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© Evgeni Matveev / unsplash.com

05.07.2023 / ERF Global Hope / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Jens Kilian

Seitenstraßen der Seidenstraße

Als der Usbeke Timur* Jesus kennenlernt, stellt ihn das vor eine weitreichende Entscheidung.

Timur* hat in seiner Heimat Usbekistan einen guten Job und ein geregeltes Leben. Eines Tages erfährt der Usbeke von Jesus. Das stellt ihn vor eine weitreichende Entscheidung. Jens Kilian war mit Kollegen unterwegs, die für die christliche Medienarbeit unseres Partners TWR in Zentralasien verantwortlich sind, und berichtet von seiner Begegnung mit einem beeindruckenden Mann:

Wir sind im Ferganatal im Osten Usbekistans unterwegs, sozusagen an der alten Seidenstraße: ein Usbeke, ein Kasache, mein russland-deutscher Kollege und ich. Als Mitarbeiter des ERF und im Auftrag unseres internationalen Partners TWR wollen wir einheimische Christen besuchen, von denen es hier nur recht wenige gibt. Streng gläubige Muslime gibt es dagegen sehr viele in diesem Tal.

Es ist Ramadan. Wir warten im Auto vor einem Supermarkt. Am vereinbarten Treffpunkt holt uns ein Mann mit einem Italien-T-Shirt ab. Wir folgen seinem Auto durch die Stadt bis in eine kleine Seitenstraße.

Hier treffen wir Timur, einen Usbeken mit grauen Haaren, dem einen oder anderen Goldzahn und einem freundlichen Lächeln, in seinem Wohnzimmer. Neben dem Fahrer kommt etwas später auch einer der drei Söhne unseres Gastgebers dazu. Vor uns stehen zentralasiatische Süßigkeiten und Obst, als der 58-jährige beginnt, aus seinem Leben zu berichten.

Die Folgen der Nachfolge

Als junger Mann arbeitet Timur in gehobener Stellung in einem Unternehmen, als er durch Mitglieder einer russischen Gemeinde von Jesus hört. Das stellt ihn vor eine große Entscheidung mit weitreichenden Folgen. Christ zu werden, würde alles in seinem Leben verändern, denn einheimische Christen sind in seiner Stadt bis dahin nicht bekannt, höchstens russische, koreanische oder deutsche Christen.

Doch der Usbeke macht keine halben Sachen. Er entschließt sich, mit 27 Jahren seinen Beruf aufzugeben und eine Bibelschule in Kasachstan zu besuchen, um mehr über Jesus und den christlichen Glauben zu erfahren.

Seine Schwiegereltern sind entsetzt und stellen Timur vor die Entscheidung: Jesus oder deine Frau und deine Kinder. Als der Familienvater entschlossen ist, trotz allem Jesus nachzufolgen, holen die Schwiegereltern ihre Tochter und Enkel zu sich.

Der ehemalige Bereichsleiter hat jetzt nicht nur sein Einkommen, sondern auch seine Familie verloren. Er ist finanziell schlecht dran und einsam. Was ihm bleibt, ist der Glaube an Jesus, und so geht er tatsächlich zur Bibelschule.

Nach wenigen Wochen und einem Streit mit ihren Eltern kommen seine Frau und seine Kinder zurück, allerdings ohne einen großen Teil ihres Besitzes. Der Bibelschüler wird zum Pastor und verteilt christliche Literatur, während selbst seine eigenen Geschwister ihn verfolgen. Er betet, dass Gott ihn beschützt und sein Leben bewahrt. Langsam entstehen Hausgemeinden, die jedoch von den offiziellen Kirchen zunächst nicht anerkannt werden.

Der steinige Weg zum Ziel

Es ist ein harter und steiniger Weg, den Timur geht. Vom Staat und der eigenen Familie verfolgt, verarmt und selbst von Glaubensgeschwistern abgelehnt. Doch die Hausgemeinden wachsen und der Pastor bleibt Jesus treu.

15 Jahre später wird Timurs Schwiegervater Christ und seine Schwiegermutter bezeichnete ihn als ihren Lieblings-Schwiegersohn. Die meisten seiner Geschwister beginnen im Laufe der Zeit ebenfalls, an Jesus zu glauben. Selbst die, die ihn zunächst verfolgt haben.

Heute besitzt Timur ein eigenes Haus. Dort treffen sich derzeit wöchentlich 15 bis 30 Christen. Zu größeren Treffen mit anderen Hausgemeinden nutzen sie die Kirche der russischen Baptistengemeinde, von welcher sie längst anerkannt sind.

