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18.12.2007 / / Lesezeit: ~ 5 min

Autor/-in: Hartmut Steeb

„Die Zehn Gebote gehören aufs Rathaus“

… oder in den Bundestag! Jedenfalls in die Politik und in die Gesetzgebung. Nein, das ist keine neue Idee, sondern stammt aus dem 16. Jahrhundert – von Dr. Martin Luther. Wer einwendet, man könne mit den Zehn Geboten aber keinen Staat regieren, dem sei gesagt, dass man ohne sie, den Staat auch nicht regieren kann.

Dass die Zehn Gebote aufs Rathaus gehören ist keine neue Aussage. Sie stammt vielmehr aus dem 16. Jahrhundert und von keinem geringeren als dem Reformator Dr. Martin Luther. Er, dessen Hauptwerk darauf ausgerichtet war, Gottes Wort in seiner ganzen Klarheit zu den Menschen zu bringen und ihm gegebenenfalls auch gegen Traditionen und Gewohnheiten zum Durchbruch zu verhelfen, ging es nicht nur um die Reformation der Kirche.

Er hatte auch klar erkannt, dass Gottes Wort eine gesellschaftsprägende Kraft hat. Er hatte nicht nur, wie wohl kein anderer nach ihm, auch durch seine Bibelübersetzung die deutsche Sprache geprägt. Er wollte „dem Volk aufs Maul schauen“ und wusste, dass die biblischen Grundordnungen unübertreffliche Leitlinien für ein gelingendes menschliches Zusammenleben beinhalten. Darum seine Forderung, dass die Zehn Gebote nicht nur in die Kirche gehören, nicht nur die Herzen der Frommen bestimmen und eine gute Gewissensbildung hervorbringen sollen, sondern auch der sehnliche Wunsch, dass sich das öffentliche Recht und die öffentliche Ordnung daran ausrichten.

Demokratie ist ideologiegefährdet

Wenn der Verfassungsrechtler Böckenförde gesagt hat, dass der Staat von Grundlagen lebt, die er selbst nicht schaffen kann, dann ist das im Grundsatz genau diese Haltung. Das muss man wissen und beachten, damit der Staat nicht irgendeiner Ideologie aufsitzt und sei es der Ideologie der Demokratie. Ideologie der Demokratie? Ist nicht die Demokratie der Schutz vor Staatsideologie?

Viele Menschen sprechen heute von den Errungenschaften der Demokratie. Und das ist gut so. Winston Churchill hat aber auch Recht gehabt, wenn er die Demokratiefestung als sehr relativ bezeichnete mit der Aussage, dass sie eine schlechte Staatsform wäre, er wisse nur keine Bessere. Und das ist richtig so. Denn Demokratie alleine garantiert ja nur eines, dass nicht einer oder eine kleine Gruppe alleine das sagen hat, sondern vom Volk die Staatsgewalt ausgeht, das Volk also der Souverän ist, das Volk bestimmt.

Aber das heißt nicht mehr und nicht weniger, als dass die Mehrheit das Sagen hat. Aber kann sich nicht die Mehrheit auch irren? Haben große Reformer, bedeutende Wissenschaftler, Erfinder und Entdecker, Streiter für die Menschenrechte, die wir heute achten und ehren, mitunter sogar verehren, zu ihrer Zeit die Mehrheit hinter sich? Hatte Jesus Christus die Mehrheit auf seiner Seite? Wurde er nicht von der Mehrheit zu Tode gebracht? Hatte Martin Luther die Mehrheit, Johannes Kepler, Mahatma Gandhi, Dietrich Bonhoeffer, Martin Luther King?

Ohne Rechtsstaat ist die Demokratie nichts wert

Wenn das einzig verbindliche in unserer Gesellschaft die Einigung darauf wäre, dass die Mehrheit bestimmt, dann sähe es schlecht um die Zukunft unserer Gesellschaft aus. Demokratie ist gut, aber nur in Verbindung mit Grundsätzen, die von der Mehrheit nicht in Frage gestellt werden können. Deshalb reden wir von einem demokratischen Rechtsstaat.

Und aufgrund dieses Rechtsstaatsprinzips hat jedermann das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, jeder und jede Menschenwürde, Glaubens- und Gewissensfreiheit u.v.a.m. Und dazu gehört dann unbedingt die Rechtsweggarantie, nämlich dass man sich gegen vermeintliches Unrecht zu Wehr setzen kann, dass es unabhängige Richter gibt, die nicht nach Mehrheit sondern nach Recht richten. Denn sonst könnte die Mehrheit jederzeit die Minderheit an die Wand fahren, die Masse den Einzelnen, die Demokratie das Recht.

Gottes Zehn Gebote sind der Nährboden für die Menschenrechte

Solche rechtsstaatlichen Grundprinzipien finden sich in der Allgemeinen Deklaration der Menschenrechte, aber auch und gerade vorbildlich in unserem Grundgesetz und in vielen Länderverfassungen der Bundesländer. Darauf ruhen unsere Freiheit und ein gutes Miteinander in einer friedevollen Gesellschaft.

