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04.12.2007 / Andacht / Lesezeit: ~ 5 min

Autor/-in: Hao Hebbinghaus

Eine sinnlose Geste?

Vor einigen Monaten las ich von einem Studenten, der sich mit Benzin übergossen und angezündet hatte. Im Nachlas des Toten fand man einen Brief, in dem er den Grund seines Selbstmords erläuterte. Die Aussagen gipfelten in dem Satz: "Ein Leben ohne Hoffnung in einer Welt ohne Liebe endet mit einer sinnlosen Geste."

Vor einigen Monaten las ich von einem Studenten, der sich mit Benzin übergossen und angezündet hatte. Im Nachlas des Toten fand man einen Brief, in dem er den Grund seines Selbstmords erläuterte. Die Aussagen gipfelten in dem Satz:

„Ein Leben ohne Hoffnung in einer Welt ohne Liebe endet mit einer sinnlosen Geste."

Diese resignierte Feststellung ließ mich aufschrecken. Gibt es in dieser Welt wirklich keine Hoffnung und keine Liebe mehr? Auf den ersten Blick mag der junge Mann recht gehabt haben: Wachsende Arbeitslosigkeit, wenig Hoffnung auf Veränderung, dadurch Zukunftsangst, dazu persönliche Vereinsamung, wie sie bei Studenten in unübersichtlichen Universitätsstädten immer wieder vorkommt... Wer bei dieser Sicht stehen bleibt, muss ohne Hoffnung verzweifeln und diesem Leben ein Ende setzen.

Ich will und kann diese Meinung aber nicht teilen: Ich glaube nicht, dass Gott die Welt geschaffen hat, um sie sich selbst und ihren zerstörerischen Kräften sang- und klanglos zu überlassen. Nein, Gott handelt nicht wie ein Fabrikarbeiter, dem egal ist, was aus seinem Produkt wird. Gott kümmert sich nachhaltig um seine Schöpfung.

Dabei schaut er nicht gedankenverloren und träumend aus einem Himmelfenster auf die Erde. Auch ist er kein »Deus ex machina«, kein »Gott aus der Maschine«. Dieser wurde im antiken Theater, wenn die Situation im Schauspiel völlig verfahren und unlösbar war, an einem langen Seil im Korb heruntergelassen. Der im Korb sitzende Gott sprach dann ein Machtwort, das alle Probleme und dramatischen Entwicklungen löste. Er brauchte sich weder zu informieren, noch sich die Hände schmutzig zu machen. War dieses Machtwort gesprochen, entschwand der »Deus ex machina« wie er gekommen war.

Nein, Gott hat es sich was kosten lassen. Immer wieder hat er machtvoll in die Weltgeschichte und in das Menschenleben liebevoll eingegriffen, um es zu ordnen und zurecht zu bringen – nie ohne mit Menschen zu reden, zu warnen, sie vor die Wahl zu stellen.
 

Haupt voll Blut und Wunden

(1)

O Haupt voll Blut und Wunden,
Voll Schmerz und voller Hohn,
O Haupt, zum Spott gebunden
Mit einer Dornenkron,
O Haupt, sonst schön gezieret
Mit höchster Ehr und Zier,
Jetzt aber höchst schimpfieret:
Gegrüßet seist du mir!
 

(4)

Nun, was du, Herr, erduldet,
Ist alles meine Last;
Ich hab es selbst verschuldet,
Was du getragen hast.
Schau her, hier steh ich rmer,
Der Zorn verdienet hat;
Gib mir, o mein Erbarmer,
Den Anblick deiner Gnad!
 

(5)

Erkenne mich, mein Hüter,
Mein Hirte, nimm mich an!
Von dir, Quell aller Güter,
Ist mir viel Guts getan.
Dein Mund hat mich gelabet
Mit Milch und süßer Kost;
Dein Geist hat mich begabet
Mit mancher Himmelslust.
 

(7)

Es dient zu meinen Freuden
Und kommt mir herzlich wohl,
Wenn ich in deinem Leiden,
Mein Heil, mich finden soll.
Ach, möcht ich, o mein Leben,
An deinem Kreuze hier
Mein Leben von mir geben,
Wie wohl geschähe mir!
 

