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17.09.2014 / Pastorenberuf - Herausforderung und Chance / Lesezeit: ~ 6 min

Autor/-in: Rebecca Schneebeli

Pastor – ein Fulltime-Job

„Der innerliche Feierabend ist eine Herausforderung.“ Ein Pastorenehepaar packt aus.

Kindern von Pastoren ist es kein Geheimnis: Der Pastorendienst verlangt nicht nur dem Pastor selbst oft viel ab, sondern auch seiner Familie. Das Pastorenehepaar Christoph und Christine Bergfeld spricht über Vor- und Nachteile des Pastorendienst, die Notwendigkeit von Ruhephasen und darüber, wie man falschem Erwartungsdruck begegnen kann.
 

ERF: In einer Studie aus den USA gaben 90 Prozent der Pastoren an, zwischen 55 und 75 Std. pro Woche zu arbeiten. Wie viel arbeiten Sie pro Woche ?

Christoph Bergfeld: Eine Zeitlang habe ich meine Arbeitsstunden aufgeschrieben. Dabei stößt man auf die Schwierigkeit zu definieren, was Arbeit ist. Wenn ich an einem Leitertag teilnehme, bei dem ich keine aktive Aufgabe habe, aber in den Pausen Gespräche führe, ist das Arbeit oder Weiterbildung? Was würde ich machen, wenn ich Ehrenamtlicher wäre, was nicht? Das ist nicht leicht abzugrenzen.
 

ERF: Die Arbeitszeiten als Pastor sind oft familienunfreundlich. Am Samstag bereitet ein Pastor die Predigt vor, während andere Kinder mit ihren Vätern Baumhäuser bauen oder Fußball spielen. Ist das für Sie als Familie manchmal eine Belastung?

Christoph Bergfeld ist seit 2002 Pastor der Anskar Kirche in Wetzlar. Gemeinsam mit seiner Frau Christine und den vier Töchtern lebt er in der Nähe von Wetzlar. (Bild: privat)

Christine Bergfeld: Das ist so, aber wir versuchen durch gute Planung die Freiräume zu nutzen, die wir im Gegenzug haben. Der Pastorenberuf hat auch Vorteile. Wir haben bewusst den Montag als unseren freien Tag gewählt. Der Vorteil ist: Wenn wir Montagnachmittag ins Schwimmbad gehen, ist es entspannend. Alle anderen Familien gehen samstags. Schulveranstaltungen sind ein Problem. Da bin ich oft allein. Aber es gibt andere Berufe, bei denen das genauso ist.

Christoph Bergfeld: Es gibt einige Vorteile als Pastor, zum Beispiel bei Autoreparaturen oder Arztterminen. Dafür müssen sich andere einen Tag frei nehmen, ich plane diese Termine vormittags ein. Für mich ist eher der innerliche Feierabend eine Herausforderung ist. Selbst wenn man die Wochen gut strukturiert, ist es eine Herausforderung, die Gemeindethemen innerlich hinter mir zu lassen. Das fällt schwerer als die Zeitplanung.

Nicht jede Mail muss sofort beantwortet werden

ERF: Man erwartet von einem Pastor, dass er immer erreichbar ist, gerade wenn abends einer seelsorgerischer Notfall reinkommt. Wie gehen Sie als Familie damit um?

Christoph Bergfeld: Da hat sich in den letzten Jahren einiges verlagert. Früher habe ich viel telefoniert, das hat sich ziemlich ins Emailing verlagert. Ein Vorteil hierbei ist: Die Mails muss ich nicht abends bearbeiten. Das kann ich meistens auf den nächsten Tag schieben. Mein Handy ist zwar immer an, wird aber relativ selten angerufen. Natürlich hängt es auch von der Gemeindestruktur ab, dass der Pastor nicht Ansprechpartner für alles ist. Wenn aber ein seelsorgerlicher Notfall, muss man reagieren. Das ist klar.
 

ERF: Haben Sie auch Zeiten, die Sie ganz für die Familie reservieren?

