
31.07.2023 / Andacht / Lesezeit: ~ 6 min
Autor/-in: Theresa FolgerAbsorbiert vom Alltag
Wo ist das Leben im Überfluss, das Jesus versprochen hat? Eine Andacht.
Absorbieren heißt aufsaugen, verschlingen, oder auch „jemanden intensiv beanspruchen“. Und vielleicht geht es dir auch manchmal so wie mir: Dass du dich absorbiert vom Alltag fühlst. Nicht mehr agierst, sondern nur noch reagierst. Und oft im Klein-Klein der vielen Aufgaben den Überblick verlierst.
Meine To-Do-Liste für heute beinhaltet zum Beispiel, diese Andacht fertigzuschreiben, mich um die Zucchinis im Garten zu kümmern und mit Tapezieren anzufangen, damit wir den ausgeliehenen Tapeziertisch endlich zurückbringen können. Alles zusätzlich zu den ohnehin anfallenden Aufgaben.
Vielleicht bist du auch so ein Listenschreiber wie ich – oder hast diese zumindest gedanklich angelegt. Auf manchen Listen stehen vielleicht die 137 To-Dos für diese Woche, auf anderen steht „Was ich gerne ändern möchte“. Leider ist aber der Alltag so anstrengend, dass die Kraft zum Ändern fehlt.
War Jesus tiefenentspannt?
In letzter Zeit frage mich immer öfter: Hat Gott sich unser Leben so vorgestellt? Ist es die Folge des Sündenfalls, dass unser Leben „nichts als Müh‘ und Arbeit“ ist, wie es Mose beschreibt (Psalm 90,10)? Oder dass wir „im Schweiße unseres Angesichts“ unser Brot verdienen müssen (1. Mose 3,19)?
Warum sagte dann aber Jesus in Johannes 10,10: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Überfluss haben“? Übrigens verstehe ich unter diesem Überfluss keine Villa mit Pool und Bediensteten. Sondern einen Zustand der inneren Ausgeglichenheit, ein In-Sich-Ruhen und eine innere Energiequelle, die nie versiegt.
Und wenn Jesus uns dieses Leben im Überfluss geben kann, muss er es selbst bereits haben. Aber war er während seines Lebens hier auf der Erde tatsächlich immer tiefenentspannt?
Wenn Jesus uns dieses Leben im Überfluss geben kann, muss er es selbst bereits haben. Aber war er während seines Lebens hier auf der Erde tatsächlich immer tiefenentspannt?
Jesus kannte Stress und Sorgen
Klar für mich ist: Jesus lebte minimalistisch – ohne Zucchinis oder Tapeziertisch. Trotzdem erlebte auch Jesus Momente voll Stress, Sorgen und Belastungen.
Zum Beispiel machte der Tod seines Freundes Lazarus Jesus so traurig, dass er weinte (Johannes 11,33-35) – obwohl er ihn später wiederauferweckte. Und bei einem Heimatbesuch war Jesus von der großen Menschenmenge und den Anforderungen, die an ihn gestellt wurden, so überwältigt, dass er nicht einmal Zeit zum Essen fand (Markus 3,20-21).
Jesus erlebte als Mensch also die volle Bandbreite menschlicher Emotionen, einschließlich Stress und Sorgen. Trotzdem wusste Jesus, wie er seinen inneren Frieden wiederfinden konnte – das „Leben im Überfluss“.
Jesus erlebte als Mensch die volle Bandbreite menschlicher Emotionen, einschließlich Stress und Sorgen. Trotzdem wusste er, wie er seinen inneren Frieden wiederfinden konnte.
Von Jesus lernen
Welche Ansätze können uns helfen, diesem Überfluss auf die Spur zu kommen? Ich sehe in der Lebensführung Jesu unter anderem fünf Punkte, die meinen – und hoffentlich deinen – Alltag positiv verändern können:
1. Beziehung zu Gott: Jesus legte großen Wert auf seine Beziehung zu Gott. Er suchte regelmäßig die Gemeinschaft mit ihm im Gebet und zog sich an abgeschiedene Orte zurück, um innerlich aufzutanken.
Ich gebe ehrlich zu: Ich schaffe es nicht, um 5 Uhr aufzustehen, um vor dem alltäglichen Trubel meine Zeit mit Gott zu haben. Und da spreche ich vermutlich vielen aus dem Herzen. Es geht also darum, eine Routine zu finden, die für mich machbar ist und nicht noch mehr Druck aufbaut. Gestern habe ich mich beispielsweise hingesetzt und ein Lied auf der Gitarre gespielt – das hat fünf Minuten gedauert. Und es tat so gut, dass ich dachte: „Das könnte ich öfter machen.“
2. Prioritäten: Jesus setzte klare Prioritäten und wusste, welche Aufgaben und Verantwortlichkeiten ihm am wichtigsten waren. Er richtete seinen Fokus auf den Dienst an Gott und den Menschen. Andere Aufgaben wie die Schlichtung eines Erbstreits ließ er sich nicht ans Bein binden (Lukas 12,13).
Für mich heißt das: Was sind meine wesentlichen Prioritäten? Was gehört durch meine Rolle (zum Beispiel als Mutter) zu meinen Aufgaben? Was entspricht darüber hinaus meinen Begabungen, Fähigkeiten und Interessen? Und was nicht? Theoretisch kann ich meine To-Do-Liste ins Unendliche ausweiten und mich auch ehrenamtlich zum Wohle anderer bis zur Erschöpfung verausgaben. Doch das erwartet Gott gar nicht von mir. Warum sollte ich es von mir selbst erwarten?
