Navigation überspringen
© Tibor Gyimesi / unsplash.com

29.08.2022 / Andacht / Lesezeit: ~ 5 min

Autor/-in: Annegret Schneider

Ein Babysitting der besonderen Art

Wie der Pharao „ausgetrickst“ wurde.

Mutig, hellwach und pfiffig

Was fällt Ihnen spontan ein, wenn Sie die Begriffe „mutig“, „hellwach“ und „pfiffig“ hören? Wem oder was würden Sie diese Attribute zuschreiben?

Einem Menschen, der mit wenigen Mitteln, dafür aber kreativen Ideen ein Startup-Unternehmen gründet, über das man nur noch staunen kann? Einer Person, die im richtigen Augenblick erkennt, was zu tun ist und beherzt handelt – wie die Rettungsschwimmer, die zum Beispiel an Badeseen, in Schwimmbädern und an Flüssen wachsame Augen und Ohren und zupackende Hände haben müssen?

Dem Personal in Krankenhäusern und Pflegeheimen, das Notfälle rasch erkennen und besonnen handeln muss, um Katastrophen zu verhindern?

Es gibt zahlreiche Beispiele für Menschen, die mutig, hellwach und pfiffig sein müssen, wenn sie ihren Alltag oder ihr Berufsleben meistern müssen. Das ist heute noch so und das war auch in längst vergangenen Zeiten nicht anders.

Eine alltägliche Aufgabe wird zur Herausforderung

Im 2. Buch Mose zum Beispiel steht eine Begebenheit, die zunächst recht unspektakulär daherkommt. In zehn Versen wird eine geradezu ungeheuerliche Begegnung, wie ich finde, sehr sachlich geschildert. Obwohl sich das, was die Protagonisten hier sagen und tun, auf die Geschicke eines ganzen Volkes auswirkt.

Beim Lesen der weiteren Geschichte kann man unschwer erkennen, dass Gott selbst seine Hand im Spiel hat. Anders ist nicht zu erklären, was hier vor sich geht, denn die Personen, die in dieser Szene auftreten, handeln wider jegliche Erwartung. Das alles kommt aber nicht von ungefähr, sondern bahnt sich schon im vorhergehenden Kapitel an.

Der Kontext der Handlung

Aber nun die Begebenheit der Reihe nach. Versetzen wir uns in die damalige Situation: Wir befinden uns mit dem Volk Israel in Ägypten unter der Herrschaft eines Pharaos, der nicht mehr weiß, dass einst Josef das ägyptische Volk vor Hunger und Elend bewahrt hat. Josefs segensreiches Wirken in Ägypten ist bereits eine ganze Zeit lang her.

Der ägyptische Herrscher, der zu der Zeit an der Macht ist, in der die oben genannte Geschichte spielt, sieht die Israeliten nicht mehr als Hilfe, sondern als Bedrohung. Um seine eigene Machtposition zu erhalten oder zu festigen, erteilt er hebräischen Hebammen, deren Amt es ja ist, neuem Leben ans Licht der Welt zu helfen, einen grausamen Befehl. Sie sollen, wenn hebräische Frauen einen Sohn gebären, diesen töten.

Schon in dieser Vorgeschichte aber beweisen die Hebammen, denen der Pharao mit dieser Zumutung kommt, Zivilcourage. Diese ist in ihrem Glauben an Gott begründet. Sie ignorieren nämlich den abwegigen Befehl und lassen die Kinder am Leben – auch wenn es Söhne sind, die die hebräischen Frauen zur Welt bringen. 

Als der Pharao sieht, dass er mit den Hebammen seine menschenverachtenden Pläne nicht durchführen kann, wendet er sich an sein ganzes Volk und verlangt: „Alle Söhne, die geboren werden, werft in den Nil […]“. Das kann man im 2. Buch Mose, im ersten Kapitel nachlesen.

Der kleine Junge im Schilf

Das daran anschließende Kapitel schildert nun in den ersten zehn Versen eine Situation, die viele aus eigener Erfahrung kennen: Die Tochter einer Familie passt auf ihren kleinen Bruder auf. So weit, so gut – Babysitting, sozusagen. Aber unter erschwerten Bedingungen. Denn der kleine Bruder ist einer der hebräischen Söhne, die nach dem Befehl des Königs hätten ermordet werden sollen. Doch er wurde dank der mutigen und gottesfürchtigen Hebammen verschont und wird nun im Haus seiner Eltern verborgen, bis das nicht mehr möglich ist.

