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© Bettina Schwehn

16.11.2012 / Erlebnisbericht einer Missionsreise / Lesezeit: ~ 9 min

Autor/-in: Bettina Schwehn

Hakuna Matata

Ist das Leben in Kenia wirklich so sorgenfrei, wie der Spruch vermuten lässt? Eine vierwöchige Missionsreise hilft, eine Antwort darauf zu finden.

„Hakuna Matata“ ist ein kisuahelischer Ausspruch, den man in Kenia des Öfteren hört. Frei übersetzt bedeutet er „Sorge dich nicht“ und ist durch den Film „König der Löwen“ auch in Deutschland bekannt. Aber ist das Leben in Kenia wirklich sorgenfrei? Ich reise im Rahmen eines vierwöchigen Missionseinsatzes in das Land. Dabei erhalte ich einen Einblick in die Kultur und der Arbeit des Missionswerkes Die gute Nachricht für Afrika (DIGUNA) vor Ort.

Zusammen mit meinem Mann und neun weiteren Christen aus ganz Deutschland machen wir uns Anfang September auf den Weg. In Kenia angekommen, stoßen wir am Flughafen in Nairobi auf den Rest unserer Reisegruppe, darunter vier Kenianer und eine Deutsche. Letztere arbeitet bereits seit viereinhalb Jahren in den dortigen Büros.

Auf dem Plan für die vor uns liegende Zeit stehen Besuche der verschiedenen Missionsstationen der DIGUNA. Außerdem unterstützen wir die dort ansässigen Mitarbeiter und Missionare durch praktische Arbeiten und der Durchführung von Schuleinsätzen. Gegen Ende unserer Reise sind auch ein Aufenthalt am Strand in Mombasa und der Besuch eines Nationalparks geplant, so dass die Erholung nicht zu kurz kommt.

Nächstenliebe durch Taten – die praktische Arbeit

Unsere erste Busfahrt bringt uns nach Tinderet, im kenianischen Hochland gelegen. Während eines Rundgangs durch das weitläufige Gebiet der dortigen Missionsstation erfahren wir mehr über die Arbeit der DIGUNA und deren Schwerpunkte. So gibt es dort unter anderem ein Waisenkinderheim mit angeschlossener Grundschule und eine Berufsschule mit Internatsbetrieb.

Eine der praktischen Arbeiten: Steine sammeln auf dem Fußballfeld (Bild: Bettina Schwehn

Auf dem Gelände der Berufsschule dürfen wir uns in der ersten Woche bereits kräftig austoben: Steine vom Fußballfeld aufsammeln, mit einem Buschmesser einen Bachlauf freilegen und Erde vor dem Speisesaal aufschütten gehörten u.a. zu unserer Arbeit.

Was für uns zunächst nach banalen Arbeiten klingt, ist für die Kenianer etwas Besonderes und stellt für sie eine große Hilfe dar. Ohne unsere Arbeit wäre alles so geblieben wie es war, einige Gebäude wären schneller baufällig geworden und die Schüler hätten nicht mehr in Ruhe essen können, weil die Moskitonetze am Speisesaal löchrig geblieben wären. So ermutigt uns abends unser Team-Leiter.

 

Mit einer Heckenschere anstatt einem Buschmesser wäre der am Weg verlaufende Bach sicher schneller freigelegt worden. (Bild: Bettina Schwehn)

Die Blasen an unseren Händen lohnen sich also wirklich und für die Berufsschüler sind wir ein Zeugnis von Jesu Liebe. Welcher Deutsche kommt sonst auf die Idee, die Reise nach Kenia auf sich zu nehmen, elf Stunden in einem alten Bus über Erdstraßen zu fahren, um sich dann die Hände schmutzig zu machen?

Wir wiederum lernen, unsere deutschen Werkzeuge und unsere Fortschrittlichkeit mehr zu schätzen. Wie schnell und leicht wäre uns doch die Arbeit von der Hand gegangen, wenn eine Heckenschere und ein Kipplader zur Verfügung gestanden hätten! Fehlende passende Werkzeuge werden in Kenia jedoch kreativ ersetzt und das beeindruckt uns. So wird unser liegengebliebener Bus kurzerhand mit Hilfe eines Kugelschreibers geflickt.

