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© Meister von San Vitale in Ravenna, via Wikimedia Commons [Public domain]

15.02.2012 / Frauen der Kirchengeschichte / Lesezeit: ~ 6 min

Autor/-in: Helga Lampe

Theodora

Von der Schauspielerin zur Kaiserin: Theodora hat ein bewegtes Leben geführt. Gerade deshalb lässt sich einiges von ihr lernen.

Theodora gehört zu den bekanntesten Frauengestalten der Geschichte. Sie wurde im 6. Jahrhundert wahrscheinlich in Syrien geboren und erlebte einen Wandel vom Kind einer Zirkusfamilie bis zur Kaiserin auf den Cäsarenthron. Ein ungewöhnliches, faszinierendes Leben! Noch heute kann man ihr Bild auf den Mosaiken der Basilika San Vitale in Ravenna betrachten und ihre außergewöhnliche Schönheit bewundern.

Sie stammte aus einfachen Verhältnissen. Ihre Eltern verdienten den Lebensunterhalt als Artisten am Amphitheater von Byzanz. So war Theodora schon als Kind und Jugendliche den Versuchungen der Großstadt ausgesetzt. Sie wuchs in einer Welt der Gewalttätigkeiten und der erbitterten Kämpfe ums Dasein heran.

Zwielichtiger Star


Das blieb nicht ohne Folgen. Schon mit zwölf Jahren wurde Theodora Schauspielerin. Dieser Beruf galt in damaliger Zeit so viel wie der einer Dirne. Aufgrund ihres Talentes und ihrer Schönheit stieg sie bald zum Star des byzantinischen Theaters auf und führte das Leben einer Kurtisane. Jedoch gab sie diesen Lebenswandel, dessen sie längst überdrüssig geworden war, bei der ersten Gelegenheit auf.

Noch nicht zwanzig Jahre alt, verschwand Theodora plötzlich aus Konstantinopel. Der Grund war ein Liebhaber namens Hekebolos, der zum Statthalter der Provinz Pentapolis in Nordafrika aufstieg. Ihm folgte sie und opferte ihre Bühnenkarriere dafür. Jedoch währte das Glück der beiden nicht lange. Ein heftiger Streit entzweite sie und Hekebolos setzte sie auf die Straße, ohne sich um ihr weiteres Schicksal zu kümmern.

Die große Wende


Völlig mittellos befand sei sich in einem fremden Land. Aber es gelang ihr, sich bis in das 2000 Kilometer entfernte Alexandrien durchzuschlagen. In dieser Stadt veränderte sich ihr Leben total. Alexandrien war nicht nur eine bedeutende Handelsstadt und eine Stätte der Gelehrsamkeit, sondern auch eine Metropole des Christentums. Religiöse Fragen beherrschten weitgehend das öffentliche Leben.

Klöster und Einsiedeleien gab es zuhauf in der Stadt und der sie umgebenden libyschen Wüste, die „Wüste der Heiligen“ genannt wurde. Verschiedene Lehrmeinungen über die Natur Christi, ob er Mensch und Gott zugleich oder eher göttlich gewesen ist, prallten hier aufeinander. Die Auseinandersetzungen wurden so heftig geführt, dass Kirchen zerstört, Klöster verwüstet und Bischöfe und Priester ihres Amtes enthoben wurden.

Als Theodora in Alexandrien eintraf, hatte gerade wieder eine solche Welle der Verfolgung eingesetzt, dass die Stadt von Flüchtlingen überquoll. Timotheus, der Patriarch von Alexandrien, versuchte ihnen so gut es ging zu helfen. Auf irgendeine Weise muss Theodora ihm begegnet sein. Jedenfalls bezeichnete sie ihn ihr Leben lang als ihren „geistigen Vater“, der die Wende in ihrem Leben herbeigeführt und dessen Güte und Anteilnahme sie erfuhr als etwas, was sie nie zuvor erlebt hatte. Unter seinem Einfluss begann sie ein neues, verändertes Leben. Man kann sagen, sie erfuhr ihre Bekehrung. Auch Severus, der geflüchtete Patriarch von Antiochien, wurde zu ihrem geistigen Lehrer. Ihm verdankt sie die Fähigkeit, sich in theologischen Auseinandersetzungen zu behaupten.

Die alles entscheidende Begegnung


Als ein anderer Mensch kehrte Theodora schließlich nach Konstantinopel zurück und führte dort ein Leben in Zurückgezogenheit und Anstand. Nach der Legende soll sie ihren Lebensunterhalt durch Spinnen von Wolle verdient haben. Da begegnet sie dem Mann, dem sie bis zum Ende ihrer Tage verbunden bleiben sollte: Justinian, der Thronerbe des Römischen Reiches. Angeblich soll eine Tänzerin namens Makedoria eine Mittlerrolle gespielt haben.

Der vierzigjährige Justinian führte das Leben eines Gelehrten. Die noch immer schöne und reizvolle Theodora wurde bald seine Geliebte. Es war eine tiefe und beständige Liebe, die die beiden verband. Aber nicht nur ihre Anmut und Schönheit, sondern auch ihre Klugheit und ihr Glaube fesselten ihn. Es gibt keinen Grund daran zu zweifeln, dass auch Theodoras Liebe zu Justinian echt und tief war. Sie stand ihm in jeder Lebenslage zur Seite.

