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08.07.2010 / Interview / Lesezeit: ~ 7 min

Autor/-in: Joachim Bär

„Was soll daran falsch sein, Menschen zu dienen?“

Eine christliche Missionsärztin ist posthum von Pakistan für ihren Einsatz geehrt worden. Wie kann das sein? Fragen an H. Peters von der DMG.

Dr. Ursula H. Schmitz wurde 1953 in Köln geboren und studierte dort Medizin. 23 Jahre lang arbeitete sie in der nordwestpakistanischen Stadt Tank als Missionsärztin der DMG. Im August 2009 verstarb sie, vermutlich an Malaria.

Im März 2010 verlieh die pakistanische Regierung Dr. Schmitz für Ihren außerordentlichen Einsatz posthum den „President’s Award for Pride and Performance“, der höchste Verdienstorden des Landes.

ERF.de: Herr Peters, Dr. Schmitz hat im Nordwesten Pakistans als Medizinerin gearbeitet. Was hat sie dort genau gemacht?

Hartmut Peters: Als Personalleiter der Deutschen Missionsgemeinschaft (DMG) konnte ich vor einigen Jahren Ursula persönlich in Tank besuchen. Außerdem war ich regelmäßig mit ihr im Gespräch, dadurch erhielt ich einen guten Einblick in ihre Arbeit. Neben den täglichen medizinischen Herausforderungen lag ihr Schwerpunkt in der Chirurgie. Wenn ein leitender Mitarbeiter ausfiel, hat sie zudem Verantwortung in der Verwaltung oder bei baulichen Fragen wahrgenommen. Sie leitete auch einen wöchentlichen Bibelgesprächskreis mit Mitarbeitern der Klinik. 

ERF.de: Was konnte sie mit ihrem Einsatz bewirken?

Hartmut Peters: Dr. Schmitz konnte durch Operationen zahllosen Menschen das Leben retten. Sie selbst lebte auf dem Gelände und ihr Haus war immer offen für alle. Sie hat vielen Einheimischen nicht nur medizinisch geholfen. Sie hat auch viele Frauen - auch Musliminnen - seelsorgerlich begleitet. Im Rahmen der Visite und spontanen Nachteinsätzen ergaben sich immer wieder gute Gespräche. Ihr lag es auf dem Herzen, ihre Patienten ganzheitlich zu versorgen und Gottes Liebe nahezubringen.

Außerdem war sie über die örtlichen Grenzen weit bekannt und in den Stammesgebieten sehr beliebt. Mitunter waren einheimische Patienten tagelang unterwegs, nur um im christlichen Krankenhaus von Dr. Ursula und ihren Mitarbeitern operiert oder behandelt zu werden. Deshalb garantierten die Stämme der Region auch für ihre Sicherheit.

ERF.de: Das hört sich so an, als sei Dr. Schmitz in der Gegend sehr gut integriert gewesen. Einheimische Ärzte hingegen, heißt es, arbeiten nur ungern in der Gegend. Warum?

Hartmut Peters: Das erwähnte sogar der pakistanische Präsident in seiner Laudatio für den Verdienstorden. Einer der Gründe stellt die Sicherheit dar. Die politische Lage vor Ort ist recht instabil. Man merkt den Einfluss aus dem Nachbarland Afghanistan. Deshalb leben die christlichen Mitarbeiter in Tank ausschließlich auf dem Krankenhausgelände. Außerhalb der Klinik dürfen die Mitarbeiterinnen des Krankenhauses nicht alleine unterwegs sein, beispielsweise zum Einkaufen, es ist einfach zu gefährlich. In einem Provinzkrankenhaus sind zudem die Gehälter geringer als in den Städten, um nur wenige der alltäglichen Einschränkungen zu nennen. Dr. Schmitz kam damit aber gut zurecht. Sie konnte sich für ihren Missionsdienst keinen besseren Ort vorstellen.

ERF.de: Nun wurde Dr. Schmitz posthum vom pakistanischen Staat mit dem höchsten Verdienstorden geehrt. Auch an den Reaktionen Einheimischer zu ihrem Tod merkt man: Sie war sehr willkommen und hoch geachtet. Wie kann das sein? Sie war doch eine christliche Missionarin in einem islamischen Land!

