ERF Plus Redaktion und verantwortet mit ihrem Team die inhaltliche Gestaltung des Senders. 

Ihr Kommentar

Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Alle Kommentare werden redaktionell geprüft. Wir behalten uns das Kürzen von Kommentaren vor. Ein Recht auf Veröffentlichung besteht nicht.

Kommentare (1)

Karin L. /

Ein außerordentliches. von Gott befohlenes Interview mit Inci Auth.Ich bewundee Sie , ihre Kraft und ihren Mut und ihren Glauben an unseren Herrn, trotz ihres schweren Schicksals. Beten und hoffen wir dafür,ihr Sohn und die ganze Familie noch lange von unserem Herrn bewahrt wird.

Das könnte Sie auch interessieren