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© Pattloch

16.02.2011 / Interview / Lesezeit: ~ 6 min

Autor/-in: Stefan Kleinknecht

Mono – Die Lust auf Treue

Der TV-Journalist Markus Spieker (ARD) hat ein Buch über die Treue geschrieben - als Single. Wir wollen wissen, warum er für die Treue wirbt.

Markus Spieker ist Fernsehredakteur im ARD-Hauptstadtstudio und Autor des Bestsellers „Mehrwert – Glaube in heftigen Zeiten“. Er ist 1970 geboren, promovierter Historiker und lebt in Berlin. Sein neuestes Buch ist am 14. Februar 2011 erschienen und heißt „Mono – die Lust auf Treue“.   
 

ERF: Sie schreiben ein Buch über die Treue – und das in einer Zeit, in der immer mehr Beziehungen in die Brüche gehen. Warum?

Markus Spieker: Genau deshalb. Ich habe in meinem Bekannten- und Freundeskreis bemerkt, dass die Leute mehr denn je besessen sind, die große Liebe zu finden und eine Partnerschaft, die hält. Gleichzeitig resignieren viele, weil sie bei den Eltern, im Freundeskreis und im Fernsehen mitbekommen, dass Treue schwierig ist oder sie selbst die Erfahrungen gemacht haben, dass Beziehungen nicht halten. Deshalb glaube ich, dass da eine wahnsinnige Sehnsucht und ein Erwartungsdruck da ist, es trotzdem hinzubekommen. Einerseits gibt es viele, die meinen, dass heute eine serielle Monogamie vorherrscht - das sind mehrere aufeinanderfolgende Beziehungen mit jeweils einem Partner, der nach ein paar Jahren wieder wechselt. Anderseits gibt es noch ein paar wenige Leute, die darauf setzen, dass Liebe eine Sache von lebenslanger Dauer ist. Dazu gehöre ich.
 

ERF: Sie selbst sind Single. Warum beschäftigen Sie sich dann trotzdem so intensiv mit diesem Thema?

Markus Spieker (Foto:ARD)

Das habe ich mich auch tausend Mal gefragt. Auslöser für das Buch war der 40. Hochzeitstag meiner Eltern. Ich habe mir überlegt: Warum bekommen die das hin, so lange zusammen zu bleiben? Mich selbst hat das Thema interessiert, weil ich mir die Fragen stelle, mit welchen Bedingungen ich in eine Beziehung eintreten will: Ist alles nur Spielerei und ich schaue, wie es läuft? Sind es nur Affären? Welches Verständnis habe ich selbst von Treue? Glaube ich daran, dass die Beziehung hält? Dazu kommt: Eine Recherche für ein solches Buch ist sehr mühevoll. Ich habe wahnsinnig viel gelesen, bin viel dafür gereist. Das kostet viel Kraft. Trotzdem hatte ich total Lust, mich mit diesem spannenden Thema zu beschäftigen: Wie finde ich eine Liebe, die dauerhaft hält.
 

ERF: Wie haben Ihre Freunde und Bekannte reagiert, als sie gesagt haben: Ich schreibe ein Buch über Monogamie und Treue?

Alle fanden es interessant und spannend. Aber es kam dann auch genau der Ansatz: Du bist selbst nicht liiert, du bist nicht qualifiziert. Aber es ist ja so: Ich schreibe das Buch nicht als Ratgeber, als Therapie-Guide. Es ist eine Recherche, ich habe mit vielen Experten geredet, mich richtig intensiv mit dem Thema auseinander gesetzt und mir die Mühe gemacht, die Fakten zusammenzutragen. Wenn ich das den Leuten sage, dann finden sie das schon wieder ganz interessant. Und ich will jetzt nicht großspurig klingen, aber ich glaube ein solches Buch gibt es echt noch nicht, in dem in über 250 Seiten dieses Thema von allen Seiten durgeackert wird – psychologisch, soziologisch und theologisch.
 

ERF: Was haben Sie bei den Recherchen herausgefunden: Woran liegt es, dass Scheidungen, Affären und Seitensprüngen immer mehr zunehmen?

Der Trend der Menschen geht schon seit den letzten 500 Jahren in Richtung Vereinzelung und Emanzipation von Regeln, Familien, Gruppen und Dorfgemeinschaften. Am Anfang stand der Stamm, das Land, die Nation, die Familie. Alles war sehr festgezurrt und es gab Regeln, damit keiner aus diesem System ausbricht. Bei Verstoß gab es Sanktionen bis hin zur Todesstrafe. Der Trend hat sich jedoch umgekehrt in Richtung Singularisierung. Es wird belohnt, wer flexibel und mobil ist. Wir werden trainiert zu schauen: Ist das, was ich gerade habe, auch das Beste? Bin ich glücklich in der Situation? Das führt dann automatisch dazu, dass Beziehungen, die von außen nicht durch Regeln stabilisiert sind, auseinander gehen. Es scheint, als sei der Doofe der, der länger dran festhält, während der andere schon weg ist.
 

ERF: Sie wollen mit Ihrem Buch – entgegen dem Trend – Lust auf Treue machen. Was spricht in der heutigen Zeit für Treue?

