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© Josh Rocklage / unsplash.com

05.06.2013 / Interview / Lesezeit: ~ 6 min

Autor/-in: Nelli Bangert

Zankapfel Musik

Wie Gemeinden den Spagat zwischen Worshipmusik und den Liedern aus der Erweckungszeit hinkriegen: Ein Interview mit dem Musikevangelisten Frank Pacek.

Während die jüngere Generation häufig großen Wert auf die sogenannte Lobpreiszeit im Gottesdienst legt, können viele ältere Personen in Gemeinden damit nicht so viel anfangen. Viel lieber wäre es ihnen, wenn sie die Lieder singen könnten, die ihnen in der Vergangenheit viel Kraft und Ermutigung gegeben haben. Stress also vorprogrammiert?! ERF Medien im Gespräch mit Frank Pacek, Pastor einer Freikirche in Neuwied und Musikevangelist vom Missionswerk Neues Leben.
 

ERF: Durch Musik entstehen wohl in der gesamten Kirchengeschichte bis heute Konflikte. Herr Pacek, sollte man nicht besser einfach Musik aus der Gestaltung der Gottesdienste rauslassen, um den Konflikten aus dem Weg zu gehen?

Frank Pacek: Ich glaube nicht, dass das im Sinne Gottes und im Sinne der Bibel ist. Bereits im ersten Buch der Bibel ist von Musik die Rede und dass man den Namen des Herrn anrufen soll. Der Ausspruch "Halleluja" heißt: "Preist den Herrn“. Dadurch werden wir aufgefordert, Gott zu loben. Das tun wir nicht nur durch Lieder, dennoch häufig und viel mit Liedern. Es wäre ein falscher Schritt, wenn man Musik aus den Gottesdiensten verbannen würde, nur um möglichen Konflikten aus dem Weg zu gehen.
 

ERF: Aber könnte man Gott nicht beispielweise auch in schlichte Gebetszeiten loben, ohne diese mit Musik zu verbinden?

Frank Pacek: Doch klar, das ist möglich. Musik ist nur eine wunderbare Methode, die wir Menschen nutzen, um unser Lob vor Gott zu bringen. Ein Gebet oder ein Leben, wie Gott es ehrt, ist auch Lobpreis. Trotzdem ist Musik etwas, das unsere Herzen und unsere Seelen berührt. Genau das ist der Grund, weshalb es hier so viele Konflikte gibt.

Welche Musik kommt an?

ERF: Wie kann eine Gemeinde mit mehreren Generationen einen Weg finden, um alle Gottesdienstbesucher durch Musik auf das Thema vorzubereiten?

Frank Pacek: Indem die unterschiedlichen Generationen in Liebe aufeinander zugehen. Intoleranz zeigt sich nicht nur bei der älteren Generation gegenüber neuen Liedern, sondern auch anders herum: Viele jüngere Personen möchten die alten Lieder nicht spielen. Um die Einheit zu wahren, sollte man aufeinander zugehen.
 

ERF: Wie kann das praktisch aussehen?

Frank Pacek: Eine Lobpreisband mit Jugendlichen könnte Stücke aus der Erweckungszeit spielen. In unserer Gemeinde in Neuwied haben wir damals den Konflikt so gelöst, dass wir als Lobpreisteams im Gottesdienst gefragt haben, ob die Gottesdienstbesucher Liedwünsche haben. Dadurch hat sich die ältere Generation ernst genommen gefühlt und gemerkt, dass wir wirklich die ganze Gemeinde in den musikalischen Abschnitt reinnehmen wollen.

Bloß keine weltliche Musik!

ERF: Teilweise bewerten Christen diverse Musikstile in den Kategorien weltlich oder christlich. Macht es Sinn, Musik auf diese Art und Weise kategorisch einzuteilen?  