Jede Bohne wird einzeln auf eventuell schlechte Stellen überprüft. (Bild: Bettina Schwehn)

An einem Vormittag helfen wir in der Küche der Missionsstation aus. Das heißt vor allem eines: Gemüse schnippeln. Aber ich darf längst nicht so viel von dem Lauch abschneiden und aussortieren wie ich es zu Hause gemacht hätte. Und das Aussortieren einzelner Bohnen auf einem Frühstückstablett ist sehr mühselig und zeitaufreibend. Dadurch lerne ich aber, dankbarer für regelmäßige Mahlzeiten zu sein. Außerdem schätze ich für mich unbeliebtes Gemüse wie Bohnen wieder mehr wert.

Nächstenliebe durch Worte – die Schuleinsätze

Neben der praktischen Arbeit bereiten wir uns bereits auf die Schuleinsätze vor. Nachmittags öffnet der Himmel wie üblich in der Regenzeit seine Schleusen. Dann findet man uns im Speisesaal und wir üben dort kisuahelische und englische Lieder. Ein Schuleinsatz besteht nicht nur aus Musik, sondern aus einem Anspiel, einer Predigt, einem Glaubenszeugnis und natürlich der Moderation des Programms.

Während der Vorbereitungen wird unser Glaube jedoch auf eine harte Probe gestellt – es findet ein landesweiter Lehrerstreik statt und so ist unsicher, ob wir überhaupt Schulen besuchen können. Täglich verfolgen wir die Nachrichten, ob sich eine Veränderung der Lage abzeichnet. Ich bemerke, dass die Situation keinen kaltlässt – ob die anderen Mitarbeiter nun unmittelbar von dem Streik betroffen sind oder nicht. Mich beeindruckt, wie sehr den hier Lebenden das Wohl des Landes am Herzen liegt und sie bewusst für Gottes Segen beten. Ich frage mich: Wie sehr berührt mich die politische Lage in Deutschland? Bete ich gezielt für weise Entscheidungen und Gottes Segen für unsere Politiker?

Noch einen Tag vor unserer geplanten Abreise nach Nakuru, in dessen Umkreis wir die Schulen besuchen möchten, ist der Lehrerstreik in vollem Gange. Wir beschließen, in Tinderet zu bleiben und die hiesigen Privatschulen anzufragen. Tatsächlich ist es möglich, insgesamt acht Schulen zu besuchen.

Bei jeder Schule versammelt sich zunächst immer eine Traube von Schülern, wenn Besuch aus Deutschland ankommt. (Bild: Bettina Schwehn)

In jeder Schule werden wir freudig erwartet. Meistens bringen uns die Lehrer Coca Cola oder Fanta zum Trinken, was hier im Land als besondere Ehre gilt, oder laden uns später noch auf einen Plausch ins Direktorzimmer ein.

Für die Schüler ist es etwas ganz Besonderes, dass wir den ganzen Weg von Deutschland kommen, Zeit und Geld investiert haben und nun für sie da sind. Nach dem Programm haben wir oft noch die Möglichkeit, mit den Schülern einzeln zu sprechen oder deren Fragen zu beantworten. Meist genügt es schon, mit den Kindern zu lachen oder sich Zeit für sie zu nehmen. Einmal darf ich sogar mit einem Jugendlichen zusammen beten und ihm erklären, wie er ein Leben mit Jesus beginnen kann.

Ein Schuleinsatz unter freiem Himmel (Bild: Bettina Schwehn)

Mich begeistert generell, dass uns von Seiten unserer kenianischen Team-Mitglieder und auch der Schulen viel Vertrauen entgegengebracht wird, diesen oder jenen Programmpunkt zu übernehmen. Ganz gleich, wie alt wir sind, wie lange wir schon an Jesus glauben, ob wir eine Bibelschule besucht haben oder nicht. Hier dürfen wir ganz Neues ausprobieren und an den Herausforderungen wachsen. In den Schulen sprechen uns die Kinder sogar als Missionare oder „teacher“ an. Allein das zeigt mir, wie viel ich in ihrem Leben bewirken kann. Ich kann jederzeit von meinem Glauben sprechen, ohne zunächst noch mehr Bibelwissen angehäuft zu haben.

