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© Axel Hoffmann / pixelio.de

24.11.2011 / Themenwoche Einheit mit Christus / Lesezeit: ~ 6 min

Autor/-in: Joachim Bär

Kein Christus ohne Kreuz

Wer der Einheit mit Christus auf den Grund geht, kommt am Leiden nicht vorbei. Kein Grund zur Trübsal aber! So beginnt neues Leben.

„Mitgefangen, mitgehangen“: Die Reihenfolge der Worte dieses Sprichworts wie auch seine Herkunft sind zwar umstritten. Klar ist aber seine Bedeutung: Wer sich auf etwas oder jemanden einlässt, muss auch seinen Kopf herhalten, wenn’s eng wird. Sei es, wenn die eigene Firma pleitegeht, wenn sich der Ehepartner verschuldet oder schlicht nach einem aufgeflogenen Geschäft mit zwielichtigen Gesellen.

Es fällt auf, dass beiden Verben das kleine Wörtchen „mit“ vorangestellt ist, das auf eine Verbindung, ja auf eine Beziehung hinweist. Ich werde nicht allein gefangen, sondern zusammen mit denen, mit denen ich gemeinsame Sache gemacht habe. Und ich hänge nicht alleine, so grausig es auch ist, darüber nachzudenken. Ich werde mit anderen zur Verantwortung gezogen. Zumindest hänge mit denen drin, auf die ich mich eingelassen habe.

Wer sich näher mit dem Neuen Testament beschäftigt, stößt auf ähnliche Verben. Mitsitzen, mitwirken, miterbauen – gerade Paulus verwendet häufig diese zusammengesetzten Wörter (Epheser 2,6; Römer 8,28; Epheser 2,22). Sie funktionieren im Griechischen ähnlich wie im Deutschen. Die vorangestellte Präposition „syn“ entspricht dem deutschen „mit“ und drückt aus, dass Menschen gemeinsam sitzen, wirken und erbauen. Selbst den Mitgefangenen findet man im Neuen Testament (z. B. Kolosser 4,10).

Jesu Tod schließt mich mit ein

Einige dieser Verben beschreiben das besondere Verhältnis von Christen zu ihrem Herrn. Das Interessante: Mindestens drei von ihnen drehen sich um den Tod Jesu. Christen sind mit Christus mitgekreuzigt, mitgestorben und mitbegraben (z. B. Römer 6,6, Kolosser 3,3, Römer 6,4). Fragt sich wieder, was das bedeutet. Wie kann ich mit jemandem mitgekreuzigt werden, der vor 2.000 Jahren hingerichtet wurde? Warum leben etwa 2,26 Milliarden Christen auf der Welt, wenn sie mit Christus gestorben sind? Und wieso sind Christen mit Christus begraben, wenn sich ihre Zukunftshoffnung um die Auferstehung dreht?

Bleibt der übertragene, geistliche Sinn. Was nicht bedeutet, das Sterben Jesu übertragen zu verstehen. Grundlage bleibt der reale, leidvolle Tod Jesu am Kreuz. Es bedeutet aber, dass dieser Tod nicht am Kreuz aufhört, sondern mich als Christ mit einschließt. Das Schicksal Jesu wird in gewisser Weise mein Schicksal. Ich bekomme Anteil an seinem Sterben, ich identifiziere mich mit seinem Tod. Ein Stück weit wird sein Tod in mir real.

Was gehört nun zu diesem Sterben, zu dieser besonderen Verbindung mit Christus in seinem Tod? Das Neue Testament gibt drei Antworten auf diese Frage.

In Christus hinein getauft

Das Neue Testament hält Bekehrung und Taufe eng zusammen. Aus gutem Grund. Sie markiert den Beginn eines neuen Lebens mit Christus und drückt in einer wunderbaren Zeichenhandlung erfahrbar aus, was auf geistlicher Ebene geschieht. In der Taufe werde ich im wahrsten Sinne des Wortes in Christus hineingetauft. Ich gehöre zu ihm, verwachse mit ihm (Römer 6,5) und bin jetzt in ihm. In der Taufe habe ich Anteil an seinem Tod und bin mit ihm begraben.

