
29.11.2012 / Buchrezension / Lesezeit: ~ 4 min
Autor/-in: Rebecca TheisBluff!
Leben wir in einer Scheinwelt? Dieser Frage geht Manfred Lütz in seinem Buch „Bluff! Die Fälschung der Welt“ nach.
Der Psychologe und Theologe Manfred Lütz ist dafür bekannt, dass er auch „heiße Eisen“ anpackt und unbequeme Wahrheiten ausspricht. In seinem neuen Buch „Bluff! Die Fälschung der Welt“ äußert Manfred Lütz die Ansicht, dass die heutige Gesellschaft durch verschiedene Scheinwelten geprägt ist. Als Beispiel nennt er unter anderem die Welt der Medien, die mit Reality-Shows versucht, ein Bild der Wirklichkeit nachzubilden, tatsächlich aber immer eine Scheinwelt und damit nur inszenierte Realität ist. Den Menschen werde ein bestimmtes Bild der Wirklichkeit vermittelt, das mit dem realen Leben wenig zu tun habe. Liebe, Tod und andere lebensexistenziellen Themen würden durch die Medien drastisch verfälscht.
Eine derartige Verfälschung der Wirklichkeit sei aber nicht nur in den Medien Usus. Lütz wendet sich auch gegen Wissenschaftsgläubigkeit und ein übertriebenes Gesundheitsbewusstsein. Daran wird deutlich: Es geht in Lütz‘ Buch nicht allein um Scheinwelten, sondern vor allem um Ersatzreligionen. Und das kann gewissermaßen alles sein: der aktuelle Börsenkurs, eine psychologische Deutungsrichtung oder eine Castingshow.
Droht uns der Realitätsverlust?
Nun mag man widersprechen. Natürlich leben wir nicht in Scheinwelten. Wir durchschauen die Welt und niemand von uns nimmt an, dass eine Castingshow oder eine Gerichtssendung im Fernsehen die Realität abbildet. Dennoch – und das macht Lütz anschaulich – wird durch diese Dinge unterbewusst unser Verständnis der Welt geprägt und verfälscht.
Lütz deckt in „Bluff“ auf, wie es geschehen kann, dass ein Mensch über seiner wissenschaftlichen Weltsicht oder dem bedingungslosen Glauben an Diätpläne den Blick auf die Realität verliert. Unbarmherzig und zuweilen polemisch nimmt er die Scheinwelten und Ersatzreligionen auseinander, in denen sich unsere Gesellschaft eingerichtet hat. Natürlich ist nicht alles so beängstigend, wie Manfred Lütz es darstellt. Auch vielen Teilnehmern an einer Castingsendung sollte klar sein, dass das Urteil eines Dieter Bohlen letztlich nicht über das Wohl oder Wehe ihres Lebens entscheidet. Aber Lütz prangert an, dass genau dieses Bild erweckt werde. Menschen werde weisgemacht, der Fall des Aktienkurses, das Durchhalten einer Diät oder der Ausgang einer Casting-Show beeinflusse ihr Leben.
Denn, so legt Lütz dar, das wahre Leben findet nicht in irgendwelchen Medien statt und ist durch Börsenkurse oder Diäten nur gering beeinflussbar. Auch der gesunde Mensch lebt nicht ewig und der beste Aktienkurs nützt nichts, wenn man auf dem Sterbebett liegt. Lütz ruft seine Leser dazu auf, sich die Endlichkeit des Lebens neu bewusst zu machen. Wenn man sich vor Augen führt, dass jeder Moment unwiederholbar ist, verbringt man seine Lebenszeit vielleicht eher mit Partner und Familie als vor dem Fernseher oder mit dem Studieren des DAX-Index.
Unterhaltsam und kritisch
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Manfred Lütz: "Bluff! Die Fälschung der Welt", 16,99 €, Droemer Knaur 2012, ISBN: 9783426275979, Leseprobe, |
Manfred Lütz schlägt in seinem Buch einen Spagat zwischen Gesellschaftskritik und Unterhaltung. Die gewählten Beispiele sind zuweilen überspitzt, deswegen aber oft umso anschaulicher. Ironisch, bisweilen schon zynisch fällt seine Bewertung der verschiedenen Scheinwelten aus. Einige der Kritikpunkte, die Lütz nennt, sind nicht neu. Dass die Medien eine Scheinwelt sind und nicht die Realität transportieren, wird vielen Menschen auch schon vor diesem Buch bewusst gewesen sein. Dennoch hebt Manfred Lütz manche Kritikpunkte durch vielfältige Beispiele nochmal besonders gut hervor. Wenn Lütz zum Ende des Buches auf die Unwiederholbarkeit des Lebens zu sprechen kommt, wird sein Ton ernster und der Leser spürt: Hier spricht jemand mit einem Anliegen.
Manfred Lütz ist sich bewusst, dass das eigene Leben schnell vorbei ist. Da die Zeit knapp sei, gelte es die wirklich wichtigen Fragen zu stellen, so auch die Frage nach Gott. Den Glauben an ihn spricht Lütz als gläubiger Katholik natürlich an. Aber nicht nur dieses Thema beschäftigt ihn, sondern auch die Frage nach Gut und Böse, Liebe und Tod. Denn wahre Liebe oder auch das wirklich Gute begegnet dem Menschen nicht in den Scheinwelten unserer Gesellschaft. Deswegen lohnt es sich aus diesen gefälschten Wirklichkeiten auszubrechen und sich neu auf das auszurichten, was zählt: das eigene existenzielle, unwiederholbare Leben. Um wieder dahin zurückzufinden, empfiehlt Lütz dem Leser, sich Freiräume zu schaffen und aus den gefälschten Welten bewusst auszusteigen, aber auch, sich keinen Druck mit diesem Ausstieg zu machen.
