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© M. Jungermann

01.07.2010 / Interview / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Sabine Petri

Frommes Gemüse

Biblische Geschichten mal anders: Matthias Jungermann sucht die Darsteller für sein Theater auch schon einmal im Obstladen.

Matthias Jungermann ist Diplom-Puppenspieler. Neben seiner Arbeit als Dozent für Materialtraining am Studiengang Figurentheater Stuttgart und anderen Projekten, spielt Jungermann auch biblische Geschichten. Für seine Darstellungen benutzt er viele Gegenstände aus dem Alltag, wie zum Beispiel eine Ananas. Im Interview mit ERF.de erzählt er von seiner Möglichkeit, dadurch Menschen mit biblischen Botschaften neu zu erreichen.

 

ERF.de: Herr Jungermann, was hat eine Ananas mit dem verlorenen Sohn zu tun?

Matthias Jungermann: Ich finde, die Ananas kann besonders gut den Vater beim "Verlorenen Sohn" darstellen. Denn die Ananas hat bestimmte Ähnlichkeiten zu dem Vater. Zum Beispiel ist eine Ananas groß und stark. Eine Ananas sieht gut aus, hat eine schicke Frisur und ist ein bisschen kratzig. Manche Väter sind auch ein bisschen kratzig im Gesicht. Deswegen hat die Ananas viele Attribute, die sie dazu berechtigt, Darsteller des Vaters in der Geschichte vom "Verlorenen Sohn" zu sein.

Obwohl man beides im ersten Augenblick gar nicht miteinander in Verbindung bringen würde.

Genau. Im ersten Augenblick nicht. Aber ich suche ja in meinem Theater nach neuen Wegen, diese altbekannten Geschichten den Leuten nahe zu bringen. Daher gehe ich gerne ungewöhnliche Wege, die auch in Erinnerung bleiben und den Leuten nachgehen.

Der Name „Radieschenfieber“ von ihrem Figurentheater ist auch ungewöhnlich. Wie sind Sie darauf gekommen?

Im Prinzip ist es keine konzeptionelle Entscheidung, dass ich "Radieschenfieber" heiße und biblische Geschichten mit Obst und Gemüse nachspiele. Ich kam einfach zu diesem Namen. Ich habe gesehen, dass die Leute neugierig werden, wenn sie ihn hören, weil zwei Wörter aus dem Alltag neu miteinander kombiniert worden sind. Ich habe gemerkt, dass dieser Name gut klingt und habe ihn gewählt. Vielleicht auch ein bisschen aus Protest. Denn die Theaternamen von Kollegen hießen immer sehr hochtrabend und hatten oft viel zu bedeuten. Das ist bei "Radieschenfieber" nicht so. Die Namensgebung war eher eine Lustentscheidung. Aber ich habe gemerkt, dass es eine gute war.

Die Kaffeetasse als Darsteller

Welche Gegenstände benutzen Sie für ihr Programm? Sind auch Radieschen dabei?

Radieschen sind nicht dabei, die haben ja Fieber. Aber ich spiele mit allerhand anderen Alltagsgegenständen. Zum Beispiel Kaffeetassen, Löffel, Kneifzangen, Bettlaken, Servietten. Und eben auch gerne mit Obst und Gemüse. In diesem Fall ist mir ganz wichtig, dass man sie hinterher noch essen kann. Ich nutze diese Dinge zum Spielen. Ich verdeutliche damit etwas, lasse auch einmal eine Ananas auf dem Tisch rumhüpfen, aber hinterher wird sie aufgeschnitten. Das Publikum kann dann alles aufessen und die Geschichte quasi noch einmal im wahrsten Sinne des Wortes verinnerlichen.

Welche Botschaft wollen Sie mit Ihren Figuren rüberbringen?

Ich spiele sehr bewusst biblische Geschichten als Objekttheater. So nennt man diese Theaterform, in der man sich nicht mit fertigen Puppen, sondern mit Gegenständen aus dem Alltag ausdrückt. Besonders gerne spiele ich die bekannteren biblischen Geschichten. Also: "Verlorener Sohn", "Barmherziger Samariter", "Verlorenes Schaf". Das sind Geschichten, die man als Christ schon sehr gut kennt, oft in tausend verschiedenen Varianten. Aber mit einer Ananas und einer Banane gespielt, kennt man sie vielleicht noch nicht. So sieht man diese Geschichte neu und entdeckt vielleicht neue Facetten darin.

Außerdem sieht man hinterher diese Darsteller in seinem Alltag wieder. Wenn ich mit einer Ananas spiele, dann muss man das nächste Mal wenn man eine Ananas sieht, vielleicht an den Vater vom "Verlorenen Sohn" denken. Das sind schöne Verknüpfungen, die ich mit den biblischen Geschichten machen möchte. Ich denke, dass diese Gleichnisse ganz wichtig sind und in ihnen ganz viel Kraft liegt.

Ein Bettlaken für ein ganzes Leben

Ihr Programm kommt sehr gut an. Was gefällt den Menschen an „Radieschenfieber“?

Diese Überraschung, dass man biblische Thematiken auch so darstellen kann. Mein Programm ist witzig, manchmal auch sehr albern und unsinnig. Aber gleichzeitig enthält es tiefe geistliche Wahrheit. Eine biblische Aussage, die nicht verwässert ist, sondern so kräftig wie in der Bibel selbst. Es überrascht die Leute, dass man Komik und Humor in einer Szene haben kann und trotzdem eine klare biblische Aussage.

Diese Art der Darstellung macht diese Geschichten auch für Leute attraktiv, die sonst weniger mit einer christlichen Thematik zu tun haben. Sie sind erleichtert, dass es so frisch ist, dass es nicht mit einem Zeigefinger daherkommt: "Achtung eine biblische Geschichte, jetzt wird es wichtig, bitte aufpassen!". Außerdem ist es nicht etwas, das aus dem weltlichen Bereich kommt und 20 Jahre später von Christen nachgemacht wird. Es ist für Nichtchristen genauso interessant.

Haben Sie schon neue Ideen, die Sie in Zukunft umsetzen wollen?

Ich würde gern einmal ein Abendprogramm machen über die "Ich-bin-Worte". Die finde ich sehr interessant. Es ist auch eine gewisse Art von Objekttheater, wenn Jesus sagt: "Ich bin so wie der Weinstock. Ich bin so wie das Brot des Lebens." Das ist eine tolle Thematik für das Objektspiel.

Insgesamt möchte ich gerne weiter Szenen machen, in denen sich ein Objekt verwandelt. Ich habe zum Beispiel eine Geschichte, in der ich mit einem Bettlaken ein ganzes Leben veranschauliche. Zuerst ist das Bettlaken so gelegt wie ein gewickeltes Baby, später ist es der Brautschleier und ganz zum Schluss ist es auch das Leichentuch. Oder letztens habe ich die Geschichte von Josef mit einem Zollstock erzählt. So etwas finde ich spannend: Wenn man ein Objekt hat, bei dem man verfolgen kann, wie es sich durch eine Geschichte hindurch verwandelt.

Vielen Dank für das Gespräch.

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