 

Nächstenliebe auch am entlegendsten Ort

Wenn der Bus aufgrund einer zu feuchten Stelle auf der Erdstraße steckenbleibt, müssen alle mit anpacken. (Bild: Bettina Schwehn)

Ein besonderer Einsatz ist unsere Reise in den Busch, wo wir im Garten eines Missionarsehepaares zelten und abends unter freiem Himmel einen Gottesdienst für die Gemeinde veranstalten. Der Weg dorthin ist recht beschwerlich. Zum Glück hat es am Vortag nicht stark geregnet und wir bleiben mit dem Bus nur einmal stecken. Dennoch benötigen wir für 18 Kilometer insgesamt zwei Stunden, obwohl die Gemeindemitglieder am selben Tag noch einige Kilometer weit den Weg für uns vorbereitet haben. Wir sind sehr bewegt davon, welche Arbeit die Menschen auf sich nehmen, um uns als Gäste zu willkommen zu heißen. Auch sonst ist es überwältigend, wie herzlich wir empfangen werden. Mehrere Hühner und ein Schaf werden für uns geschlachtet und zubereitet – ein Zeichen der besonderen Wertschätzung, denn Tiere sind eines der wertvollsten Besitztümer der Kenianer.

Mit dem Bus in den Busch - immer dem Motorrad nach. (Bild: Bettina Schwehn)

Während wir noch am Feuer sitzen und das Hühnchen genießen, versammelt sich hinter uns bereits die Gemeinde und weitere Bewohner des umliegenden Buschlandes, die den Besuch aus fernem Lande sehen möchten. Vereinzelte Spots von Taschenlampen können wir im Dunkeln sehen, die meisten scheinen ihren Weg aber ohne Licht gefunden zu haben. Um 9 Uhr abends beginnt unser Gottesdienst unter dem Sternenhimmel und ca. 100 Besucher haben sich zwischen Küchenhäuschen und Lagerfeuer eingefunden.

Es ist ein überwältigendes Gefühl, unter freiem Himmel mit Christen aus verschiedenen Nationen einen bewegenden Gottesdienst zu feiern. Ich spüre noch einmal neu: Gott und Glaubensgeschwister findet man überall auf der Welt. Ob in einem riesigen Kirchengebäude in Deutschland oder in einem entlegenen Garten irgendwo im Westen Kenias: Wir sind miteinander verbunden.

Alles Friede, Freude, Eierkuchen?

Nach dem Besuch des Tsavo East Nationalpark und einer Woche Urlaub in Mombasa reisen wir schließlich wieder zurück nach Deutschland. Es fällt uns schwer, unsere kenianischen Teammitglieder und das Land zurückzulassen, das uns nach diesen vier Wochen ans Herz gewachsen ist.

Die "Mission Active 2012"-Gruppe in Mombasa (Bild: Bettina Schwehn)

Könnte man nach dieser guten Zeit also schlussfolgern, dass in Kenia tatsächlich alles sorgenfrei ist? Ja, wir als Gruppe haben tatsächlich ein Stück Sorgenfreiheit erlebt. Unsere einzige Sorge und Angst bestand darin, an Malaria oder Durchfall zu erkranken oder in der Ungewissheit, ob die nächste Erleichterungsmöglichkeit in Form einer westlichen Toilette oder afrikanischen Latrine daher kommt. Wir hatten einen strukturierten Alltag, mussten uns um nichts sorgen und konnten uns allein auf unsere Arbeit konzentrieren.

Und dennoch ist es nicht leicht, in diesem von Korruption und Armut zerrüttetem Land zu leben, in dem immer stärker ein Keil zwischen Muslime und Christen getrieben wird, die bisher friedlich zusammenlebten. Gerade an unserem letzten Tag haben wir erfahren, dass es einen Granatenanschlag auf ein Kindergottesdienst-Gebäude gab. Dabei starb ein Junge und mehrere Kinder wurden verletzt.

