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14.12.2007 / / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: Elke Allaert

»Krümelkinder«

Vom Leben enttäuscht, auf der schiefen Bahn, abgegeben, abgeschoben - und doch aufgenommen, aufgefangen, erzogen. Eine Pflegemutter erzählt...

Und dann streichst du wieder ein Kind
aus deinem Leben
aus deinem Alltag
aus deinen Akten

weil du Platz brauchst
für ein neues Kind
das noch keinen Platz hat

Ein Krümel Kind bleibt immer
und manchmal betrachte ich
die vielen Krümel in meinem Herzen und denke:
auch Du bist einmal mein Kind gewesen...


(zum Abschied von Sandra D. im September 2000)

Es sind mehr als 30 Kinder gewesen. Manche waren nur kurz bei uns, andere für Jahre. Es hat eine Zeit gegeben, wo wir uns fast geschämt haben, für diese Idylle auch noch Geld zu kriegen. Inzwischen kommen nur noch die ganz schwierigen, meist mehrfach gestörten Kinder in Kinderheime, die andern werden in Pflegefamilien vermittelt. Das ist auch billiger. „Waisenhäuser“ nannte man sie früher, „Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe“ heißen sie heute – und mit Familienleben haben sie nicht mehr viel zu tun.

„Wann ist ein Mann ein Mann?“ singt Herbert Grönemeyer.
„Wann ist ein Kind mein Kind?“ habe ich mich gefragt.
„Es sind ja nicht eure richtigen Kinder“ hat meine Familie gesagt.
„Binden Sie sich nicht so sehr an die Kinder, Sie sollen sie nicht lieb haben - nur begleiten.“ hat der letzte Bereichsleiter zu mir gesagt.

Ich denke, jede Frau hat drei Arme: Einen um ihn nach Gott auszustrecken, einen um ihrem Mann Gehilfin zu sein und einen um Kinder zu umarmen. Und wenn der dritte Arm frei ist, sucht er sich Ersatz. Das können Nichten und Neffen, Nachbarskinder, Schüler oder Kindergartenkinder sein. Oder irgendwelche hilflosen Personen. Vielleicht sogar Haustiere. Jedenfalls irgendwas zum bemuttern.

Wir hatten das Glück, Ersatzeltern mit exklusiven Bedingungen zu werden. Kinder und trotzdem freie Tage. Von Null bis 24 Jahren hatten wir alle Schattierungen. Meine Buben habe ich versucht zu Kavalieren zu machen. Sie lernten gute (Tisch-)Manieren, „Bitte“ und „Danke“ sagen, den sinngemäßen Gebrauch von Klo- und Zahnbürsten und dass Mädchen zum Streicheln da sind und nicht zum Verprügeln. Sie konnten umsichtig einkaufen, ein bisschen kochen, Wäsche sortieren, putzen und waren auf dem Heiratsmarkt darob sehr begehrt. Im Gegenzug haben wir von ihnen Nachhilfe in Jugendkriminalität bekommen. Zugegeben, manchmal wäre es ihnen lieber gewesen, wir hätten weniger Bescheid gewusst.

Den Mädchen haben wir zusätzlich beigebracht, wie kostbar sie sind und dass sie sich nicht billig verschenken dürfen. „Der Erste prägt dich wie eine rohe Münze. Denk dran wenn einer sagt: „Wenn Du mich liebst, musst du mit mir schlafen.“

Zu einigen unserer Kinder hatte ich ein besonderes Verhältnis, manche eroberten mein Herz im ersten Augenblick. Andere waren lange da und trotzdem blieb es mehr eine Betreuung. Zu einigen haben wir noch heute Kontakt, auf fünf „Enkelsöhne“ dürfen wir stolz sein. Und wenn wir uns wiedersehen, umarmen und freuen wir uns.

Eins aber haben sie gemeinsam:
Alle haben erfahren, dass Gott der Vater der Waisen ist, ein Freund auf den man sich verlassen kann, der einen versteht und dem man alles erzählen kann. Wie man ihn kennen lernt und wie man betet.

Würden wir ihn nicht kennen, was hätten wir den Kindern mitgeben können, wenn sie wieder in ihre kaputten Verhältnisse rückgeführt wurden, In eine Partnerschaft – oder unter die Brücke? Ein bisschen Anstand? Leben und leben lassen? Zahl deine Miete und halt die Klappe!?

Nun aber konnten sie einen großartigen Vater kennen lernen. Der uns als seine Kinder adoptiert hat und die Er bedingungslos liebt.

Mein Vater und meine Mutter verlassen mich, aber der Herr nimmt mich auf.
Psalm 27,10

Ein riesiger Schatz und ein großartiges Erbe!

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