Navigation überspringen
© Stephan Vosloo / SCM Hänssler

14.11.2013 / Buchrezension / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: Nelli Bangert

Amish für Anfänger

Warum die Prinzipien der Amish nur teilweise das Leben vereinfachen.

Noch schneller, noch größer, noch effizienter – die Fortschritte der Technik begeistern Menschen und animieren zum Kauf des neuesten Smartphones oder der neuen Spülmaschine. Überholte Modelle scheinen unnütz und unbrauchbar. Während sich Menschen in den westlichen Ländern im Konsum verlieren, gibt es eine Menschengruppe in Amerika, die der Technik gegenüber eher kritisch eingestellt ist und nur nach sorgfältiger Überlegung einzelne Dinge übernimmt: Die Amish. Ein „moderner“ Mensch kann mit dieser Lebensweise kaum etwas anfangen.

Lernen von den Amish

Doch Nancy Sleeth ist überzeugt, dass sich ein Blick auf die Amish lohnt und sie in vielen Punkten das bessere Los ziehen. Sleeth lebte mit ihrer Familie viele Jahre den amerikanischen Traum vom Leben. Viele Schicksalsschläge in der Familie ließen sie ihre Lebensweise mit Luxus und Konsum hinterfragen. Sie beschäftigte sich stärker mit der amischen Lebensweise und begann gemeinsam mit ihrer Familie, einzelne Prinzipien auf das eigene Leben zu übertragen. Dabei merkte sie, dass die Betonung auf Familie, Natur und weniger Konsum sie zufriedener machte und ihr eine neue Lebensqualität gab. Auch die kleinen Freuden des Alltags bekamen mehr Beachtung, wie das frische, selbstgebackene Brot am Samstag.

Sleeth sieht in der amischen Lebensgestaltung Schätze vergraben, die darauf warten, von „modernden“ Menschen entdeckt und umgesetzt zu werden. Sie umreißt grundlegende Themen wie Finanzen, Familie und das Zuhause. Ganz nach dem Motto „Weniger ist mehr“ ist sie der Meinung, dass das Zuhause regelmäßig entrümpelt werden sollte. Es passiert häufig, dass sie oder ihr Mann den Gästen beim Abschied ein Geschenk mitgeben. Ähnlich setzt sie auch in ihren Beziehungen Wert auf Qualität. Deswegen investiert sie vor allem Zeit in ihre Familie und in enge Freundschaften.

Auch ihre Beziehung zur Natur ist nachahmenswert. Sleeth verbringt täglich eine halbe Stunde in der Natur, um Gott in ihr zu entdecken. Sie schreibt: „Die Natur twittert und simst ständig Nachrichten von Gott, aber wir sind zu beschäftigt, um sie zu lesen.“ Gerade im 21. Jahrhundert, in dem Menschen häufig über Reizüberflutung und Stress meckern, kann Stille und Natur heilsame Wirkung zeigen.

Amish werden glorifiziert

Neben hilfreichen Anregungen sind Sleeths Ansätze teils extrem und übertrieben. Genauso wie die Amish keinen Wert auf Mode und auffällige Kleidung legen, kleidet sich auch Sleeth eher dezent und einfach. Sie rät, es grundsätzlich schlicht mit der Kleidung zu halten und nicht mit der Mode zu gehen. Außerdem gibt sie den Tipp, grundsätzlich Einkaufszentren zu meiden. Dabei fügt sie die Zeile aus dem Vaterunser „Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen“ an. Es ist beeindruckend, mit welchem Engagement sie für einen nachhaltigen Lebensstil wirbt. Gleichzeitig ist der Gedanke, dass jede Frau sich schlicht kleiden sollte, befremdend. Klare, intensive Farben unterstreichen die Augenfarbe und den Teint, die unterschiedlichen Stile und Schnitte der Kleidung schmeicheln den spezifischen Menschentypen. Dies alles durch unauffällige, lockere Kleidung zu ersetzen, ist im Sinne des persönlichen Stils nicht angebracht.  

Stellenweise überzeugt die Autorin damit, dass die Einstellungen der Amish nachahmenswert sind. Doch insgesamt wird die Welt der Amish zu sehr glorifiziert. Es liegt eben nicht in erster Linie an der Einfachheit der Kleidung oder an dem Genuss der Natur, ob jemand glücklich ist oder nicht. Außerdem ist auch das bekannte Merkmal der Amish, dass sie eine äußerst kritische Einstellung gegenüber technischen Fortschritt haben, bedenkenswert. Gott gab dem Menschen Intelligenz und damit die Veranlagung zu forschen und zu entwickeln. Natürlich sollte Forschung gerade in Bezug auf Ethik und Moral hinterfragt werden und folglich nicht jede Innovation gefördert und gefeiert werden. Dennoch sollte sie nicht prinzipiell gemieden werden.

Fazit

Das Buch eignet sich für Frauen, die gerne eine nachhaltige Lebensweise einüben wollen und bereit sind, sich selbst hinterfragen zu lassen. Auch wenn die Einstellungen und Empfehlungen von Nancy Sleeth teils weltfremd wirken, regt das Buch zum Nachdenken an. Es sollte nicht alles übernommen werden, dennoch ist der eine oder der andere Gedanke hilfreich, um das Leben zu entschlacken und zu vereinfachen.

Ihr Kommentar

Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Alle Kommentare werden redaktionell geprüft. Wir behalten uns das Kürzen von Kommentaren vor. Ein Recht auf Veröffentlichung besteht nicht.

Kommentare (6)

Michel /

Klare, intensive Farben unterstreichen die Augenfarbe und den Teint, die unterschiedlichen Stile und Schnitte der Kleidung schmeicheln den spezifischen Menschentypen...lol?Oh ja. Das ist nat. der mehr

Rainer /

Amish-Frauen mit Nagellack kann ich mir kaum vorstellen. Wer hat denn da Handmodell gestanden?

Heike /

Hallo Frau Löwen,
ich habe Ihren Artikel gelesen, der mir gut gefallen hat. Nur an einer Stelle war ich etwas verwirrt:
"Gleichzeitig ist der Gedanke, dass jede Frau sich schlicht kleiden sollte, mehr

FranzX /

Für mich als Katholiken ist die Wahl des Lebensstils der Amischen mit dem der verschiedenen Ordensgemeinschaften und Kommunitäten vergleichbar.
Hier wir eine "(Ordens-)Regel" aufgestellt, die mehr

ester /

Der einfache Lebensstil ist bestimmt nicht schlecht.
Was mich bei den Amish - und auch bei den Mennoniten - befremdet, ist die Tatsache, dass der 'Fortschritt' auf dem Stand des 18. oder 19. mehr

Thomas /

Ich habe zwar das Buch nicht gelesen, würde aber sowohl Nelli Löwen als auch den strengen Amish Recht geben. Denn sie sind alle Kinder Gottes, mit denen Gott Seinen Weg geht. Gott liebt nämlich alle mehr

Das könnte Sie auch interessieren