Die Sehnsucht, dass man in einer Beziehung sich ganz fallen lassen kann, ganz man selbst sein möchte. Das kann man aber nur, wenn man dem anderen vertrauen kann, dass er auch übermorgen, und überhaupt immer, noch da ist. Und dass die Dauer der Beziehung nicht davon abhängt, wie gut man selbst agiert und wie viel Spaß das macht. Wenn nicht von vornehinein ein Versprechen gegeben wird – also das Eheversprechen –, dann investiert jeder gar nicht so viel in eine Beziehung. Außerdem spricht für die Treue, dass alle, die eine lange Zeit verheiratet sind, sagen: Es ist das Tollste, was es gibt. Der Sex ist besser als am Anfang, das Vertrauen ist noch größer, nach Jahrzehnten kennen wir uns erst richtig. Es wäre unverantwortlich gewesen, das früher abzubrechen. Außerdem ist mir keiner begegnet, der für die Untreue war. Und wie oft sehe ich junge Leute, die alten Menschen nachschauen, wenn sie Händchen haltend durch die Gegend laufen. Sie sind neidisch und finden das ganz toll.
 

ERF: Was sind Ihre Ratschläge, damit lebenslange Treue möglich wird?

Der zentrale Ratschlag ist, dass man sich auch wirklich auf den einen Partner festlegt. Das klingt von mir als Single wie ein billiger Ratschlag. Aber ich glaube das wirklich so. Zudem hängt vieles auch davon ab, in welchem Umfeld ich mich befinde. Wenn ich lauter Freunde habe, die selbst fremdgehen und Treue kein Thema ist, färbt das ab. Wenn ich mir permanent Filme reinziehe, in denen es um Affären und Betrug geht, wie „Desperate Housewives“ oder „Sex in the City“, dann färbt das auf mich ab. Die Leute unterschätzen den Einfluss der Umgebung auf sie. Deshalb schlage ich vor, sich ein Umfeld zu suchen, das einigermaßen stabil und liebevoll ist, wo Treue gelebt wird. Das ist ziemlich banal, aber da ist viel dran.
 

ERF: Glauben Sie daran, daran, dass es echte Liebe und Treue gibt?

Echte Liebe – das ist schwer zu definieren. Aber unzweifelhaft gibt es die erfolgreiche und glücklich lange Partnerschaft. Interessant ist: Gerade da hängt sehr viel von der ersten Zeit der Beziehung ab. Passt man wirklich zusammen oder ist das nur in Ungeduld oder im Überschwang der Gefühle entstanden? Ist es nur ein gegenseitiges Ausnutzen, ein reines „Spaß haben“? Geht es schon nach dem ersten oder zweiten Date ins Bett? Oder schaffe ich es, dass die Beziehung vom Start weg organisch wächst, Vertrauen da ist, man wirklich auf den anderen eingeht, sich im geschützten Rahmen bewegt. Da kann jeder schon am Anfang wichtige Weichen stellen.
 

ERF: Wenn jemand Ihr Buch gelesen hat, hat er dann das perfekte Rezept für die ewige Treue gefunden?

Nein, natürlich nicht. Ich hab das Buch selbst geschrieben und was Liebe angeht bin jetzt Weltmeister in der Theorie  - und bin trotzdem Single. Ich glaube - und deshalb bin ich auch Christ -, dass vieles im Leben von jemand anderem bestimmt wird. Ich kann nicht alles kontrollieren, auch nicht alle Fehler vermeiden. Es gehört zur Lebensschule dazu, dass ich auch mal gedemütigt werde. Selbst wenn ich jetzt das kompakte Wissen habe, kann es trotzdem sein, dass Dinge nicht so klappen, wie ich sie gerne hätte. Da kann ich als Christ nur Gottes Hilfe anrufen und sagen: Ich bin klein und schwach, aber ich vertraue auf dich, Gott. Allerdings kann es natürlich trotzdem helfen, wenn ich vorher viel über das Thema weiß, ein paar Dynamiken abschätzen kann, und ungefähr weiß, was der Treue gefährlich werden kann. Ich hoffe, das Buch findet viele Leser und das Thema Treue bekommt jetzt wieder richtig Konjunktur.
 

ERF: Vielen Dank für das Gespräch!

Ihr Kommentar

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Kommentare (4)

Eckhard K. /

In den Serien , die sich viel mit gecheiterten Existenzen befassen sind die Helden oft geschieden. Aber glücklich sind die Protagonisten oft nicht. Der Mensch kann die Härten des Alltags besser mehr

Tabea /

Lieber Markus, danke für dieses tolle Buch!!! Wenn ich so schön nach dieser Theorie (!!!) gelebt hätte, dann... (wäre ALLES besser und in Ordnung...:):):) - ich wünsche Dir jedenfalls wirklich viele mehr

K. Bollmann /

Die Ehe!
Das Verliebtsein ist von ziemlich kurzer Dauer. Wer nicht treu sein kann, sollte auch nicht heiraten.
Eine Ehe funktioniert, wenn die "Agape-Liebe" gelebt wird.
Die Ehe ist ein mehr

Regina /

Überrascht bin ich eigentlich nicht, die tiefste Sehnsucht ist ja ein Gegenüber, dem ich vertrauen kann und gerne treu bleibe. Ich wünsche viele verkaufte Bücher und noch mehr, dass es einen neuen Trend gibt, der "Treue" heißt.
Ich empfehle auch das Buch "Melodie meines Lebens" von Karen Kingsbury

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