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© Mag Pole / unsplash.com

14.10.2024 / Andacht / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Katrin Faludi

Lust auf Strafen?

Wenn jemand einen Fehler macht, schreien viele laut nach Bestrafung. Aber wie sieht Gott das eigentlich? 

Es war ein handfester Skandal: Wenige Tage vor den Olympischen Spielen in Paris taucht ein Video auf, in dem die britische Athletin Charlotte Dujardin, dreifache Olympiasiegerin im Dressurreiten, ein Pferd auspeitscht. Innerhalb einer Minute schlägt sie zwei Dutzend Mal auf das Pferd ihrer Reitschülerin ein – mit einer kühlen Routine, die erkennen lässt, dass sie so etwas nicht zum ersten Mal tut. 

Noch bevor die Empörungswelle ob dieser Tierquälerei losbricht, zieht die Medaillenfavoritin ihre Teilnahme von den Spielen zurück. Der Weltreiterverband sperrt sie zudem bis auf Weiteres. 

In einer schriftlichen Stellungnahme schreibt Dujardin von einer „Fehleinschätzung“ und dass dies nicht der Art entspreche, wie sie normalerweise ihre Pferde und Schüler ausbilde. Sie äußert Scham über ihr Verhalten. 

Das Statement ruft statt einer Abkühlung der Gemüter Hohn und Spott hervor. Zu oft schon haben bekannte Reitsportler, die der Tierquälerei überführt worden sind, mit ähnlichen Worten versucht, den Imageschaden zu begrenzen. Man glaubt Charlotte Dujardin ihre Reue schlicht nicht. 

„Bestraft sie!“ 

Die Karriere der Dressurreiterin ruht seitdem und es ist fraglich, ob sie in ihrem Sport jemals wieder auf einen grünen Zweig kommen wird. Wenn es nach den Kommentierenden in den sozialen Medien ginge, müsse man ihr ein lebenslanges Tierhalteverbot aussprechen. Und noch mehr ist dort zu lesen: Man möge sie genauso schlagen wie sie das Pferd. Nein, besser wäre, sie gleich nackt durch die Reithalle zu peitschen!  

In den Kommentarspalten überbieten sich viele User mit den wildesten Bestrafungsfantasien. Die Empörung kocht zu einer obszönen Lust an körperlicher Züchtigung hoch. Hätte man die Reiterin wie im Mittelalter an den Pranger gestellt, es hätte zahlreiche Menschen gegeben, die ihr mit großem Vergnügen Kübel voll Gülle ins Gesicht geschleudert hätten. So viel zum zivilisatorischen Fortschritt. 

Ohne Frage, Frau Dujardin hat für ihre Tierquälerei eine angemessene Strafe verdient. Was sie getan hat, ist nicht schönzureden. Doch die Art und Weise, wie öffentlich über sie geurteilt wird, ist nicht minder verwerflich.

„Ich bin im Recht!“ 

Dieses Beispiel zeigt, wie unbarmherzig Menschen in ihrem Urteil werden können – auch in Fällen, in denen ein scharfes Urteil berechtigt ist. Empörung und Wut ziehen allzu schnell Selbstgerechtigkeit nach sich. Denn wenn ich mich mit meinen Ansichten voll im Recht sehe, neige ich zu harten Urteilen gegenüber anderen. Die Verhältnismäßigkeit gerät aus den Fugen. 

Dann fordere ich nicht nur, dass die Sportlerin bis auf Weiteres gesperrt wird, nein, sie darf meiner Meinung nach nie wieder einem Pferd zu nahe kommen! Dann ist es aus meiner empörten Sicht legitim, mit einer Peitsche auf sie loszugehen. Und überhaupt ist der gesamte Reitsport an sich Tierquälerei und so weiter … 

Lebenslange Strafen und grobe Verallgemeinerungen auszusprechen, fühlt sich so gut an, wenn ich mich moralisch auf der richtigen Seite sehe. 

Ist Reue denn keine Option? 

Aber was wäre eigentlich, wenn Charlotte Dujardin aus ihrem Fehler etwas gelernt hat? Wenn ihre Scham und Reue echt sind und nicht nur auf Schadensbegrenzung abzielen?

Wenn es ihr ehrlich leidtut, dass sie ein Tier geschlagen hat, und sie daran arbeitet, damit das nicht wieder geschieht? Was wäre, wenn sie glaubhaft umkehrt? 

In der Bibel wird das Thema Schuld und Reue unter anderem so angesprochen: „Wenn wir sagen, wir seien ohne Schuld, betrügen wir uns selbst und die Wahrheit ist nicht in uns. Doch wenn wir ihm unsere Sünden bekennen, ist er [Gott] treu und gerecht, dass er uns vergibt und uns von allem Bösen reinigt“ (1. Johannes 1,8-9). 

Gott hat keine Lust am Strafen 

Gerne vergessen Menschen, dass es letztlich nicht in ihrer eigenen Macht und Verantwortung liegt, Fehlverhalten zu benennen, ein Strafmaß festzulegen und nach der Verbüßung dann Vergebung auszusprechen. Das ist allein Gottes Sache. 

Gottes Strafmaß für Sünde ist hart – härter noch, als es sich die Kommentarspalten-Scharfrichter in ihren kühnsten Träumen ausmalen könnten. Doch in einem wichtigen Aspekt unterscheidet sich Gott von ihnen: Er räumt die Möglichkeit der Buße und Umkehr ein. Er dringt sogar darauf! Weil Gott – im Gegensatz zu jenen selbsternannten „Richtern“ – keine Lust am Bestrafen verspürt.  

Eigentlich ist es simpel: Ich sündige, zum Beispiel indem ich ein Tier quäle. Meine Verfehlung kommt ans Licht. Ich werde dafür verurteilt. Ich lerne aus meinem Fehler und bemühe mich ernsthaft, ihn nicht zu wiederholen. Gott erlässt mir die Strafe und stellt meine Würde wieder her. Ich verhalte mich aus Einsicht und Dankbarkeit künftig besser und bin persönlich gereift und gewachsen. 

Diese Einsicht und diese Reifung wünsche ich Charlotte Dujardin von Herzen, wie ich sie jedem von uns, mich selbst eingeschlossen, wünsche. Weil wir alle Geschöpfe jenes Gottes sind, der keine Lust daran hat, zu strafen, sondern der unsere Würde wiederherstellen will, wenn wir hinfallen. Denn jeder von uns ist schon gefallen. Und jeder von uns wird wieder fallen. 

Wenn Wut und Empörung hochkochen, lasst uns deshalb daran erinnern: Reue und Umkehr sind immer eine Möglichkeit – und wir sind oft genug selbst davon abhängig.

Autor/-in

Katrin Faludi

  |  Redakteurin

Katrin Faludi hat Medienwissenschaft und Amerikanistik studiert. Hauptberuflich arbeitet sie seit vielen Jahren als Radioredakteurin, nebenberuflich ist sie Buchautorin. Zu ihren Themen gehören Lebenshilfe und seelische Gesundheit, denen sie mit einer Prise Humor sehr gerne die Schwere nimmt. Sie ist verheiratet, hat zwei Kinder und mag alles, was mit Sprache(n) zu tun hat.

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