Aber wer diese Grunddokumente des Rechts liest, der wird unzweifelhaft feststellen, dass die Wurzel dieser guten Vorschriften in den Zehn Geboten liegen. Die gab Gott, der Schöpfer des ganzen Universums, seinem Volk Israel, dort als sie am Berg Sinai nach ihrem Auszug aus Ägypten, ihrer Befreiung aus der Sklaverei, angekommen waren. Mit ihnen hat Gott menschliche Rechtsgeschichte geschrieben.

Und gegen manche oft oberflächliche Auslegung dieser Zehn Gebote hat Jesus in seiner berühmtesten Predigt, der Bergpredigt, diese Zehn Gebote radikal – also von der Wurzel her – ausgelegt. Da geht es dann nicht mehr nur um den physisch nachweisbaren Totschlag, der natürlich verboten sein muss, sondern auch um den psychischen, seelischen Mord, die fürchterlichen verbalen Menschenrechtsverletzungen.

Da geht es nicht mehr nur um das Verbot des Diebstahls, ohne den keine gute Rechtsordnung auskommen wird, sondern darum, Bedürftigen zu geben und nicht seine eigene Vormachtstellung auszunutzen.
Und da geht es nicht mehr nur um das Verbot der Ehescheidung sondern schon darum, dass Ehebruch beim „Zweiten Blick“ beginnt, beim Begehren.
Die Radikalität von Jesus Christus, dem Sohn Gottes, erschrickt. Und darum kann man viele Gelehrte mit dem Satz zitieren, dass man mit der Bergpredigt und den ihr zugrunde liegenden Aussagen keinen Staat regieren könne.
Das mag wohl sein. Aber ich bin mir je länger desto mehr sicher, dass wir ohne die Zehn Gebote und ohne die Bergpredigt erst recht keinen Staat und keine Gesellschaft regieren können.

Zehn Gebote, Bergpredigt und das Grundgesetz im Vergleich

Ganz zu Recht haben die Verfassungsväter und Verfassungsmütter nach der Katastrophe des Dritten Reiches in der Präambel unseres Grundgesetzes festgehalten, dass diese neue Verfassung „in der Verantwortung vor Gott und den Menschen“ gegeben worden sei. So beginnen auch die Zehn Gebote Gottes damit, dass Gott klar macht „Ich bin der Herr dein Gott“. Wer die Verantwortung vor dem ewigen Gott nicht wahrhaben will, wird letztlich auch die Verantwortung vor den nur vorübergehend lebenden Menschen nicht hoch genug schätzen.

Ganz zu Recht beginnt das Grundgesetz mit dem Artikel 1 „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Und woher hat der Mensch seine Würde? Sie entstammt der in der Bibel bezeugten Grundlinie, dass der Mensch immer Gottes Mensch ist, von ihm geschaffen, gewollt, bejaht und geliebt.

Die Würde empfängt er nicht durch Leistung oder Wohlverhalten, nicht aus seinen Gaben und Fähigkeiten, nicht aus dem Denkvermögen und einer eventuell späteren Karriere. Er hat Würde, weil er Mensch ist. Und darum muss diese Würde, aus Achtung gegenüber dem Gott, der diesem Menschen das Leben gegeben hat, von allen als unantastbares Gut, geachtet werden.

Und deshalb ist es die Menschenrechtskatastrophe schlechthin, dass diese Würde ganz willkürlicher Weise heute dem ungeborenen Menschen nicht gilt bzw. niemand da ist, der dafür wirksam eintritt: Weder die staatliche Gewalten Gesetzgebung, Regierung und Rechtssprechung, noch die Kirchen, die viel unruhiger darauf hinweisen müssten.

Und so könnte und müsste man fortfahren, die Zehn Gebote, die Bergpredigt und das Grundgesetz parallel zu lesen. Hoch interessante Entdeckungen sind dabei gesichert, zur Frage der körperlichen Unversehrtheit, der Gleichberechtigung, der Glaubens- und Gewissensfreiheit, des Sonn- und Feiertagsschutzes, der hilfreichen Ordnungen für Ehe und Familie, der Erstrangigkeit (Priorität) elterlicher Erziehung, des Generationendiebstahls (anders kann man ja die Staatsverschuldung zu Lasten künftiger Generationen kaum beschreiben) usw.

Ich freue mich, wenn wir darüber in ein fröhliches Diskutieren kommen.

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Kommentare (2)

Ullrich P. /

Die Idee Luthers, daß die ZEHN Gebote aufs Rathaus gehören um die älteste Gerechtigkeit der Welt zu markieren finde ich super gut. Von der Idee sind wir beim Gerichtsgebäude in Trier gar nicht so mehr

Rebner /

der Artikel stellt neue Fragen. Dies führt zu weitern Fragen: Was ist "gut", wie gehe ich mit Begriffsinhalten um, wie argumentier ich geistlich?
Erstere Frage führt zur Kommunikation zwischen mehr

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