Ich kann meine To-Do-Liste ins Unendliche ausweiten und mich auch ehrenamtlich bis zur Erschöpfung verausgaben. Doch das erwartet Gott nicht von mir. Warum sollte ich es von mir erwarten?
3. Gnade: Jesus war voller Gnade und Mitgefühl, und das spiegelte sich in vielen Situationen seines Lebens wider. Er fand zum Beispiel einen Ausweg für die Frau, die die Pharisäer steinigen wollten (Johannes 8,1-11).
Für mich könnte das bedeuten, sowohl mir selbst als auch anderen gegenüber nachsichtiger zu sein: Mich nicht über eigene kleine Fehler schwarz zu ärgern, nicht jede Provokation der Kinder als Steilvorlage zu nehmen und nicht darauf zu beharren, Recht zu haben, wenn es eigentlich unwichtig ist. Ich sehe darin einiges Potenzial, den Alltagsstress zu reduzieren.
4. Gelassenheit im Vertrauen: Jesus lehrte die Bedeutung des Vertrauens auf Gott und der Gelassenheit in schwierigen Situationen. Er ermutigte seine Jünger, sich nicht zu sorgen und auf Gottes Fürsorge zu vertrauen (z.B. Matthäus 6,25-34).
Für mich ein großes Lernfeld. Denn wie oft sorge ich mich um das, was passieren könnte, male mir Worst-Case-Szenarien aus und stehe gedanklich schon mit einem Bein über dem Abgrund? Wenn ich morgens nicht mit dem Kopf voller Sorgen und To-Dos, sondern voller Gelassenheit auf Gottes Führung aufstehen würde, wie viel entspannter könnten meine Tage dann sein?
5. Selbstfürsorge: Jesus zeigte auch, dass es wichtig ist, sich um sich selbst zu kümmern. Er zog sich zurück, um auszuruhen, zu beten und Zeit mit seinen engsten Jüngern zu verbringen (z.B. Markus 6,30-32). Wenn schon Jesus diese Zeiten der Ruhe brauchte, wie viel mehr brauche ich sie? In meinem vollen Alltag räume ich mir aber diese Zeiten zu selten ein.
Dabei hilft mir die Frage: Was gibt mir Energie? Vielleicht sind das sogar einige der Aufgaben von meiner Liste, die keine Priorität haben, die ich aber gern mache. Ich liebe gärtnern? Ran an die Zucchinis. Ich liebe Päckchenpacken? Jeder in der Verwandtschaft freut sich auf seinen Geburtstag. Wenn ich aber lieber einen kleinen Spaziergang im Wald mache, dann werden diese Aufgaben zugunsten dieser Auszeit gestrichen.
Heute entscheide ich …
Um zur Anfangsfrage zurückzukommen: Ich glaube nicht, dass Gott sich unser Leben als ein Hamsterrad der Überforderung vorgestellt hat. Übrigens kann ich auch die fünf Prinzipien aus Jesu Leben nicht alle gleichzeitig umsetzen, ohne dass neuer Stress entsteht.
Aber vielleicht schaffe ich es, mir morgens eins dieser fünf Prinzipien auszusuchen, von dem ich mich an diesem Tag leiten lasse. Zum Beispiel, indem ich mir sage: „Das mache ich (heute) nicht.“ Oder: „Heute will ich mir und anderen gegenüber großzügiger sein.“ Oder: „Heute plane ich eine kurze Auszeit für mich persönlich ein.“
Vorhin kam mir dazu passend das Lied in den Sinn: „Today, I choose to follow you“ – „Heute entscheide ich mich, dir (Gott) zu folgen“. Gott zu folgen, das kann auch bedeuten: Heute entscheide ich, mich nicht dauerhaft vom Alltag absorbieren zu lassen. Sondern mich stattdessen nach dem Überfluss auszustrecken, den Jesus mir anbietet.
Gott zu folgen, das kann auch bedeuten: Heute entscheide ich, mich nicht dauerhaft vom Alltag absorbieren zu lassen.
Ihr Kommentar
Kommentare (2)
Hilfreiche Impulse, geistlich praktisch! Gelassenheit bedeutet auch: "Was du heut' nicht kannst besorgen, das verschiebe doch auf morgen." Wichtig aber, dass ich mich heute nicht vom Eiligen … mehrabsorbieren lasse und das Wichtige hintanstelle. Gute Regel: Das Schwerste zuerst! - Wenn wir nicht auf jede Provokation anspringen (wovon es auch außerhalb der Familie genügend gibt), sparen wir jede Menge Zeit und Nerven. Ich muss nicht überall meinen Senf dazugeben, nicht alles "richtigstellen", sonst lebe ich nur reaktiv. Ich brauche aber Zeit und Kraft, um aktiv das zu tun, was Gott mir heute aufs Herz legt.
Ein sehr guter und hilfreicher Artikel. Den sollte man eine Woche lang jeden Morgen lesen, um ihn zu verinnerlichen!! Zum Punkt Prioritäten: Man sollte sich nicht jeden Schuh anziehen - Hilfe wird an … mehrallen Enden gebraucht, aber man kann nicht überall helfen und dabei ausbrennen. Das ist in der Tat nicht im Sinne Jesu, deshalb ist Selbstfürsorge so wichtig. Ich kann nur etwas weitergeben, wenn ich selbst gesättigt bin und in einem inneren Gleichgewicht bin.