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© Kal Visuals / unsplash.com

21.08.2023 / Andacht / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: Kai Rinsland

Nimmt das denn gar kein Ende hier?

Wie ich beim Wandern eine neue Perspektive auf herausfordernde Situationen fand. Eine Andacht.

Wer schon mal mit kleinen Kindern im Auto auf dem Weg in den Urlaub war, kennt es: „Wann sind wir da-haaa?“ Oder in Abwandlung: „Sind wir bald da-haaaaaaaa?“, die letzte Silbe ganz nach persönlicher Note in die Länge gezogen. So nölt das Kind in Dauerschleife ungeduldig vom Rücksitz aus, exponentiell ansteigend pro Kilometer.

Warum fällt mir das ausgerechnet jetzt ein, hier auf dem Wanderweg, mitten in der Natur, weitab von jeglicher Autobahn? Es ist Hochsommer und ich befinde mich im Berghang. Im Schweiße meiner Wanderschuhe richte ich den Blick nach unten. Doch hin und wieder schaue ich auf, ob vielleicht gleich nach der nächsten Biegung, hoffentlich anders als in den letzten 20 Minuten, in denen es ausschließlich steil nach oben ging, endlich der Gipfel kommt? Bitte, bitte, BITTE! Blick nach oben: Nein. War zu früh. Die Aussicht hat sich verändert, nicht aber die Richtung. Weiter steil bergauf.

Und fast als säße ich im zarten Alter von sieben Jahren auf dem Rücksitz des Familienautos, höre ich mein inneres Kind fragen: „Nimmt das denn gar kein Ende hier?“
 

Unsinnige Gedanken

Weiter geht’s. Wanderstöcke links und rechts, quasi auf allen Vieren, die Muskeln in den Beinen brennen, der Schweiß rinnt, das Gespräch in der Wandergruppe ist schon seit einer Weile verstummt. Es geht offensichtlich nicht nur mir so. Das ist kein Urlaub mehr, das grenzt an Schwerstarbeit. Und wieder: „Nimmt das denn gar kein Ende hier?“

Unwillkürlich muss ich schmunzeln, bleibe stehen und denke belustigt: „Was soll das denn? Natürlich nimmt das irgendwann ein Ende hier! Ich bin ja nicht Sisyphos, zum ewigen, ausweglosen Aufstieg verdammt. Mach dich bitte mal locker, es ist doch nur ein Wanderweg.“ – So qualvoll mir mein selbst gewähltes Freizeit-Wander-Schicksal auch gerade vorkommen mag, heute Abend wartet doch wieder eine erfrischend-wohltuende Dusche auf mich, oder? Na also! „Nimmt das denn gar kein Ende hier?“ So ein Unsinn…

Ich stelle in diesem Moment verblüfft fest: In der Tat hat alles ein Ende. Kein Urlaubsort der Welt ist unerreichbar. Jeder Berghang flacht irgendwann ab oder endet beim Gipfelkreuz. So belanglos meine leidvoll-verschwitzte Situation auch gerade ist, und so existentiell bedroht zur gleichen Zeit das Schicksal anderer Menschen sein mag: Alles hier auf Erden hat ein Ende. Punkt.
 

Größere Perspektive

Doch ganz im Gegensatz dazu gibt es bei Gott tatsächlich Dinge, die nie zu Ende sind. Und das ist gut so. „His mercies are fresh every morning“, heißt es im Refrain eines Popsongs, sinngemäß zitiert nach Klagelieder 3,22-23. Die spritzige, englische Formulierung mit dem Wörtchen „fresh“ hat sich mir ins Gedächtnis eingegraben. Gottes Barmherzigkeit ist jeden Morgen neu, sie hat nie ein Ende.

In Psalm 36,6 heißt es: „Deine Güte reicht, so weit der Himmel ist, und deine Gnade, so weit die Wolken ziehen“. Auch in diesem Bild öffnet sich mir eine Perspektive, die weit über meinen Berghang hinausgeht. Der Himmel über mir und die Wolken, deren Schatten mir gerade fehlt, scheinen aus meinem Blickwinkel unendlich und unfassbar zu sein. So weit, so umfassend ist Gottes milder Blick auf mich und mein Leben und meinen ach so schweren Rucksack heute.
 

Der „Blick von oben“

Gottes Perspektive hilft mir auch, mich und meine Situation wieder besser einzuschätzen. Ich nenne sie einfach mal „Blick von oben“ oder „Vogelperspektive“. Aus Gottes Blickwinkel ist klar erkennbar, wie lange der Berghang sich noch hinziehen wird und wo die nächste Bank schon auf mich wartet.

Und da unten, da schwitzt einer, gibt sich Mühe, ist tapfer, hingegeben, konzentriert, hart am Limit, aber immer noch motiviert – großartig! So blickt Gott auf mich und meine Mühe: wertschätzend, zugewandt, immer im Blick. Fast kann ich spüren, wie er mich anfeuert: Gleich hast du’s geschafft!

„Nimmt das denn gar kein Ende hier?“ – Klare Antwort: Der Berghang, absolut ja. Gottes Liebe und Barmherzigkeit, definitiv nein.
 

 Kai Rinsland

Kai Rinsland

  |  Redakteur und Programmplaner

Der gebürtige Gießener schreibt für ERF.de und koordiniert die Produktion der ERF Antenne. Daneben ist er aktuell die Stationvoice von ERF Plus. Er lebt mit seiner Frau in einem Holzhaus, geht wandern, klettern und e-biken. Er isst gerne Fisch und genießt kräftigen Espresso.

Ihr Kommentar

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Kommentare (3)

Norbert D. /

Spitze Herr Rinsland, ich schmunzele wenn ich dran denke, wie oft mirs schon so beim quälenden Aufstieg ergangen ist. Und noch einen Gang runter schalten,
denn das Ziel lässt auf sich warten. Klasse und spritzig formuliert!!

Ulla S. /

Lieber Herr Rinsland,
Sie sprechen mir aus der Seele , ich habe mich beim lesen ihres Artikels total wiedergefunden ( das mit den Kindern auch , wann sind wir entlich daaaaa)
Doch dann kamen die mehr

Rüdiger /

Gut beschrieben auch mir geht es oft so, vor allem im "normalem" leben. Hoffnungslosigkeit, Trauer, scheinbar ohne Ausweg, wann ist es endlich zu Ende? Und dann plötzlich kommt man um die letzte Ecke und man merkt, dass man angekommen ist. Gut, dass man jemanden vertraut, der den Überblick hat.

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