(9)

Wenn ich einmal soll scheiden,
So scheide nicht von mir;
Wenn ich den Tod soll leiden,
So tritt du dann herfür;
Wenn mir am allerbängsten
Wird um das Herze sein,
So reiß mich aus den Ängsten
Kraft deiner Angst und Pein!
 

(10)

Erscheine mir zum Schilde,
Zum Trost in meinem Tod,
Und lass mich sehn dein Bilde
In deiner Kreuzesnot!
Da will ich nach dir blicken,
Da will ich glaubensvoll
Dich fest an mein Herz drücken.
Wer so stirbt, der stirbt wohl.

Die für mich größte "Rettungsaktion Gottes" ist Jesus Christus. Ich entdecke in seiner Passionsgeschichte (Evangelium nach Matthäus, Kapitel 26 bis 28 nicht nur das Mitleid Gottes für die sich zerstörende Welt, sondern vor allem ein echtes Mitleiden an und mit seiner Schöpfung. Diese Liebe war es, die nicht den bequemen Weg eines "Machtwortes von oben" – also „ex machina“ gegangen ist, sondern den Weg der Passion zum Kreuz. Er identifizierte sich so mit uns Menschen, dass er sogar seine eigene Zerstörung durch Menschen geschehen ließ.

Nein, Gott macht vor der Sünde nicht halt, holte sich nicht nur schmutzige Hände, sondern auch ein "Haupt voll Blut und Wunden", wie es Paul Gerhardt in seinem Lied ausgedrückt hat (Kasten rechts). Dabei ließ er sich hinrichten, um uns Menschen wieder aufzurichten.

Die Leidensgeschichte Jesu, die ja auch gleichzeitig unser aller Erlösungsgeschichte ist, gipfelt mit dem Höllenschrei:
"Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" (Matthäus 27,46)
Weil Jesus zur Sünde gemacht wurde, muss sich Gott von seinem Sohn abwenden. Er lässt ihn allein. Unbegreiflich, aber die Heiligkeit Gottes forderte dieses Urteil: Gottverlassenheit! Gott hat die Sünde immer schon ernst genommen, sie ist und bleibt ein biblisches Fachwort für Zerstörung und Trennung.

Am Kreuz erkenne ich kleinen gescheiterten Weltverbesserer, sondern den Welterlöser, der die gesamte Schuld aller Menschen trägt, Deine und meine eingeschlossen. Deshalb bringt auch der Höllenschrei von Jesus – von Gott verlassen sein, ist die Hölle – das Leben. Und seit Jesus für uns durch die Hölle gegangen ist, braucht kein Mensch mehr selbst – gottverlassen – durch die Hölle zu gehen. Und dann muss es nicht sein, dass ein Student sagt: "Ein Leben ohne Hoffnung in einer Welt ohne Liebe endet mit einer sinnlosen Geste".

Ohne Jesus ist es so. Ohne Jesus ist das Leben ohne Hoffnung, denn Jesus ist die personifizierte Liebe. Und niemand hat größere Liebe, als die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde. Keine sinnlose Geste also, aondern notwendige Erlösung. Wer wollte auch diese Strafe tragen? Sie ist buchstäblich unerträglich!

Verstehen? Das können wir nicht. Niemals. Es ist Gottes Liebe, die so weit geht, dass er seinen eigenen Sohn verleugnet, sich selbst verlässt und aus Liebe sein Leben gibt. Diese Liebe will uns nicht nur am Karfreitag bereichern, uns das Leben lebenswert machen, denn

 
Pflichtbewusstsein ohne Liebe
macht verdrießlich

Verantwortung ohne Liebe
macht rücksichtslos
 
Gerechtigkeit ohne Liebe
macht hart

Wahrhaftigkeit ohne Liebe
macht kritiksüchtig
 
Klugheit ohne Liebe
macht betrügerisch

Freundlichkeit ohne Liebe
macht heuchlerisch
 
Ordnung ohne Liebe
macht kleinlich

Sachkenntnis ohne Liebe
macht rechthaberisch
 
Macht ohne Liebe
macht grausam

Ehre ohne Liebe
macht hochmütig
 
Besitz ohne Liebe
macht geizig

Glaube ohne Liebe
macht fanatisch

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