Ach du Schreck. Bin ich das? Wenn Gott mir durch die Bibel seinen Spiegel vor die Nase hält, ist das manchmal alles andere als angenehm. Meine Liebe zum Nächsten z. B. ließ doch wieder sehr zu wünschen übrig: Während meine ältere Nachbarin mir von ihren Schmerzen im Handgelenk erzählte, war ich in Gedanken schon auf meiner Joggingstrecke. Schnell nutzte ich die Gunst der Redepause, mich mit einem kurzen Gruß von ihr zu verabschieden.
War sie mir denn keine fünf Minuten Zeit wert? Warum ließ ich mich nicht auf ihre Situation ein, damit sie ihren Frust über die Schmerzen loswerden konnte? So oft habe ich es mir doch schon vorgenommen und fast genauso oft genau an diesem Punkt versagt.
Nicht pausenlos auf den Spiegel starren - sondern auf Gott
Auch das Volk Israel lässt sich den Spiegel Gottes durch sein Gesetz vor die Nase halten. Während Esra aus dem Gesetz liest, hören 30 000 bis 50 000 Menschen aufmerksam zu. Durch Amen-Rufe zwischendurch signalisieren sie ihre Zustimmung. Und dann geschieht es: Das Volk erkennt die Heiligkeit Gottes und nur einen kurzen Moment später ihre Sündhaftigkeit. Dazwischen liegen Welten.
Der Schmerz über die brutale Realität bricht ihnen das Herz und sie fangen an zu weinen. Doch anstatt die Israeliten in ihrer depressiven Stimmung alleine zu lassen, fordert Esra sie enthusiastisch zur Freude auf: „Seid nicht bekümmert; denn die Freude am HERRN ist eure Stärke.“ (Neh 8,10) Sie sollen deftig essen gehen und ordentlich feiern.
Es ist heilsam, dass das Gesetz die Herzen der Israeliten erreicht und dass sie ihre Fehler erkennen. Doch an diesem Punkt sollen sie nicht stehen bleiben. Gott reicht ihnen seine Hand und will sie von ihrem Schmerz befreien. Er tauscht Schmerz gegen Freude ein.
Freude braucht Platz
Wenn ich intensiv in der Bibel lese, tun sich auch bei mir persönlich Abgründe auf. Meine Fehler lassen sich nicht abdecken oder kaschieren. Sie sind nun einmal da. Ich muss diesen Schmerz über meine eigene Unzulänglichkeit aushalten - und auch meine Scham Gott gegenüber. Es ist gut, dass ich mir Zeit nehme, mich im Spiegel Gottes zu betrachten. Doch ich muss bei meinem Anblick nicht verschreckt erstarren. Gott wendet nämlich meinen Blick vom Spiegel auf ihn und will mir in meinem Versagen nahe sein. Meine Trauer über mich selbst will er in Freude verwandeln.
Freude – weil er bedingungslos zu mir steht.
Ihr Kommentar
Kommentare (5)
Fruchtet denn diese Begegnung mit mir selbst? Oder lasse ich die ältere Nachbarin beim Wiedersehen links liegen?
Danke für den wunderbaren Beitrag,es berührt mich immer wieder wie lieb Gott ist,was für ein großes Herz er hat.Er lässt mich meine Fehler erkennen und bleibt da nicht stehen,sondern er reicht mir die Hand,hilft mir,mich zu verändern. Liebe pur
Jesus sagt: Man soll zu erst nach sich schauen, ob bei mir alles in Ortnung ist und dann bei dem anderen. Das ist der Spiegel der mir zeigt ob ich erhlich bin oder nicht. Und ob ich auch das Unangenehme was in der Bibel steht zu Herzen nehme, dann bin ich auf dem richtigen Weg
Der Spiegel des Wortes Gottes hilft einem, sich so zu sehen, wie man in Wahrheit wirklich ist: Man steht als Mensch sündig, hilflos und arm vor Gott da. Durch Christus gerecht gemacht ist man gerecht … mehrund reich geworden. Aktuell sich als Sünder/Versager zu ertappen, tut zunächst nicht gut, ist aber Voraussetzung, aus dem Dunkel heraus zu kommen und siegreich zu sein und wieder zu werden.
Also ist der Spiegel ein gutes Instrument zur Wahrheitsfindung über sich selbst und das Mittel Gottes fürs eigene Wachstum in seiner Liebe zu seinem persönlichen Herrn.
Gerade darin besteht doch die Liebe meines Vaters zu mir, dass Er mich trotzdem liebt, obwohl ich (immer wieder) sündige. Dabei gilt seine unwiderrufliche Zusage: Sind wir untreu, so bleibt er doch treu, denn er kann sich selbst nicht verleugnen.
Tja, das ist nicht sofort, aber gleich danach, wohltuend wahr und deshalb hilfreich !