Christoph Bergfeld: Von Sonntagnachmittag bis Dienstagmorgen gehe ich nicht ans Telefon, höre aber den Anrufbeantworter ab. Wenn das Handy in dieser Zeit klingelt, schaue ich erstmal, wer anruft. Erst wenn ich denke, das ist jemand, der ein Problem hat, gehe ich ran.
 

ERF: Sie sprachen eben schon von Emails und ihren Vorteilen. Nun bieten Emails das Potenzial, dass man sie abends spät noch liest und direkt beantwortet – auch nach Feierabend. Wie disziplinieren Sie sich da?

Christoph Bergfeld: Das ist wirklich eine gewisse Versuchung. Mich persönlich strengt das viele Emailschreiben an und ich habe daher kein Problem hier abzuschalten. Ich weiß, ich kann am nächsten Morgen noch in meine Mails reinschauen. Heute herrscht oft die Erwartung, dass man schnell antwortet. Man kann die Menschen aber auch erziehen. WhatsApp nutze ich zum Beispiel so selten, dass mir Gemeindeglieder kaum WhatsApps schreiben.

Mit Erwartungsdruck umgehen lernen

ERF: Auch Pastorenfrauen stehen oft unter einem besonderen Druck. Manche Gemeinden erwarten, dass die Frau des Pastors sich in der Gemeindearbeit selbst stark einbringt und gleichzeitig ihrem Mann den Rücken für seinen Dienst stärkt. Haben Sie eine solche Erwartungshaltung auch schon einmal erlebt, Frau Bergfeld?

Christine Bergfeld: Das ist schwierig zu sagen, denn ich habe mich schon stark in der Gemeinde engagiert, bevor wir geheiratet haben. Ich kann also nicht trennen, ob ich bestimmte Dinge auch machen würde, wenn mein Mann nicht Pastor wäre. Ich glaube, den Gemeindemitgliedern ist bewusst, was wir für sie machen. Sie wollen nicht, dass wir dabei ausbrennen. Manchmal versuche ich Dinge aufzufangen, die mein Mann nicht so gut kann. Das würde ich nicht machen, wenn ich nicht seine Frau wäre.
 

ERF: Als wie wichtig schätzen Sie eine aufmerksame Haltung gegenüber dem Pastor ein?

Christine Bergfeld: Als sehr wichtig.

Christoph Bergfeld: Freikirchliche Pastoren sind hochgradig Burnout-gefährdet. Dieses Thema ist auch in unserer Gemeinde präsent, da schon öfters Gemeindeglieder an der Grenze zum Burnout standen. Es ist ein Bewusstsein für die Problematik da, aber die eigentliche Frage ist die Frage nach Erwartungen und Grenzen. Das musste auch ich lernen. Erwartungen zu korrigieren war für mich ein großes Thema. Es ist wichtig, eigene Grenzen wahrzunehmen. Man muss als Pastor lernen mit dem hohen Erwartungsdruck umzugehen und Menschen gezielt zu enttäuschen. Wenn falsche Erwartungen da sind, müssen diese abgebaut werden.
 

ERF: Wie kann man das machen?

Christoph Bergfeld: Indem ich offen über meine eigenen Schwächen rede. Ich erlebe zum Beispiel Terminplanung als sehr stressig. Das abzugeben, entlastet mich. Zu dieser organisatorischen Schwäche muss ich stehen und diese Aufgabe an andere abgeben, die das besser können und denen diese Aufgaben vielleicht sogar Spaß machen.

„Leiten hatte ich mir leichter vorgestellt“

ERF: Für Sie als Pastor ist der Glaube eng mit Arbeit verbunden. Die tägliche Bibellese ist gleichzeitig Inspiration für die nächste Predigt. Zweifel oder Glaubenskrisen haben hier wenig Platz. Wo laden Sie ihre eigenen geistlichen Batterien wieder auf?