Frank Pacek: Nein. Wenn man die Entwicklung der Musik innerhalb der Kirchengeschichte betrachtet, macht es überhaupt keinen Sinn: Jedes Mal war der Aufschrei der Christen groß, wenn es eine Neuerung im Bereich Musik gab. Ganz egal, ob ein neues Musikinstrument dazu kam oder neuerdings mehrstimmig gesungen wurde. „Zu weltlich“ oder „Das gefällt Gott nicht“ waren gern gewählte Bewertungen. Nachdem eine gewisse Zeit verging, gewöhnten sich die Menschen dran. Insofern ist der Konflikt, den wir heute haben, überhaupt nicht neu.
 

ERF: Woran wird denn normalerweise festgemacht, ob Musik weltlich ist oder nicht?

Frank Pacek: Ganz unterschiedlich. Neue Musikstile und neue Instrumente setzen viele Menschen mit dem Zeitgeist in Verbindung. Bei anderen ist es das Argument, dass Lautstärke oder Rhythmus nicht im Sinne Gottes sei. Auch das entspricht nicht der Bibel, denn schon im 1. Buch Mose werden verschiedene Instrumente erwähnt, angefangen von Zupfinstrumenten bis hin zu Schlaginstrumenten.

Die Bibel vermittelt auch nicht, dass Gott keine laute Musik mag. Bei der Einweihung des Tempels oder auch bei dem Fall der Mauern in Jericho gibt es laute Musik. Gott ist vielfältig: Er mag laute und leise Musik, viele Instrumente und wenige Instrumente.
 

ERF: Gibt es demnach keinen Musikstil, der in die Kategorie „weltlich“ fallen könnte?

Frank Pacek: Die Frage ist nicht, ob es weltliche Musik gibt, sondern ab wann Musik Musik ist. Sind die Musikstücke, die nur aus zwei oder drei Tönen bestehen schon Musik? Ist lauter Krach und das Rückkoppeln der E-Gitarre noch Musik? Gleichzeitig darf man nicht aus den Augen verlieren, dass Musik Christen zusammenrücken soll und ihnen zur Anbetung dienen soll. Ab wann schadet Musik einer Gemeinde und ab wann dient sie eine Gemeinde, sind deswegen wichtige Fragen.

Mehr als nur Schallwellen

ERF: Ganz grundsätzlich gefragt: Was soll Musik bei den Gottesdienstbesuchern bewirken?

Frank Pacek: Musik trifft die Seele und bewegt uns. Gott hat es so gemacht, das Musik für uns nicht einfach nur Geräusche ist. Wenn man es rein physikalisch betrachtet, besteht Musik nur aus Schallwellen, die interessanterweise unser Herz treffen. Im Gottesdienst soll Musik Menschen zur gemeinsamen Anbetung Gottes bringen.
 

ERF: Inwiefern sollte sich der Musikstil einer Gemeinde an den Menschen anpassen, die man als Gemeinde erreichen will?

Frank Pacek: Das hängt ganz von der Gottesdienstausrichtung ab. In einem traditionellen Gottesdienst sonntagmorgens sind wahrscheinlich die meisten Gottesdienstbesucher gemeindezugehörig. In diesem Rahmen dient Musik dazu, dass die Gemeinde gemeinsam Gott anbetet. Doch Musik in der Gemeinde kann auch dazu gebraucht werden, um die Botschaft des Evangeliums weiterzutragen.
 

ERF: Also überlegen Sie sich genau, was Sie bei den Menschen erreichen wollen und setzen dann gezielt die passenden Lieder ein?

Frank Pacek: Wir überlegen uns nicht nur, was wir bewirken wollen, sondern beschäftigen uns auch mit dem Thema der Predigt. Wenn wir Lieder raussuchen, wünschen wir uns, dass sie die Thematik der Veranstaltung aufgreifen und möglichst kein neues Thema eröffnen. Wenn Lieder wahllos ausgewählt werden und das Thema des Gottesdienstes durch die Songs nicht vertieft werden, ist es eher destruktiv, weil die Zuhörer vom eigentlichen Thema der Veranstaltung abgelenkt werden.

Praise and Worship: Die beste Musik für den Gottesdienst?

ERF: Insbesondere junge Gemeinden nutzen gerne Lobpreismusik. Ist die sogenannte Lobpreismusik ein Musikstil?