Gewichtige Regentin


Als Justinian beschloss Theodora zu heiraten, leistete die Kaiserin Euphenia heftigen Widerstand. Jedoch starb sie bald darauf, und der Hochzeit stand nichts mehr im Wege. Sie wurde prunkvoll gefeiert, und zu Pfingsten des Jahres 527 fand die Krönung der beiden in der Hagia Sophia statt. Nach byzantinischem Brauch huldigte das Volk der Kaiserin im Hippodrom, wo sie als Kind in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen war. Welch ein Wechsel!

Mit diesem Tag höchsten Triumphes begann ein gänzlich neuer Abschnitt im Leben der Theodora. Eine bewegte Vergangenheit lag hinter ihr. Die Abenteuerin und Kurtisane war zur Kaiserin emporgestiegen. Lieselotte von Eltz-Hoffmann beschreibt diesen Wechsel so: „Sie wäre längst vergessen worden, wenn mit der Thronbesteigung nicht eine andere Theodora ins Licht der Geschichte getreten wäre: eine bedeutende Herrscherin, die einen ebenbürtigen Platz neben Justinian einnahm und eine entscheidende Rolle in der Regierung spielte, eine Frau von überlegenem Geist, seltener Tatkraft und bewundernswertem Mut.“

Unterstützung vom Kaiser


Dies zeigte sich, als in Byzanz eine Revolution ausbrach und das aufgebrachte Volk bereits den Palast stürmte. Justinian und der Kronrat schickten sich an zu fliehen, am Meer standen die Schiffe zur Abfahrt bereit. Da erhob sich Theodora und sprach die später berühmt gewordenen Worte, dass sie lieber den Tod erleiden als fliehen wolle und das auch von ihrem Gemahl und dem Kronrat  erwarte. Da wandelte sich die Verzweiflung der Versammelten in Entschlossenheit. Sie wagten den Kampf und errangen den Sieg. Damit rettete Theodora dem Kaiser Thron und Reich.

Nie vergaß sie die hart verfolgten Christen in Ägypten, die sie einst so freundlich aufgenommen, ihr geholfen, sie getröstet und zum Glauben geführt hatten. Sie betrachtete es als ihre Lebensaufgabe, diesen Christen wieder zu Recht und Ansehen zu verhelfen, dass sie die Lehre, der sie anhingen, unangefochten vertreten konnten. Die Gemeinden und Priester erhielten ihre Kirchen zurück, die Bischöfe ihre Ämter, und die Klöster wurden wieder aufgebaut. Unter Theodoras Schirmherrschaft wurde ihnen sogar erlaubt, in Arabien Missionstätigkeit auszuüben. Wie kaum einer anderen Frau damaliger Zeit war es ihr möglich in kirchlichen Angelegenheiten die Stimme zu erheben und ihren Glauben in die Tat umzusetzen. Sie baute Kirchen, Armenhäuser, Altersheime und Asyle für Obdachlose. Justinian ließ sie nicht nur gewähren, er unterstützte sie darin.

Schluss mit Menschenhandel, her mit der Ehe


Sie kämpfte darum, das Los der Frauen aus den unteren Schichten der Bevölkerung zu verbessern, die der Willkür ihrer Männer ausgesetzt waren. Sie versuchte, dem Mädchenhandel ein Ende zu bereiten, und 535 gab sie ein Edikt heraus, das die Zuhälterei unter Strafe stellte. Am Bosporus baute sie einen Palast in ein Kloster um, das den Namen „Metanoia“ trug, was Umkehr bedeutet. Hier sollten die aus den Bordellen befreiten Mädchen ein Zuhause finden und zugerüstet werden für ein neues Leben. Der Ehe verschaffte sie wieder gebührende Anerkennung, und zum ersten Mal in der Geschichte von Byzanz wurden Söhnen und Töchtern das gleiche Erbrecht zugebilligt. All dies war für ihre Zeit etwas völlig Neues und Ungewöhnliches. Es wäre nicht möglich gewesen, hätte sie nicht in ihrer Jugend am eigenen Leibe erfahren, was es heißt, arm und schutzlos zu sein.

Politisch trug sie zur Versöhnung der beiden theologischen Richtungen bei, von denen eingangs die Rede war. Gerechtigkeit und Toleranz schrieb sie auf ihre Fahnen. Aber sie hatte auch Feinde, denn bei der Wahl ihrer Mittel, ihre Ziele durchzusetzen, war sie nicht zimperlich. So konnte es geschehen, dass sie ihre Gegner in die Verbannung schickte. Aber sie kamen alle mit dem Leben davon - im Gegensatz zu den Gepflogenheiten der meisten Herrscher ihrer Zeit. Zweifellos ist sie eine der bedeutendsten Frauen der Geschichte, die große Achtung verdient aufgrund ihres Mutes, ihrer Treue und Standfestigkeit. Ihr Eintreten für die Schwachen und Entrechteten ist beispielhaft und sollte uns Mut machen, ebenso zu handeln.


Literatur:

  • Lieselotte von Eltz-Hoffmann: Frauen der frühen Kirche 1991
  • Johannes Leipoldt: Die Frau in der Antike und im Urchristentum1962

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Kommentare (1)

Friedlinde B. /

Herzlichen Dank für diese Buchtipps.
Wie schön, das es immer wieder Frauen und Männer gibt, die in guter Weise mit Menschen umgehen, auch an Schaltstellen der Macht und Befugnis. Dankbar für mehr

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