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© Aziz-Acharki / unsplash.com

26.03.2021 / Andacht / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: Katrin Faludi

Muss Stille Zeit stille Zeit sein?

Feiern, Segeln, Prügeln, Stürmen trotzen, Schlangen beschwören, kurz: Zeit mit Gott verbringen!

Als ich noch ein junges Pflänzchen im Glauben war, spießte man mir eine Rankhilfe in den Blumentopf, an der ich mich glaubensmäßig doch bitte emporzuhangeln hatte. Diese Rankhilfe hieß „Stille Zeit“. Das Versprechen lautete: Wenn du dich nur kräftig an diesem Gitter festhältst, wirst du jeden Tag ein kleines Stückchen näher auf den Himmel zuwachsen. Denn durch das regelmäßige ungestörte Bibellesen und Beten findet der Glaube den richtigen Weg nach oben.

Klang logisch. Also rankten sich ein paar meiner Triebe an dem Gitter empor und verkehrt war das auch nicht. Aber irgendwie kamen nicht alle Triebe mit. Ein paar Triebe waren zu neugierig, um immer nur auf diese eine Rankhilfe zu schielen. Sie wollten etwas anderes ausprobieren. Also schlängelten sie sich über den Blumentopf hinweg, krochen über den Boden, über Steine, an nackten Wänden empor und eigentlich überall dahin, wo keine Rankhilfe war. Vielleicht war es an einer rauen Wand etwas schwieriger, Halt zu finden. Aber einen Weg nach oben fand ich trotzdem. Auch ohne „Stille Zeit“. Denn so gut es ist, eine solche Hilfe zu haben, um im Glauben zu wachsen – es gibt auch noch viele, viele andere Wege in die Vertikale!

Wer hat gesagt, dass eine Begegnung mit Gott immer friedlich verläuft?

„Stille Zeit“ ist ein Konzept, das in der Bibel häufiger vorkommt. Jesus hat sich immer mal wieder zurückgezogen, um in Ruhe beten zu können. Auch andere Menschen aus der Bibel, wie etwa Mose oder Jakob, haben Stille und Einsamkeit gesucht, um Gott zu begegnen.

Einmal, als Jakob bewusst „Stille Zeit“ machen wollte, schlug die Begegnung mit Gott allerdings ins komplette Gegenteil um. „Da kam ein Mann und kämpfte mit ihm bis zum Morgengrauen“ (1. Mose 32,25). Gott stellte sich Jakob in der Gestalt eines Mannes entgegen und die beiden prügelten sich stundenlang! Und haben Sie schon mal eine stille Prügelei erlebt? Jakob ist zwar gesegnet aus dieser Zeit herausgekommen, aber still ist sie ganz bestimmt nicht gewesen!

Auch andere Begegnungen mit Gott sind nicht ganz so kontemplativ und friedlich ausgegangen, wie es das Klischee der „Stillen Zeit“ so vorsieht. Als Mose das erste Mal mit Gott sprach (er hütete gerade die Tiere seines Schwiegervaters), sah er sich plötzlich einem brennenden Gebüsch gegenüber.

Zu einer anderen Gelegenheit musste er auf Gottes Geheiß hin eine Schlange beim Schwanz packen! Das muss man sich mal vorstellen. Hätte Gott den Mann in der heutigen Zeit berufen, dann hätte er, während Mose gerade über einer Excel-Tabelle brütet, womöglich dessen Schreibtisch in Flammen aufgehen lassen. Manchmal hat Gott ein Faible für denkwürdige Auftritte.

Die normalen und die nicht ganz normalen Dinge

Zeit mit Gott ist also nicht unbedingt mit Geräusch- bzw. Ereignislosigkeit verbunden. Wenn in der Bibel von Begegnungen mit Gott berichtet wird, passiert meistens etwas. Viele Gottesbegegnungen finden in der Bibel übrigens in den vier Evangelien statt. Denn wo auch immer Jesus auf Menschen trifft, treffen diese Menschen auf Gott und verbringen Zeit mit ihm. Und was haben die so zusammen gemacht?

Gegessen. Gefeiert. Gesegelt. Gefischt. Geklönt. Gestritten. Gewandert.
Ganz normale Sachen eben. Aber eben auch ein paar nicht ganz so normale:

Krankheiten geheilt, Blinde sehend gemacht. Auf dem Wasser gelaufen. Stürme gestillt. Tote auferweckt.

Aber ob sie nun mit Jesus auf einer Hochzeit gefeiert haben (und mir kann keiner erzählen, dass Jesus nicht persönlich daran beteiligt gewesen ist, dass der Wein knapp wurde!) oder in seinem Namen Dämonen ausgetrieben haben:

Alles, was Menschen mit Jesus zusammen oder in seinem Namen tun, ist gleichzeitig gelebte Zeit mit ihm.

Jesus hat seinen Leuten ein Versprechen mit auf den Weg gegeben: „Ich bin immer bei euch bis ans Ende der Zeit.“ (Matthäus 28,20). Und den Heiligen Geist gibt es als Bonus auch mit oben drauf. Das sind beste Voraussetzungen, um Gott mit in das einzubeziehen, was ich tue. Wenn ich mir bei dem, was ich tue, bewusstmache, dass Gott bei mir ist, dann verbringe ich automatisch Zeit mit ihm. Ob ich nun fleißig an meinem Rankgitter emporklettere oder mir auch mal andere Wege nach oben Suche. Alles ist möglich.
 

 Katrin Faludi

Katrin Faludi

  |  Redakteurin

In Offenbach geboren, mit Berliner Schnauze aufgewachsen. Hat Medienwissenschaft und Amerikanistik studiert, ist danach beim Radio hängengeblieben. Außerdem schreibt sie Bücher, liebt alles, was mit Sprache(n) und dem Norden zu tun hat und entspannt gerne beim Landkartengucken. Mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern wohnt sie in Bad Vilbel.

Ihr Kommentar

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Kommentare (3)

Vera /

Treffend, wie Sie die Gemeinschaft mit Jesus beschreiben. Was auffällt: Die meisten Erlebnisse geschehen auch in Gemeinschaft mit anderen Menschen. Und da gibt es bei den Stille-Zeit-Verfechtern mehr

Thomas R. /

Herzlichen Dank für diesen Wunder-Vollen Text! Ich wünsche allen Lesern einen gesegneten Sonntag

Andrea S. /

Danke für den erfrischenden Kommentar. Ich habe es auch schon immer so empfunden.

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