Bild: DMG, Dr. Ursual H. Schmitz: Kompetente Ärztin und treue Missionarin

Hartmut Peters: Ursula Schmitz hat ihren christlichen Glauben über viele Jahre auf eine authentische Weise ausgelebt. Sie begegnete allen Menschen in gleicher Weise freundlich, ehrlich und mit Respekt - egal, ob diese Person ein Stammesfürst oder jemand vom Reinigungspersonal war. Ihr lebendiges, aufopferndes Leben blieb nicht ohne Folgen, sondern zog große Kreise.

ERF.de: Wussten die Leute, dass sie auch Missionarin ist?

Hartmut Peters: Natürlich, sie hatte über die ganzen Jahre ohne Probleme ein offizielles Missionarsvisum und arbeitete in einem seit Jahren anerkannten christlichen Krankenhaus. Die Menschen der Region waren überaus dankbar für ihren Dienst.

ERF.de: Ärztin oder Missionarin: Mit welcher Motivation ging Dr. Schmitz als Missionsärztin der DMG nach Pakistan?

Hartmut Peters: Ich denke, Dr. Schmitz war beides. Eine kompetente Ärztin und eine treue Missionarin. Das eine schließt das andere ja nicht aus. Sie wusste sich als Christin und Ärztin nach Pakistan berufen. Sie hat mir einmal erzählt, dass sie schon als fünfjähriges Kind den Wunsch äußerte, in die Außenmission zu gehen. Deshalb hat sie später auch Medizin studiert. Mit 19 fand sie zum Glauben an Jesus und wollte im Alltag bewusst mit Gott leben. Aufgrund dieser Berufung hat sie freiwillig ihre Heimat und Familie verlassen. Sie verzichtete auf ein gutes Gehalt und war bereit, sich dem einfachen Lebensstil dieser Region anzupassen, damit Menschen von Jesus hören.

ERF.de: Für manche passen missionarischer und humanitärer Einsatz nicht zusammen...

Hartmut Peters: Bei Ulla Schmitz ist aber eine ganzheitliche Berufung entstanden, nachdem sie nach ihrer Bekehrung mit Missionaren der DMG und anderer Werke Kontakt hatte. Ihr Leben und ihr Dienst sind ein gutes Beispiel dafür, dass sich Mission und Nothilfe ergänzen.

ERF.de: Als vor einem Jahr im Jemen zwei junge Christinnen aus Deutschland, die medizinisch tätig waren, umgebracht wurden, behauptete der Kasseler Sektenbeauftragte der EKD, Eduard Trenkel, in einem Spiegel-Artikel, die Wirkung „evangelikaler Jesusjünger“ sei weltweit verheerend. Was sagen Sie im Hinblick auf Dr. Schmitz zu diesem Vorwurf?

Die Deutsche Missions-gemeinschaft (DMG) mit Sitz in Sinsheim wurde 1951 gegründet und arbeitet mit 350 Mitarbeitern in 76 Ländern weltweit. Sie arbeitet theologisch auf der Basis der Deutschen Evangelischen Allianz und ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen (AEM).

Hartmut Peters: Wenn wir in die Missionsgeschichte hineinschauen, stellen wir fest, dass es überwiegend Christen - oft Missionare - waren, die sich in aufopfernder Weise um die Armen, Kranken und Bedürftigen vor Ort und weltweit gekümmert haben. Übrigens evangelikal bedeutet für uns, dass wir uns an den Richtlinien des Evangeliums orientieren. Evangelikale wollen dem Vorbild von Jesus folgen.

Ich selbst arbeitete als Missionar der DMG im buddhistischen Taiwan. Früher hat man die behinderten Menschen dort irgendwo in einem Verschlag versteckt, weil man sich schämte. Es waren christliche Missionare, die Waisenhäuser für Behinderte und Krankenhäuser in Taiwan aufgebaut haben. Was soll daran falsch sein, wenn Christen anderen Menschen in solcher Liebe dienen?

ERF.de: Wie hat sich das bei Dr. Schmitz geäußert?

Hartmut Peters: Sie hat in ähnlicher Weise gelebt und Muslimen liebevoll und selbstlos gedient. Christen, die sich an der Bibel orientieren, wissen, dass jeder Mensch einzigartig, unendlich wertvoll und liebenswert ist. Deswegen geben sie Bedürftigen konkrete Lebenshilfe und Ausbildung, damit sie ein Leben in Würde leben können. Ich könnte Ihnen viele Lebensberichte erzählen, die das bestätigen. Diesen weltweiten positiven und nachhaltigen Einfluss des Evangeliums und der Missionare als verheerend zu bezeichnen, kann ich nicht nachvollziehen.