Also bringt ihn seine Mutter in einem eigens dafür präparierten Korb ans Nilufer und versteckt ihn dort im Schilf – und seine große Schwester schaut nach, ob es dem Säugling auch gut geht. Sie beobachtet ihren Bruder beziehungsweise das, was sich an der Stelle abspielt, wo ihre Mutter das Körbchen mit ihrem Kind versteckt hat.

Und dann passiert es: Leute tauchen am Nil und in der Nähe des Babys auf – und dann auch noch ausgerechnet die Königstochter und ihre Freundinnen! Zu allem Überfluss entdecken sie etwas Ungewöhnliches am Ufer: ein Körbchen, das ihre Neugier weckt. Und prompt lässt die Tochter des Pharaos sich das Körbchen bringen und findet ein weinendes Baby darin.

In diesem Moment tritt die große Schwester des Säuglings auf den Plan. Ich weiß nicht, wie ich an ihrer Stelle reagiert hätte, ob ich flugs nach Hause gerannt wäre, um dort voll Panik zu berichten, dass mein Bruder von den Feinden entdeckt wurde oder ob ich mich vor Schock schlotternd irgendwo im Schilf versteckt hätte. Ich selbst bin nämlich auch große Schwester und mich hätte eine solche bedrohliche Situation für meine Schutzbefohlene garantiert in Angst und Schrecken versetzt.

Die Schwester dieses Babys aber, das sich in höchster Gefahr befindet, reagiert mutig, hellwach und pfiffig. Beherzt geht sie zu der Königstochter, die sofort weiß, dass es sich um ein hebräisches Kind handelt und unterbreitet ihr einen Vorschlag, auf den man erst mal kommen muss: „Soll ich hingehen und eine der hebräischen Frauen rufen, die da stillt, dass sie dir das Kindlein stille?“ (2. Mose 2,7).

Im Sinne hat sie dabei ihre eigene Mutter, der sie mit diesem „Kunstgriff“ den Sohn und ihren Bruder wieder ins Haus bringt – und das mit dem offiziellen Einverständnis aus höchsten Kreisen, auch wenn wir nicht erfahren, was der Pharao zu diesem eigenmächtigen Handeln seiner Tochter zu sagen hatte. Denn diese geht – offenbar erfreut – auf den Vorschlag des Mädchens ein und sagt zur Mutter des Kindes, die inzwischen herbeigeholt wurde: „Nimm das Kindlein mit und stille es mir; ich will es dir lohnen.“ (2. Mose 2,9b).

Dass sie damit den kleinen Jungen seiner eigenen Mutter – zumindest auf Zeit – wieder zurückgibt, ahnt sie nicht, es scheint sie auch nicht zu interessieren. Sie hat Gefallen an dem kleinen Jungen gefunden und will ihn, sobald er entwöhnt ist, als ihren eigenen Sohn annehmen.

Auf diese Weise wird ein Kind, das laut Befehl des Königs gar nicht hätte überleben sollen, in dessen eigener Familie aufgenommen und erzogen. Das Kind, das später das Volk Israel aus der ägyptischen Gefangenschaft führen sollte: Mose.

Was aus ihm geworden wäre, wenn seine große Schwester nicht so mutig, hellwach und pfiffig gewesen wäre, bleibt Spekulation. Wie die Mutter sich gefühlt hat, als die Königstochter ihr das eigene Kind wieder anbefiehlt und sie sogar noch Lohn dafür empfängt, dass sie es noch eine ganze Zeit lang bei sich behalten darf – auch davon wird nichts berichtet. Es werden einfach nüchtern die Fakten genannt.

Aber im Kapitel vorher steht über die Hebammen, denen der Wille Gottes wichtiger war als der des Pharaos: „Und weil die Hebammen Gott fürchteten, segnete er ihre Häuser.“ (2. Mose 1,21).

So schreibt Gott seine Geschichte – mit Menschen, die seinen Willen tun und denen er Kraft gibt, mutig, hellwach und pfiffig zu handeln.
 

Ihr Kommentar

Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Alle Kommentare werden redaktionell geprüft. Wir behalten uns das Kürzen von Kommentaren vor. Ein Recht auf Veröffentlichung besteht nicht.

Das könnte Sie auch interessieren