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© Muhammad Muzamil / unsplash.com

01.06.2021 / Interview / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: Regina König

Ausbeutung, Missbrauch, Gewalt

Warum Weltkindertage not-wendig sind.

 

Kinder in den neuen Bundesländern sind heute klar im Vorteil: von der mecklenburgischen Ostseeküste bis zum Erzgebirge feiern Familien den „Internationalen Kindertag“. Das bedeutet: es gibt Geschenke und die Eltern organisieren vielleicht einen kleinen Ausflug. Aber warum feiern Bayern, Hamburger oder Saarländer nicht diesen besonderen Tag für Kinder?

Das und mehr bespricht ERF-Moderatorin Ute Heuser-Ludwig mit Regina König.

 

ERF:  Regina, du kannst beruhigen - auch in den alten Bundesländern gibt es einen Kindertag.

Regina König: Ja, und damit ist Deutschland wohl das einzige Land der Welt, das zweimal Kindertag feiert. Das hängt mit unserer Geschichte zusammen: der 1. Juni wurde von den sozialistischen Ländern als Kindertag festgelegt, und zwar 1950. Damit bekam die DDR ihren Kindertag. Vier Jahre später riefen die Vereinten Nationen dazu auf, jeder Staat solle einen speziellen Tag für Kinder begehen.

Die Bundesrepublik entschied sich daraufhin für den 20. September. In der DDR wurde der Internationale Kindertag groß gefeiert in Kindergärten, Schulen und in den Familien, in den westlichen Bundesländern wird er allerdings bis heute kaum wahrgenommen. 

Kindertag in Deutschland – gleich zweimal!

ERF: In mehr als 145 Staaten dieser Welt steht ein Kindertag im Kalender, und egal zu welchem Datum er gefeiert wird, alle haben dasselbe Ziel.

Regina König: Sie wollen hin weisen auf die Rechte der Kinder und auf ihre Bedürfnisse. Zu ihren Grundbedürfnissen gehört es natürlich, Zeit mit den Eltern zu verbringen und so finde ich die Tradition im Osten unseres Landes schön, dass am 1. Juni in den Familien vielleicht ein kleiner Ausflug geplant wird oder eine andere gemeinsame Aktion.

Aber darüber hinaus hat der Kindertag noch eine gesellschaftliche Bedeutung: er will auf die Missstände hinweisen, die es weltweit in Sachen Kinderrechten gibt. Und deshalb ist der Tag mehr als nur ein netter Familientag.

Fast jedes 10. Kind auf dieser Welt muss arbeiten!

ERF: Und dabei kommt sofort das Stichwort ´Kinderarbeit´ in den Sinn. Fast jedes zehnte Kind auf dieser Welt wird durch Kinderarbeit seiner Rechte und Chancen beraubt, sagt das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, UNICEF.

Regina König: Und fast die Hälfte der Kinderarbeiter, so UNICEF, arbeiten unter Bedingungen, die gefährlich sind oder ausbeuterisch – zum Beispiel in Goldminen in Burkina Faso oder auf Baumwollfeldern in Indien. Am häufigsten kommt Kinderarbeit in Afrika vor, dann folgt Asien. Insgesamt helfen schätzungsweise 152 Millionen Kinder, ihre Familien zu ernähren.


ERF: Doch auch in Deutschland werden die Rechte der Kinder zu oft mit Füßen getreten, das wurde uns in der vergangenen Woche in bitterer Weise vor Augen geführt: die Polizei stellte die Zahlen kindlicher Gewaltopfer in Deutschland vor.

Regina König: Da geht es zum einen um Kinderpornographie, ein dramatischer Anstieg ist zu verzeichnen von 53 % bei der Verbreitung und Herstellung von Kinderpornografie. Auch Kindesmisshandlungen haben um 10 % zugenommen. Dabei ist das Dunkelfeld um ein Vielfaches größer. Schätzungen gehen davon aus, dass pro Schulklasse 1 bi 2 Kinder sexueller Gewalt ausgesetzt sind oder waren. Eine „massive Personalaufstockung bei Polizei und Justiz“ wurde gefordert.

Zahl der kindlichen Gewaltopfer sprunghaft angestiegen

ERF: Es gibt also noch viel zu tun, bis die Kinder dieser Welt ihre Rechte in Sicherheit und Freiheit leben können. Währenddessen debattiert Deutschland darüber, in welcher Form Kinderrechte in unserer Verfassung verankert werden sollen.

Regina König: Ja, die Regierungsparteien haben sich darauf geeinigt, Kinderrechte im Grundgesetz festzuschreiben. Jetzt gibt es allerdings Streit, denn manchen geht die geplante Änderung nicht weit genug. In der Vorlage zur Verfassungsänderung von CDU und SPD heißt es: ´Das Wohl des Kindes ist angemessen zu berücksichtigen´.

Kritiker wollen das Wohl des Kindes allerdings nicht nur ´angemessen´ berücksichtigt sehen, sondern ´vorrangig´. Die CDU wiederum fürchtet, dass durch die ´vorrangige´ Berücksichtigung Elternrechte eingeschränkt werden könnten. Zudem bemängeln Teile der Opposition und Kinderschutzorganisationen, dass im momentanen Entwurf eine Beteiligungsmöglichkeit für Kinder vollkommen fehlt. Verabschiedet werden soll das Gesetz noch vor der Sommerpause.

Streit um Kinderrechte in der Verfassung

ERF: Ob das klappt, werden wir sehen. Zu kämpfen haben viele Kinder und Eltern jetzt aber erstmal mit den Folgen der Pandemie.

Regina König: Nach einer Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf zeigt fast jedes dritte Kind nach einem Jahr Pandemie psychische Auffälligkeiten. Wir müssen also auf unsere Kinder achten, am besten an 365 Tagen im Jahr – und am Internationalen Kindertag ganz besonders. 


ERF: So machen wir das, Regina, vielen Dank für deine Infos!

 Regina König

Regina König

  |  Redakteurin

Sie ist für ERF Plus in Mitteldeutschland unterwegs mit dem Schwerpunkt Aktuelles/Gesellschaft. Sie ist verheiratet und hat vier erwachsene Kinder.

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