Paulus drückt das folgendermaßen aus: „Oder wisst ihr nicht, was es heißt, auf Jesus Christus getauft zu sein? Wisst ihr nicht, dass wir alle durch diese Taufe mit einbezogen worden sind in seinen Tod?“ (Römer 6,3) Die Taufe macht dabei einen ganz entscheidenden Aspekt meiner Hinwendung zu Gott ganz sicht- und greifbar: Mein altes Leben hört auf.

Schon seit der Alten Kirche werden hierzu die Täuflinge drei Mal komplett unter Wasser getaucht. Stille. Für einen kurzen Moment hören sie auf zu atmen, sie sind tot. Natürlich um erneut aufzutauchen und die Luft des neuen Lebens einzuatmen. Trotzdem war und ist dieser kleine Moment sehr wichtig. Er erinnert Christen daran, dass sie mit Christus gestorben sind, um zu einem neuen Leben aufzuerstehen.

Mein altes Ich stirbt

Das Untertauchen verdeutlicht also, dass mein altes Leben fern von Gott stirbt und beerdigt wird. Der Tod Jesu, in den ich einbezogen bin, umfasst somit weit mehr als die Vergebung meiner Schuld. Ein Teil von mir stirbt wortwörtlich mit. Meine sündige Natur, mein Ego, mein eigener Wille, meine Wünsche. Das schafft Platz für Neues. Ich bekomme eine neue Identität und werde dazu befähigt, ein neues Leben zu leben. Christus lebt jetzt in mir! Er treibt mich an und bestimmt mein Leben.

Damit wird das Kreuz zum Anfang einer existentiellen Neuorientierung. Existentiell deshalb, weil dieses neue Leben nichts weniger heißt, als dass Jesus nun sein Leben in mir lebt: „Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir“, beschreibt Paulus diesen Herrschaftswechsel (Galater 2,20). Damit meint er nicht, dass es plötzlich gar keinen Paulus mehr gibt. Er beschreibt lediglich, dass das alte, sündhafte und egoistische Ich ausgelöscht wird und durch dieses „Christus in mir“ mehr und mehr ersetzt wird. Ich ziehe mehr und mehr Christus an (Galater 3,27).

Was letztlich das Wirken des Heiligen Geistes beschreibt. Nur er schafft die Grundlage dafür, dass ich unempfänglich für die bisherigen Lebensmuster und Ansprüche der Welt werde, dass ich „ihnen sterbe“ (Römer 6,2). Mit Christus sterben, bedeutet, für die Sünde zu sterben. Und nur der Heilige Geist schafft es, dass mir immer mehr danach verlangt, Gott zu dienen und Christus ähnlicher zu werden. Die Identifikation mit weltlichen Maßstäben fängt an aufzuhören. Und die Identifikation mit Christus beginnt. Nur durch diese neue Lebensgrundlage wird ein neues Leben in der Gemeinschaft mit Christus und anderen Gläubigen möglich. Nur so kommt es wirklich zu einer Befreiung.

Die neutestamentlichen Autoren machen keinen Hehl daraus, dass mein altes Ich weitherhin Ansprüche anmelden kann. „Denn das Gute, das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich“, beschreibt Paulus diesen Zwiespalt (Römer 7,19). Komme ich aber mit erneuter Schuld in der persönlichen Beichte vor Gott, tut es mir leid und lasse ich mir vergeben, stirbt mein Ego einen weiteren, kleinen Tod. Wer das in der persönlichen Beichte vor Gott nicht mehr spürt, sollte einmal die Beichte vor einem anderen Christen in Erwägung ziehen.

