Vor einigen Monaten las ich von einem Studenten, der sich mit Benzin übergossen und angezündet hatte. Im Nachlas des Toten fand man einen Brief, in dem er den Grund seines Selbstmords erläuterte. Die Aussagen gipfelten in dem Satz:
„Ein Leben ohne Hoffnung in einer Welt ohne Liebe endet mit einer sinnlosen Geste."
Diese resignierte Feststellung ließ mich aufschrecken. Gibt es in dieser Welt wirklich keine Hoffnung und keine Liebe mehr? Auf den ersten Blick mag der junge Mann recht gehabt haben: Wachsende Arbeitslosigkeit, wenig Hoffnung auf Veränderung, dadurch Zukunftsangst, dazu persönliche Vereinsamung, wie sie bei Studenten in unübersichtlichen Universitätsstädten immer wieder vorkommt... Wer bei dieser Sicht stehen bleibt, muss ohne Hoffnung verzweifeln und diesem Leben ein Ende setzen.
Ich will und kann diese Meinung aber nicht teilen: Ich glaube nicht, dass Gott die Welt geschaffen hat, um sie sich selbst und ihren zerstörerischen Kräften sang- und klanglos zu überlassen. Nein, Gott handelt nicht wie ein Fabrikarbeiter, dem egal ist, was aus seinem Produkt wird. Gott kümmert sich nachhaltig um seine Schöpfung.
Dabei schaut er nicht gedankenverloren und träumend aus einem Himmelfenster auf die Erde. Auch ist er kein »Deus ex machina«, kein »Gott aus der Maschine«. Dieser wurde im antiken Theater, wenn die Situation im Schauspiel völlig verfahren und unlösbar war, an einem langen Seil im Korb heruntergelassen. Der im Korb sitzende Gott sprach dann ein Machtwort, das alle Probleme und dramatischen Entwicklungen löste. Er brauchte sich weder zu informieren, noch sich die Hände schmutzig zu machen. War dieses Machtwort gesprochen, entschwand der »Deus ex machina« wie er gekommen war.
Nein, Gott hat es sich was kosten lassen. Immer wieder hat er machtvoll in die Weltgeschichte und in das Menschenleben liebevoll eingegriffen, um es zu ordnen und zurecht zu bringen – nie ohne mit Menschen zu reden, zu warnen, sie vor die Wahl zu stellen.
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Die für mich größte "Rettungsaktion Gottes" ist Jesus Christus. Ich entdecke in seiner Passionsgeschichte (Evangelium nach Matthäus, Kapitel 26 bis 28 nicht nur das Mitleid Gottes für die sich zerstörende Welt, sondern vor allem ein echtes Mitleiden an und mit seiner Schöpfung. Diese Liebe war es, die nicht den bequemen Weg eines "Machtwortes von oben" – also „ex machina“ gegangen ist, sondern den Weg der Passion zum Kreuz. Er identifizierte sich so mit uns Menschen, dass er sogar seine eigene Zerstörung durch Menschen geschehen ließ.
Nein, Gott macht vor der Sünde nicht halt, holte sich nicht nur schmutzige Hände, sondern auch ein "Haupt voll Blut und Wunden", wie es Paul Gerhardt in seinem Lied ausgedrückt hat (Kasten rechts). Dabei ließ er sich hinrichten, um uns Menschen wieder aufzurichten.
Die Leidensgeschichte Jesu, die ja auch gleichzeitig unser aller Erlösungsgeschichte ist, gipfelt mit dem Höllenschrei:
"Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" (Matthäus 27,46)
Weil Jesus zur Sünde gemacht wurde, muss sich Gott von seinem Sohn abwenden. Er lässt ihn allein. Unbegreiflich, aber die Heiligkeit Gottes forderte dieses Urteil: Gottverlassenheit! Gott hat die Sünde immer schon ernst genommen, sie ist und bleibt ein biblisches Fachwort für Zerstörung und Trennung.
Am Kreuz erkenne ich kleinen gescheiterten Weltverbesserer, sondern den Welterlöser, der die gesamte Schuld aller Menschen trägt, Deine und meine eingeschlossen. Deshalb bringt auch der Höllenschrei von Jesus – von Gott verlassen sein, ist die Hölle – das Leben. Und seit Jesus für uns durch die Hölle gegangen ist, braucht kein Mensch mehr selbst – gottverlassen – durch die Hölle zu gehen. Und dann muss es nicht sein, dass ein Student sagt: "Ein Leben ohne Hoffnung in einer Welt ohne Liebe endet mit einer sinnlosen Geste".
Ohne Jesus ist es so. Ohne Jesus ist das Leben ohne Hoffnung, denn Jesus ist die personifizierte Liebe. Und niemand hat größere Liebe, als die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde. Keine sinnlose Geste also, aondern notwendige Erlösung. Wer wollte auch diese Strafe tragen? Sie ist buchstäblich unerträglich!
Verstehen? Das können wir nicht. Niemals. Es ist Gottes Liebe, die so weit geht, dass er seinen eigenen Sohn verleugnet, sich selbst verlässt und aus Liebe sein Leben gibt. Diese Liebe will uns nicht nur am Karfreitag bereichern, uns das Leben lebenswert machen, denn
Pflichtbewusstsein ohne Liebe macht verdrießlich |
Verantwortung ohne Liebe macht rücksichtslos |
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Gerechtigkeit ohne Liebe macht hart |
Wahrhaftigkeit ohne Liebe macht kritiksüchtig |
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Klugheit ohne Liebe macht betrügerisch |
Freundlichkeit ohne Liebe macht heuchlerisch |
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Ordnung ohne Liebe macht kleinlich |
Sachkenntnis ohne Liebe macht rechthaberisch |
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Macht ohne Liebe macht grausam |
Ehre ohne Liebe macht hochmütig |
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Besitz ohne Liebe macht geizig |
Glaube ohne Liebe macht fanatisch |
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