Navigation überspringen
© Brooke Cagle / unsplash.com

17.01.2020 / Andacht / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Katrin Faludi

Bestraft mich Gott für meine Zweifel?

Warum nicht der Zweifel das Problem ist.

Es ist schon paradox: Einerseits hat Gott uns Menschen Freiheit gegeben. Freiheit zu denken, zu handeln und zu fühlen. Durch diesen Abstand, den wir dadurch Gott gegenüber einnehmen, können wir erst zu ihm in Beziehung treten. Durch diesen Abstand ist es uns aber auch erst möglich, Gott und sein Handeln „von außen“ zu betrachten und dadurch infrage zu stellen. Die Freiheit, die Gott uns gewährt, ermöglicht es uns daher, an ihm zu zweifeln.

Gleichzeitig aber birgt die Freiheit zu zweifeln die Möglichkeit, uns in Gefangenschaft zu führen. Das Volk Israel hat dies nach seiner Rettung aus der Gefangenschaft in Ägypten erlebt. Nicht, dass Gott seinem Volk zuliebe während dieser Zeit nicht zahlreiche Wunder aus dem Ärmel geschüttelt hätte (10 Plagen, Meeresteilung, Manna, Wachtel-Flut etc. pp.). Noch dazu hat Gott seinem Volk ein Land versprochen, in dem es in Frieden und Wohlstand würde leben können.

Nein. Das Volk Israel sieht nur die Schwierigkeiten, die ihm auf dem Weg in dieses versprochene Land im Weg stehen. Die Späher, die das unbekannte Land ausgekundschaftet haben, berichten von wehrhaften Völkern, die dort leben und ihr Territorium nicht kampflos aufgeben werden. Hysterie bricht aus. Angestachelt vom Zweifel einiger weniger Männer beginnen die Israeliten zu meutern:

„Wären wir doch bloß in Ägypten oder hier in der Wüste gestorben! Ach, wären wir doch schon tot! Warum hat uns der Herr in dieses Land gebracht? Etwa nur, damit wir hier in der Schlacht getötet werden und unsere Frauen und Kinder als Sklaven verschleppt werden? Wäre es da nicht das Beste, nach Ägypten zurückzukehren?“ (4. Mose 14,2-4).

Freiwillig in die Gefangenschaft

Ja, richtig. Das Volk, das eben noch auf spektakuläre Weise von Gott aus der Gefangenschaft gerettet wurde, wünscht sich genau diesen Zustand wieder zurück! Weil es die ungewisse Zukunft nicht erträgt, sehnt es sich nach der vermeintlichen Sicherheit des Altbekannten. Gefangenschaft wirkt angesichts der bevorstehenden Probleme viel verlockender als Freiheit. Die Freiheit zu zweifeln bringt die Israeliten dazu, sich freiwillig wieder versklaven zu wollen. Das ist schon ein bisschen irrsinnig, aber so sind Menschen nun mal.  

Die Meuterei bleibt nicht ohne Folgen. Gott hat die Faxen gründlich dicke von seinem ewig unzufriedenen, ewig nölenden Volk. „Wie lange wird mich dieses Volk noch verachten?“, sagt er zu Mose. „Wie lange wollen sie mir nicht vertrauen trotz all der Wunder, die ich unter ihnen getan habe? Ich will sie verstoßen und durch eine Seuche umkommen lassen!“ (4. Mose 14,11-12).
 

Mose ist zwar gleichermaßen genervt, aber er bittet Gott dennoch um Vergebung für sein Volk. Gott lenkt ein und senkt sein drastisches Strafmaß: „Ich werde ihnen vergeben, wie du gebeten hast. Aber so wahr ich lebe und so wahr die Erde erfüllt wird von meiner Herrlichkeit, soll keiner dieser Menschen das Land, das ich ihren Vorfahren mit einem Eid versprochen habe, jemals sehen.“ (4. Mose 14,20-23).

Nach dem Motto „Ihr habt es ja nicht anders gewollt!“ erfüllt Gott den Wunsch der Israeliten. Denn auf diese Weise müssen sie sich nicht mit den Problemen herumschlagen, die ihnen beim Einzug ins versprochene Land drohen. Nur haben sie letztlich nichts davon, außer ein Leben voll mühseligem Umherirren, ohne Sinn und Ziel. Zudem haben sie sich damit der Möglichkeit beraubt, Gottes Eingreifen in der Auseinandersetzung mit den feindlichen Völkern zu erleben. Statt Befreiung erwartet sie lebenslange Einschränkung. Aber all das nur, weil sie gezweifelt haben?

Zweifel sind nicht das Problem

Nein. Nicht, weil sie gezweifelt haben. Wir Menschen sind frei zu zweifeln. Wir dürfen das und in vielen Situationen sollten wir es sogar. Zweifel an sich dienen schließlich nicht dazu, Vertrauen zu zerstören und Misstrauen zu säen. Im Gegenteil, sie können Vertrauen sogar untermauern. Zweifel sind ja zunächst nur die Frage: „Sind die Informationen, die ich habe, vertrauenswürdig?“

Natürlich darf ich die Frage stellen: „Kann ich diesem Gott, der mir die Richtung weist, wirklich vertrauen?“ „Ist diese Beziehung hilfreich für mein Leben?“ Es ist nicht die Frage nach dem Vertrauen, die Gott verurteilt. Er antwortet darauf. Es ist die Entscheidung, die das Volk Israel auf Gottes Antwort darauf trifft.

Die Israeliten stellen die Vertrauensfrage. Gott weist auf die vielen Wunder hin, die er beim Auszug aus Ägypten getan hat, um den Israeliten das Überleben zu sichern. Er hat konkrete Tatsachen vorzuweisen, die seine Glaubwürdigkeit auszeichnen.

Die Israeliten aber entscheiden sich wider besseren Wissens dagegen. Sie wenden sich von Gott ab. Genau genommen ist es also nicht der Zweifel, der sie auf die lebenslange Durststrecke treibt. Es ist die Freiheit, sich für oder gegen Gott zu entscheiden. Diese Freiheit habe ich. Mit allen Konsequenzen.
 

 Katrin Faludi

Katrin Faludi

  |  Redakteurin

In Offenbach geboren, mit Berliner Schnauze aufgewachsen. Hat Medienwissenschaft und Amerikanistik studiert, ist danach beim Radio hängengeblieben. Außerdem schreibt sie Bücher, liebt alles, was mit Sprache(n) und dem Norden zu tun hat und entspannt gerne beim Landkartengucken. Mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern wohnt sie in Bad Vilbel.

Ihr Kommentar

Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Alle Kommentare werden redaktionell geprüft. Wir behalten uns das Kürzen von Kommentaren vor. Ein Recht auf Veröffentlichung besteht nicht.

Kommentare (2)

Dani /

Vielen Dank für die guten Worte! Ja, das ist ein Unterschied, das Zweifeln oder Entscheidung gegen Gott. Das hat meinen Blick auf die Geschichte geändert.

Peter /

Danke für die Andacht, sie hat mir sehr geholfen zu verstehen um was es Gott geht.

Das könnte Sie auch interessieren