Hier geschieht der Durchbruch zum Kreuz, wie Dietrich Bonhoeffer schreibt: „Die Beichte vor dem Bruder (der Schwester, Anm. d. Redaktion) ist tiefste Demütigung, sie tut weh, sie macht gering, sie schlägt den Hochmut furchtbar nieder. […] Im Bekenntnis konkreter Sünden stirbt der alte Mensch unter Schmerzen einen schmachvollen Tod vor den Augen des Bruders.“1 So kann Teilhabe am Kreuz heute aussehen.

Sein Leid wird mein Leid

Wenn sich Menschen selbst auf- und Gott hingeben, ist das für viele unverständlich. Für Gottes Widersacher gar ein handfester Grund, sich zu ärgern. Dass es zu Gegenwind kommt, bleibt unvermeidlich. Das Wort vom Kreuz und davon, dass ich als Christ Anteil an Jesu Tod habe, ist bis heute ein Ärgernis. Ein Ärgernis, das manche Christen in Lebensgefahr bringt, manchmal das Leben kostet.

Das war auch nicht anders zu erwarten. Schon Jesus hat seine Jünger darauf vorbereitet: „Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“ (Markus 8,34) Christen werden missverstanden, bekämpft und verfolgt. Nachfolge zieht Christen hinein in das Schicksal ihres Herrn – was Leid bis hin zum Tod miteinschließt.

Paulus ist dafür das beste Beispiel. Als christlicher Apostel wurde er verhöhnt, geschlagen und gesteinigt. Er hat „allezeit das Sterben Jesu am Leib“ umhergetragen (2. Korinther 4,10). Auf diese Weise hat sein Leben immer mehr das Leben Jesu widergespiegelt. Wie es auch sein Wunsch war. „Ihn möchte ich erkennen und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden und so seinem Tode gleich gestaltet werden.“, schreibt er im Brief an die Philipper (Philipper 3,10). Es ist eine tragische Tatsache, dass Tausende Christen weltweit Tag für Tag gar keine andere Wahl haben, als einem Beispiel zu folgen.

Der Tod ist keine Sackgasse

Damit macht Paulus klar, dass die Teilhabe an Christi Leiden, das Mit-Leiden (Römer 8,17), zur Jüngerschaft dazugehört. Christus ist ohne das Kreuz nicht zu haben. J.D.G.Dunn schreibt: „Einheit mit Christus ist nichts, wenn sie nicht auch die Einheit mit Christus in seinem Tod ist.“

Das hat nichts mit Masochismus zu tun. Paulus & Co. haben das Leid nicht aktiv gesucht. Es ist nicht das Ziel und hat keinen Wert in sich. Da wo Christus mich aber in sein Leiden mit hineinnimmt, tut sich ein bedeutender Weg auf, auf dem ich in das Bild Christi umgestaltet werde. Womit auch klar ist, dass dieser Todesweg keine Sackgasse ist. Christus ist nicht nur gestorben, sondern auch auferstanden. Mit Christus mitleiden, mitgekreuzigt, mitgestorben und mitbegraben sein ist nicht weniger als die Grundlage für meine künftige Auferstehung. Das wird Morgen Thema sein.

1 Dietrich Bonhoeffer, Gemeinsames Leben, BRUNNEN, 1977, S. 98.
 

 Joachim Bär

Joachim Bär

  |  Unit Lead erf.de / Antenne

Joachim Bär war Unit Lead von erf.de und hat die übergreifenden Themen der redaktionellen Angebote des ERF koordiniert. Er ist Theologe und Redakteur, verheiratet und hat zwei Kinder.

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Kommentare (2)

RealDeal /

Ausgezeichneter Beitrag. Die Aussagen über die Beichte kann ich nur bestätigen. Es ist ein Wunder, wie auf diese Weise der alte Mensch besiegt werden kann.

Angela /

Vielen Dank für diesen Beitrag! Das Leid in meinem Leben hat maßgeblich dazu beigetragen, daß ich zu einem reiferen, verantwortungsvolleren und mitfühlenderen Menschen herangewachsen bin. Ich möchte mehr

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