Frank Pacek: Das kann man so sagen. Gerade die weltweit bekannten Bands, wie Hillsong United oder Jesus Culture, haben mittlerweile ihren eigenen Stil entwickelt. Im nordamerikanischen Raum nennt man diesen Stil Praise and Worship.
 

ERF: Ist denn Praise and Worship der Musikstil, der bei dem Zuhörer am meisten bewirkt?

Frank Pacek: Nein, das glaube ich nicht. Gott hat uns unterschiedlich geschaffen - jeder Mensch hat seinen eigenen Musikgeschmack. Wenn Praise and Worship den Gottesdienstbesuchern in einer Gemeinde gefällt und ihnen ins Herz geht, ist es ein guter Musikstil für die Gemeinde. Eine Gemeinde, die diesen Musikstil nicht kennt, wird damit nicht viel anfangen können. Diese Gemeinde benötigt vielleicht eher die Lieder aus der Erweckungszeit, die mehr Theologie und Botschaft enthalten. Für andere ist es eher klassische Musik, durch die sie Gott näher kommen.
 

ERF: Schön, wenn Gemeinden den Spagat hinbekommen. Wie haben Sie das in Ihrer Gemeinde erlebt?

Frank Pacek: Bei uns hat es letztlich zehn Jahre gedauert, bis beide Generationen gemerkt haben, dass sie einander brauchen und aufeinander zukommen müssen. Spannungen erleben wir zwar immer wieder einmal, doch den großen Konflikt haben wir bereits überstanden. Die Veränderung von Musikstilen bleibt ein Prozess – sie können nicht von heute auf morgen verändert werden. Wenn es an einigen Stellen in der Gemeinde kracht, findet die Veränderung zu schnell statt. Das schadet der Gemeinde.
 

ERF: Wäre es dann nicht vielleicht sinnvoll, das Liedgut unverändert zu lassen?

Frank Pacek: Das verfehlt es glaube ich auch. In der Bibel werden wir dazu aufgefordert neue Lieder zu singen. Neues Liedgut zeigt, dass Menschen als kreative Wesen von Gott geschaffen sind und etwas Neues schaffen können. In einer Gemeinde sollten auf jeden Fall neue Lieder gesungen werden, gleichzeitig sollte man die älteren Menschen der Gemeinde, die in der Erweckungszeit aufgewachsen sind, nicht vergessen. Diese Lieder haben ihnen Halt gegeben und sie in schweren Zeiten getröstet. Auch diese Lieder gehören zu unserer Kultur und zu unserer Kirchengeschichte dazu.
 

ERF: Herzlichen Dank für das Interview.
 

 

Ihr Kommentar

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Kommentare (5)

Siegfried Sch. /

Die gemeinsamen Lieder sollten wirklich zum Lobe verhelfen. Sie müssen singbar und melodisch sein, damit man auch dabei sein kann. Das ist nicht zuerst eine Frage nach Alt oder Jung. Außerdem müssen mehr

Reiner K. /

Die Frage ist moeglicherweise weniger alt oder neue Musik, denn das ist eine reine Stilfrage
Sollte man nicht probieren den Zweck der Musik/Worship eine deutlichere Rolle im Gottesdienst zu mehr

Uschi /

Ich finde es gut, wenn in einer Kirchengemeinde auch neuere Lieder gesungen werden. In den Freikirchen sollten allerdings nicht die Choräle vergessen werden. Gerade in Notzeiten helfen Menschen mehr

Brigitte /

Hallo, ich habe selbst mit Freude den Lobpreisdienst einer Gemeinde mitgestaltet.
Aus meiner Erfahrung muss ich aber sagen, dass die alten Hymnen mehr Tiefe im Text enthalten als die neueren Lieder. mehr

Lothar /

Der Gedanke ist gut.
In meiner Gemeinde singen wir alte und viele Neue Lieder. Dadurch werden die Lieder von jeder Generation gesungen.
Jede Generation hat ihre Lieder und soll auch.ihre Lieder singen.

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