Lütz schreibt dazu: „Wir alle leben unvermeidlich in dieser gefälschten Welt mit all ihren Vor- und Nachteilen, und das ist auch ganz gut so. […] Diese Welt ist bunt und schön und abwechslungsreich, und manchmal ist sie sogar köstlich wie ein guter Wein. Aber man muss aussteigen können. […] Solange man also weiß, dass die Welt gefälscht ist und es gefährlich ist, sich ganz in ihr zu verlieren, hat man noch die nötige Distanz.“
Fazit
Nun kann man natürlich Besseres mit seiner Zeit anzufangen, als ein Buch zu lesen, gerade wenn das Leben so begrenzt ist. Man könnte stattdessen auch einen Sonnenuntergang anschauen oder einen Spieleabend mit der Familie machen. Dennoch lohnt sich Lütz‘ Buch. Es ist leicht lesbar, unterhaltsam und öffnet vielleicht dem Einen oder Anderen den Blick dafür, in welche Scheinwelten er sich verstrickt hat.
Ihr Kommentar
Kommentare (4)
Die Scheinwelt als Gefängnis
Irgendwo las ich einmal diesen Satz: Wo immer neue Gefängnisse errichtet werden, finden sich alsbald auch die Insassen ein. Dazu lassen sich zahlreiche aktuelle … mehrAnalogien finden, zum Beispiel:
Wo neue Straßen gebaut werden, flutet alsbald dichter Verkehr.
Wo eine Maschine aufgestellt wird, um die Arbeit zu erleichtern, wächst der Arbeitsstreß.
Wo ein Krankenhaus gebaut wird, finden sich alsbald viele Kranke ein.
Wo ein Büro eingerichtet wird, finden sich alsbald neue Administrationsaufgaben.
Wo Ganztagsschulen gebaut werden, finden sich auch alsbald die Schüler ein.
Wo Krippen eingerichtet werden, finden sich auch alsbald genügend Säuglinge für die Betten.
Wo Geld zum Nulltarif gedruckt und verteilt wird, finden sich auch alsbald die Schmarotzer ein.
Was immer der Mensch erfindet, er wird es nutzen; er tut dies selbst dann, wenn sich die neuen Errungenschaften als fragwürdig herausstellen und ihm persönlich sowie der Gesellschaft langfristig Schaden zufügen. Des Menschen Gefängnisse - er baut sie sich selbst.
Mir ist gerade besonders drastisch aufgefallen,dass wir uns, ob wir wollen oder nicht, zum Sklaven des Mammon machen(lassen). Das ist ein raffiniertes Einfallstor Satans,der uns so von Gott ablenken und wegziehen will. Da hilft nur Wachsamkeit und leben aus Gottes Wort. Gruss Dorena
Was, Rebecca? Einen Sonnenunterganag anschauen ist "besser" als ein Buch lesen, besonders, da das Leben so begrenzt ist? Ich habe zuerst einmal nur das Fazit gelesen, und mir wäre lieber gewesen eine … mehretwas breitere Schussfolgerung zu erhalten, als Thesen über den Wert des Bücherlesens. Die Zusammenfassung am Schluss sollte reichhaltiger sein. Vielen Dank aber ansonsten für die Review.
Natürlich leben wir in einer Scheinwelt. Wir bezahlen mit Schein-Geld, dessen Wert uns unter den Fingern zerrinnt. Wir haben Schein-Elliten, die unsere geistigen und materiellen Bestände plündern und … mehrauf Kosten unserer Zukunft leben. Und wir glauben Ihren Schein-Konzepten aus dem Schlaraffenland. Wir glauben, das erwähnte Scheingeld wäre die Vorausetzung für Wohlstand - und ist in Wahrheit die Folge davon. Wir rühmen uns unserer "sozialen Errungenschaften" - und auch diese sind doch nur auf Pump finanziert. Wir verschulden uns für die Schulden anderer. Wir "retten" dauernd marode Konzerne, Banken und Staaten - und doch gehen diese früher oder später pleite. Wir retten das Klima - und wissen nicht, was damit überhaupt gemeint sein soll. Wir sind der Überzeugung, man könne die Temparatur über politische Beschlüsse regeln - und wundern uns, wenn die Natur nicht mitspielt. Wir glauben an die Vereinbarung von Familie und Beruf - bis die Kinder krank werden. Wir glauben an "kostenlose" Staatsangebote - und wundern uns nicht mal über ständig steigende Steuern und Abgaben, denn wir wollen ja "kostenlose" Versorgung. Wir glauben an Quoten, an die allwissende Zentralmacht in Berlin oder Brüssel oder Washington und die ARD-Tagesthemen. Und jeder der mahnend den Finger hebt, der ist ein "Abweichler", wie auch Stalin die Störenfriede seiner Scheinwelt schon nannte. Denn in einer solchen Scheinwelt ist das Aussprechen von Wahrheiten ein revolutionärer Akt.