Übrigens bringt jeder Soldat, der in Afghanistan eingesetzt ist und jeder ausländische Professor, der an einer Universität unterrichtet, seine Glaubens- und Weltanschauung mit. Da sagt ja auch niemand etwas Schlechtes drüber. Ich verstehe also nicht, wenn Missionare in eine extreme Ecke gestellt werden, wenn sie doch Gutes tun. Wie viel Gutes Dr. Schmitz bewirkt hat, hat die pakistanische Regierung auf jeden Fall erkannt und durch die Verleihung des Ordens an unsere Missionsärztin deutlich gemacht.

ERF.de: Eine christliche Missionarin wird also von einem islamischen Land von höchster Stelle geehrt, zu Hause bekommen evangelikale Missionare Medienschelte. Was halten Sie davon?

Bild: DMG, Die Preisverleihung in der pakistanischen Botschaft in Berlin. Der Bruder der Verstorbenen nimmt den Preis stellvertretend entgegen.

Hartmut Peters: Ein Hauptvorwurf der Kritik war, Missionare würden sich unverantwortlich Gefahren aussetzen. Oft habe ich aber mit Dr. Ulla über die Gefahren vor Ort gesprochen. Gedanklich bereiteten wir uns auf schwere Zeiten vor. Manche Schreckensnachricht aus Pakistan ließ uns hier in Deutschland immer wieder aufhorchen und unsere Hände zum Gebet zu falten. Andererseits wussten wir, dass sie und das Krankenhaus vor Ort anerkannt waren und von den Einheimischen beschützt wurden. Dr. Ulla lebte im vollen Segen des lebendigen Gottes und übte mit tiefer Freude ihre Berufung als Missionsärztin und Christin aus. Diese Gewissheit und durch den göttlichen inneren Frieden war sie in der Lage, unter solchen nicht ganz ungefährlichen Umständen zu leben.

ERF.de: Wie geht es nach dem Tod von Dr. Schmitz mit dem Krankenhaus weiter?

Hartmut Peters: Als DMG liegt uns natürlich sehr viel an der Weiterführung dieser so wichtigen sozialdiakonischen und christlichen Arbeit. Deswegen haben wir einen Dr. Ursula Schmitz-Fonds eingerichtet, durch den  Spender aus Deutschland Notleidende in Pakistan über die DMG unterstützen können. Der Fonds dient dazu, dass Pakistani, die sich eine medizinische Versorgung nicht leisten können, kostenlos behandelt werden. Der gute Einfluss von Dr. Schmitz zieht also weiter Kreise und rettet auch nach ihrem Tod Menschenleben. Durch diesen Fonds kann die medizinische Arbeit von uns und unserem Partnerwerk in Pakistan auch zukünftig weiter geführt werden.

Bild: DMG, Hartmut Peters ist Personalleiter der DMG für Asien und den Orient.

ERF.de.: Es gibt also auch einheimische Fachkräfte, die die Arbeit weiterführen?

Hartmut Peters: Zum Teil Einheimische, es gibt aber auch ausländische Ärzte, die für wenige Wochen oder Monate dort mitarbeiten. Und wir sind offen für neue, christliche Ärzte aus Deutschland, die mit Mut und Liebe zu den Menschen vor Ort arbeiten wollen. Wenn sich ein Arzt meldet, kan er über die DMG dort in Dienst kommen, wie das bei Dr. Schmitz war.

ERF.de: Herzlichen Dank für das Gespräch!

 

Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite der DMG

 Joachim Bär

Joachim Bär

Joachim Bär war Unit Lead von erf.de und hat die übergreifenden Themen der redaktionellen Angebote des ERF koordiniert. Er ist Theologe und Redakteur, verheiratet und hat zwei Kinder.

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Kommentare (3)

Louis /

I met Dr. Schmitz way back in 2004 while I was working with DOER trust for Evaluation of Christian Hospital Taank where she was serving for past many years. A very kind hearted lady and wonderful mehr

Ehsan M. /

I am from South Waziristan Agency adjacent to District Tank in Pakistan. Dr. Ulla Schmitz rendered valuable services in Christian Hospital Tank. We the people of the area are heavily indebted to her mehr

Ulrike /

Danke für diesen interessanten Bericht. Da kann man sich freuen, dass selbst die Regierung das anerkannt hat. Schade, dass so eine Meldung nicht in den "normalen" Medien gesendet wird. Aber auch die mehr

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