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29.05.2017 / Andacht / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: Wolf-Dieter Kretschmer

Sag ich’s oder sag ich’s nicht?

Als Christ mit wachen Augen durch's Leben gehen.

Es ist schon eine Weile her, dass ich öffentlich Rechenschaft wegen meiner Glaubensüberzeugung ablegen musste. Ich habe mich damals so gut wie möglich vorbereitet. Das war damals eine aufregende Sache. Ich kann noch heute, mehrere Jahrzehnte später, jedes Detail beschreiben. Für mich ging es um die Frage, ob der Staat meine Gründe für die Verweigerung des Wehrdienstes akzeptieren würde.

Ärger mit den Christen

Nicht lange nach Pfingsten mussten sich Christen in Jerusalem verantworten. Ihr Vergehen: Sie hatten vom auferstandenen Jesus Christus gepredigt und in seinem Namen etliche Menschen von ihren Krankheiten geheilt. Die Apostel hatten im Tempel gepredigt. Infolgedessen war der Name Jesus plötzlich wieder in aller Munde, Stadtgespräch, denn viele Juden wendeten sich dem neuen Glauben zu.

Die jüdische Religionsbehörde, der sogenannte „Hohe Rat“,  konnte das nicht länger tolerieren und entschloss sich einzuschreiten. Petrus und die anderen Apostel wurden von der Tempelwache festgesetzt. Am nächsten Tag, so war der Plan, würde man ihnen den Prozess machen.

Aber die Verantwortlichen hatten ihre Rechnung ohne Gott gemacht. Der schickte nachts einen Engel und führte die Gefangenen aus ihrem Verlies heraus. Der Engel ermutigte die Apostel, weiter im Tempel öffentlich von Jesus zu reden. So kam es, dass frühmorgens die Apostel wieder im Tempel standen und freimütig über Jesus sprachen, sehr zur Verwirrung und Ärgernis des Hohen Rats.

Irgendetwas musste geschehen. Irgendwer musste diesen Jesus-Nachfolgern Einhalt gebieten. Aber es musste so geschehen, dass kein Aufruhr entstand. Das war ein heikles Unterfangen, denn die Tempelbesucher waren fasziniert von der Botschaft und Vollmacht der Apostel.

Also ließ man die Apostel holen und schimpfte mit ihnen: Man erinnerte sie daran, dass man ihnen doch gesagt habe, sie sollten es unterlassen, von Jesus zu predigen. Petrus begegnete diesen Anschuldigungen mit den Worten:

Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen. (Apostelgeschichte 5,29).

Was hat Priorität?

Christen akzeptieren die „Obrigkeit“ als von Gott eingesetzte Macht, um das Leben in der Gesellschaft zu regeln. Mehr noch, Christen mischen sich ein. Weil sie bereit sind, Verantwortung zu tragen, nehmen teil am öffentlichen Geschehen, wirken im politischen Alltag mit. Dabei dient ihnen ein Bibelwort aus dem Alten Testament als Richtschnur: „Suchet der Stadt Bestes“, heißt es im Buch des Propheten Jeremia, Kapitel 29, Vers 7. Diesen Rat gab Jeremia seinerzeit Menschen, die aus ihrer Heimat verbannt worden waren, es also mit einem feindlich gesinnten Staat zu tun hatten. Auch wenn Jeremias Rat für eine spezielle Situation galt, lässt er sich auch auf heute anwenden.
 

Das wirft die Frage auf, ob Jeremia und Petrus sich widersprechen. Nein, ich sehe keinen Widerspruch, denn die eine Aussage betrifft das Leben in der Gesellschaft im Allgemeinen, während das andere Bibelwort spezielle Situationen meint.

Ich tue gut daran, die bürgerlichen Rechte und Pflichten wahrzunehmen. Demokratie, wie es sie seit mehr als 70 Jahren in Deutschland gibt, ist ein besonderes Vorrecht, etwas, das es zu schützen und bewahren gilt. In diesem Sinne ist das Bibelwort aus dem Buch Jeremia 29,7 ein Auftrag, den ich ernst nehmen muss. Es ist meine Pflicht, der Stadt Bestes zu suchen, weil Gott mich in diese Gesellschaft hineingestellt hat.

Es gibt aber auch Ausnahmesituationen. Auch die kenne ich aus der deutschen Geschichte: Wenn Menschen in Verantwortung klar gegen Gottes Gebote verstoßen, Gottes Gebote mit Füßen treten, dann muss ich Stellung beziehen. Das sind dann die Momente, in denen ich in Verantwortung vor Gott und den Menschen mein Verhalten abwägen und ggf. zivilen Widerstand leisten muss.

Ich bin als Christ herausgefordert, mit wachen Augen zu leben.

Wann muss man Gott mehr gehorchen als Menschen? Wenn beispielsweise Menschen benachteiligt oder misshandelt werden, wenn hemmungslose Gier Soziales niedermacht, wenn der Glaube an den auferstandenen Christus für unerwünscht erklärt wird. Wenn ich schweigen soll, wo doch der Auftrag Jesu klar und deutlich ist: Hingehen zu allen Menschen und ihnen das Evangelium sagen.

 Wolf-Dieter Kretschmer

Wolf-Dieter Kretschmer

  |  Leiter Redaktion Theologie/Verkündigung

Der Theologe, Autor und Redakteur verantwortet die Verkündungssendungen, leitet die Redaktion Theologie und das Seelsorgeteam. Er ist verheiratet und Vater von vier Kindern.

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Kommentare (2)

Dorena /

Ich scheue mich durchaus nicht, von meinem Glauben zu erzählen. Ich bemühe mich dabei, dass es um meine Basis geht im Leben und dass mir es fern liegt, diesen Glauben jemandem aufzunötigen. Was sie/er dann damit anfängt,ist erstmal ihre/seine Sache.

Hesekiel /

"Wenn Menschen in Verantwortung klar gegen Gottes Gebote verstoßen, Gottes Gebote mit Füßen treten, dann muss ich Stellung beziehen. Das sind dann die Momente, in denen ich in Verantwortung vor Gott mehr

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