Der ERF finanziert in Usbekistan eine wöchentliche Radio-Sendereihe namens „Hausgemeinde“ mit ca. 75 Euro pro Sendung. Wenn Sie usbekische Christen und Hausgemeinden unterstützen wollen, freuen wir uns über Ihre Spende. Vielen Dank!

Seit einem Regierungswechsel vor einigen Jahren hat die Verfolgung etwas nachgelassen. Es gibt sogar eingetragene christliche Gemeinden. Doch noch immer werden die Christen durch den usbekischen Staat misstrauisch überwacht. Und gerade in der Woche, in der wir hier unterwegs sind, werden zwei Christen aus einer registrieren Gemeinde während des Gottesdiensts von der Polizei festgenommen und befragt.

Trotzdem will unser usbekischer Freund seinen Glauben nicht verstecken. „Wer mich kennt, soll auch wissen, dass ich Christ bin“ sagt er. Die derzeit wohl schwerwiegendste Verfolgung findet aber nicht durch den Staat, sondern durch Familie und Gesellschaft statt. Insbesondere da, wo Muslime Christen werden.

Wer mich kennt, soll auch wissen, dass ich Christ bin.

Timur, usbekischer Christ

Der verlorene usbekische Sohn

Bild Verlorener Sohn
Foto: Jens Kilian / ERF

In Timurs Wohnzimmer hängt ein Gemälde an der Wand. Es ist unschwer als die Szene zu erkennen, in welcher der verlorene Sohn zum Vater heimkehrt. Vater und Sohn tragen zentralasiatischen Kleidung.

Während wir das usbekische Nationalgericht Plov essen, erzählt Timur mir, wie das Gemälde entstanden ist: Missionare hatten einen einheimischen Künstler beauftragt, biblische Motive zu malen, um ihm so den christlichen Glauben näherzubringen. Dieses Bild hatten sie als Gruß und Ermutigung an Timur gesendet, den sie zwar nicht persönlich kannten, von dem sie aber gehört hatten.

Wir bestaunen das interessante Kunstwerk und der Hausherr betet mit uns. Dabei hat er seine Hand auf meiner Schulter. Diese Begegnung wird mir in Erinnerung bleiben.

Es folgt eine herzliche Verabschiedung und wir wünschen Timur Gottes Segen, auch in seinem Dienst für Jesus, wo er derzeit für sich eine besondere Aufgabe unter älteren Menschen sieht. Denn, so sagt der 58-Jährige: „Wenn ältere Menschen hier reden, hört man ihnen zu, was sie zu sagen haben.“

Verhaltensmuster, die Freude bereiten

Am nächsten Tag besuchen wir eine Seidenmanufaktur und bestaunen, wie diese Stoffe hergestellt und gefärbt werden, um ihrem Eigentümer zu nutzen und ihn zu erfreuen. Schließlich sind wir an der alten Seidenstraße und auf deren Seitenstraßen unterwegs.

Seidentücher in Zentralasien
Copyright: Jens Kilian / ERF

Hier entstehen Stoffe mit sehr unterschiedlichen Mustern. Die einen sind wohl strukturiert, andere eher kreativ und originell. Aber alle sind irgendwie wertvolle Kunstwerke, so wie auch Gott uns Menschen als wertvolle Kunstwerke mit ganz unterschiedlichen Lebensmustern geschaffen hat.

Auch wir Menschen gestalten eigene Muster. Im Laufe der Zeit legen wir uns unterschiedliche Verhaltensmuster zu. Ob wir Gott als unserem Eigentümer wohl auch nützlich sind und ihn erfreuen mit unseren Verhaltensmustern? Es wäre schön.
 

* Name geändert

 Jens Kilian

Jens Kilian

  |  Bilanzbuchhalter

Für den Familienvater Jens Kilian ist Gemeinde von großer Bedeutung. 
Er leitet ehrenamtlich eine Gemeinde und geht gerne in Gemeinden, 
um aus der internationalen Arbeit des ERF zu berichten. Im ERF organisiert 
er eine Gebetsgruppe und liebt in Andachten Wortspiele. Wenn er nicht 
mit Worten spielt, arbeitet er mit Zahlen… als Bilanzbuchhalter.

Ihr Kommentar

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Kommentare (1)

Angelika O. /

Danke für die Neuigkeiten aus Zentralasien!!

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