In Gesprächen mit Einheimischen erfahren wir außerdem über ihre täglichen Herausforderungen und Probleme. Wir erleben Menschen, die jeden Tag genießen als wäre es ihr letzter. Handy-Guthaben wird möglichst schnell verbraucht und Essen noch am gleichen Tag verzehrt – morgen könnte bereits Krieg ausbrechen und alles Erworbene wäre vergänglich.

Davon möchte ich mir eine Scheibe abschneiden – jeden Tag nutzen und ihn als Gott gegeben betrachten. Alles hat seine Zeit. Ich möchte im Jetzt leben. Und auch mehr darauf achten, was in der jetzigen Zeit passiert. Die Christen in Kenia beten für ihr Land und glauben an eine Veränderung.

Genau das sollten wir auch tun: Beten für unser Land und für Kenia. Gerade im nächsten Jahr stehen in Kenia Präsidentschaftswahlen an und es ist ungewiss, ob alles friedlich über die Bühne laufen wird.

Uns alle hat die Missionsreise verändert: Ob wir neue Erkenntnisse gezogen haben oder dankbarer für regelmäßige Mahlzeiten und fließendes Wasser geworden sind. Ich persönlich habe in Kenia Gottes Handeln stärker erlebt als in Deutschland und somit ein größeres Vertrauen zu ihm gewonnen. Dieses Vertrauen trägt mich nun in Situationen, in denen ich mich sonst stärker auf die Sicherheiten stützen würde, die das Leben in Deutschland bietet. Vor allen Dingen nehme ich eine neue Herzenshaltung mit, die in dem Bibelvers aus 1. Thessalonicher 5,16-18 zum Ausdruck kommt und den unser Team über den gesamten Einsatz gestellt hat: „Be joyful always, pray continually and give thanks in all circumstances.“ (zu Deutsch: „Seid allezeit fröhlich, betet ohne Unterlass, seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus an euch.“)


Weiterführende Informationen und Links

DIGUNA ist ein Missionswerk, das seine Aufgabe darin sieht, das Evangelium in Ostafrika zu verbreiten. DIGUNA ist die Abkürzung für "Die gute Nachricht für Afrika". In Kooperation mit lokalen Kirchen und Gemeinden führt das Werk evangelistische Einsätze, beispielsweise in Schulen, Gefängnissen und Slums, durch bzw. unterstützt sie durch technische Hilfsmittel und Transporte. In Kenia unterhält die Mission ein Kinderheim für vernachlässigte Kinder und ein weiteres speziell für HIV-positive Kinder, ist beteiligt an Radiosendungen und Literaturverbreitung und bietet Jüngerschaftskurse an.


Homepage der DIGUNA

Vorstellung der DIGUNA-Station in Tinderet (Video)

Kenia ganz praktisch unterstützen: Anmeldung zur Reise "Mission Active" 2013

Rezension von „Licht über Afrika“, Buch über die Entstehung der DIGUNA

Bericht über eine Missionsreise mit der Deutschen Indianer Pioniermission nach Paraguay

Ihr Kommentar

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Kommentare (3)

Sonja K. /

Ein ganz typischer Bericht für einen DIGUNA Einsatz - und immer wieder interessant zu lesen. Selbst habe ich so eine Reise noch nie erlebt. Umso schöner, wenn andere an ihren Erfahrungen teilhaben lassen.

Michael A. /

Bettina diese sehr groß ist ... Lesen bringt all die guten Erinnerungen, die wir gemeinsam wissen wir, der Herr hatte einen Grund für den einen Monat, kann er in allem verherrlicht werden

Horst K. /

Hallo Bettina, schön das du diesen Einsatz erlebt - und diesen interessanten Bericht darüber geschrieben hast. Ich wünsche mir, dass noch viele Menschen aus unserem Land so ein Wagnis eingehen und Erfahrungen mit unserem HERRN machen.
Gottes Segen und herzliche Grüße

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