Christoph Bergfeld: Das ist eine entscheidende Frage. Ich habe erst in einer Grenzsituation gelernt, wie wichtig das ist. Ich habe eine wöchentliche stille Zeit am Dienstagmorgen. In diese Zeit lege ich mir keine Termine. Ein- oder zweimal im Jahr mache ich stille Tage. Da bin ich weg und lese oder bete. Außerdem mache ich mir am Anfang des Jahres einen Plan, wie ich meine Inspiration am Leben erhalten will. Ich schreibe mir auf, welche Events anstehen, welche Leute mich inspirieren und welche Bücher ich lesen möchte. Diese Ideen versuche ich in der Terminplanung so umzusetzen, dass ich mir dafür gezielt Zeit nehme.
 

ERF: Auf eine Berufung wie den Pastorenberuf bereitet man sich oft viele Jahre vor. Welche Erwartungen an Ihre Aufgaben als Pastor haben sich erfüllt und welche nicht?

Christoph Bergfeld: Was sich erfüllt hat, ist, dass ich viel mit der Bibel und mit Menschen arbeite. Was mich überrascht hat, sind die zahlreichen Leitungsherausforderungen. Leiten hatte ich mir leichter vorgestellt. Ich wusste zwar: Das wird erwartet. Doch dass es beim Leiten so viele Herausforderungen gibt, habe ich nicht gewusst und hätte ich auch nicht erwartet.

Pastoren müssen besser auf ihre Rolle als Leiter vorbereitet werden

ERF: Wurden Sie darauf im Studium adäquat vorbereitet?

Christoph Bergfeld: Definitiv nicht. Das war ja das Problem. Ich war von vielen Themen überrumpelt. Ich habe mich viel mit Selbstleitung beschäftigt. Da war ich gut gerüstet. Ich habe mich auch mit Gruppenleitung beschäftigt, aber ich hätte nicht vermutet, wie komplex es ist, eine ganze Gemeinde zu leiten mit diversen Gruppen, Leitern und Strukturen. Da kamen viele neue Themen auf mich zu, denen ich erstmal schlecht gewachsen war. Auch andere Leiter sind mit solchen Themen überfordert.
 

ERF: Sollte darauf besser im Studium vorbereitet werden und wenn ja, wie?

Christoph Bergfeld: Definitiv. Das „Wie“ ist natürlich die große Frage. Denn das Problem ist, dass man solche Dinge im Studium noch nicht wahrnimmt. Erst wenn man drinsteckt, geht einem auf, dass es diese Dinge braucht. Über Gruppenleitung kann man im Studium schon einiges lernen. Aber was die Leitung einer komplexeren Gemeinde angeht, hat man als Student das Problem, dass diese Themen oft noch sehr weit weg erscheinen.
 

ERF: Wäre es hilfreich, jungen Pastoren, die gerade erst in den Dienst starten, einen erfahrenen Pastor als Mentor zur Seite zu stellen?

Christoph Bergfeld: So etwas wäre meiner Meinung nach sinnvoll. Es gibt jetzt schon einen Unterschied in der theologischen Ausbildung. Das Bewusstsein für Leitungsthemen ist über die letzten zehn bis zwanzig Jahre stark gewachsen. Heute gibt es diverse Leiterschulungen und Literatur zum Thema, um sich in diesem Bereich Fähigkeiten anzueignen und sich weiterzubilden ‒ auch durch Mentoren. Das Bewusstsein ist gewachsen, dass man das als Pastor braucht.
 

ERF: Vielen Dank für das Interview.

 

 Rebecca Schneebeli

Rebecca Schneebeli

  |  Redakteurin

Rebecca Schneebeli ist Literaturwissenschaftlerin und arbeitet nebenberuflich als freie Lektorin und Autorin. Die Arbeit mit Büchern ist auch im ERF ihr Steckenpferd. Ihr Interesse gilt hier vor allem dem Bereich Lebenshilfe, Persönlichkeitsentwicklung und Beziehungspflege. Mit Artikeln zu relevanten Lebensthemen möchte sie Menschen ermutigen.

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