/ Bibel heute
In Schmach, Schande und Scham (2)
Der Bibeltext Psalm 69,17-37 – ausgelegt von Johanna Kunz.
Erhöre mich, HERR, denn deine Güte ist tröstlich; wende dich zu mir nach deiner großen Barmherzigkeit und verbirg dein Angesicht nicht vor deinem Knecht, denn mir ist angst; erhöre mich eilends. Nahe dich meiner Seele und erlöse sie, erlöse mich um meiner Feinde willen.[...]
David droht zu versinken! So fühlt es sich für ihn jedenfalls an. Ihm wird der Boden unter den Füßen weggerissen. Da ist nichts, das ihn hält. Wo auch immer er ist: Er wird verspottet. Was auch immer ihm andere Menschen geben: es schadet ihm. Er ist ganz allein. Nicht einmal seine Brüder kennen ihn noch. Alle gegen David!
Er ruft. Er weint. Er klagt. Er fleht. Doch ist da niemand, der ihn hört. Niemand, der auf seiner Seite ist. Niemand, der ihn tröstet.
David liebt Gott von ganzem Herzen. Er liebt ihn leidenschaftlich. Und diese Liebe zu Gott ist der Grund für den Spott der Menschen. Gegen Gott kommen sie nicht an. Aber David, den können sie treffen. Den können sie verspotten. Ihm gegenüber können sie sich überlegen fühlen. David trifft die ganze Wucht des Hasses, der eigentlich gegen Gott gerichtet ist.
Und Gott? Was tut er in der Situation? Zeigt er seine Macht, indem er Davids Feinden entgegentritt? Es wäre ein Leichtes für Gott, das zu tun. Doch stattdessen handelt Gott auf andere Weise.
Im ersten Teil von Psalm 69 klagt David über sein Leid. Doch dann ändert sich sein Gebet. David wendet sich nicht mehr an Gott, um zu klagen. David wendet sich an Gott, um seine Nähe zu erleben. Er möchte von Gott gesehen werden. Statt weiterhin auf seine Verfolger zu schauen, schaut David auf Gott. Statt auf die spöttischen Worte und das hämische Lachen seiner Feinde zu hören, möchte er nun die Stimme von Gott hören. Die Blicke und Worte seiner Feinde wollen ihn vernichten. Doch Gottes Blick und seine Worte richten ihn auf und schenken ihm Trost. Gott schenkt David Trost.
David wird sich bewusst, dass Gott nicht nur ihn sieht. Nicht nur sein Leid. Sondern, dass Gott auch Davids Feinde sieht. Dass der Spott gegen David eigentlich gegen Gott gerichtet ist. Gott entgeht kein einziger ihrer Gedanken. Keine Tat gegen David bleibt ungesehen. Darin liegt die Hoffnung, die David von Gott bekommt. Gott sieht. David und seine Feinde. Davids Liebe und den Spott der Menschen. Wenn David sich in diesem Gebet an Gott richtet, dann richtet er sich an einen gnädigen Tröster, aber auch an einen gerechten Richter. An einen Richter, der jede Tat sieht und der für Gerechtigkeit sorgen wird. Das ist nicht Davids Aufgabe. Das ist die Aufgabe Gottes.
David überlässt sie Gott. Er rächt sich nicht. Er klagt und er sucht Trost. Es ist Gottes Aufgabe für Gerechtigkeit zu sorgen und Davids Aufgabe Gottes Nähe zu suchen.
Und in dieser Nähe bei Gott passiert etwas. Es passiert etwas im Verborgenen. Im Innern. In Davids Herz. In Gottes Nähe verändert es sich. Davids Gebet ändert sich erneut. Obwohl seine Situation noch immer die gleiche ist, bekommt David Zuversicht. Er bekommt die Gewissheit, dass die Schande, der Spott, die Ausgrenzung und der Hass nicht das ist, was bleibt. Sondern das Gottes Hilfe David schützen wird. Gott wird triumphieren. David bricht in Lob und Jubel aus. Als Hörer des Gebets spüre ich diese Veränderung förmlich. Und ich sehe es im Geist vor mir: Zuerst ein gebeugter David. Sein Gesicht von Schmerzen und Tränen geplagt. Klagend, flehend, rufend. Und dann ein aufgerichteter David. Strahlend, jubelnd, dankend. Nach oben schauend. Zu Gott. Obwohl sich seine Situation nicht ändert, ändert Gott für David alles.
Gott handelt. In Davids Herz.
Doch David ist nicht der Einzige, der ohne Grund gehasst wird. Im neuen Testament nimmt Jesus Christus Bezug auf diesen Psalm. David erkennt in diesem Psalm an, dass er selbst auch immer wieder versagt. Aber Jesus war und ist schuldlos. Ebenso wie David trifft ihn der Hass der Menschen. Gott schützt David. Jesus schützt Gott nicht. David sucht Gottes Nähe und findet sie. Jesus sucht Gottes Nähe am Kreuz und er findet sie nicht. David kann sich darauf verlassen, dass Gott über seine Feinde richtet. Jesus trägt die gerechte Strafe der ganzen Welt mit seinem Tod am Kreuz. David wird von Gottes Hilfe erhöht. Jesus wird am dritten Tag von den Toten auferweckt und an Himmelfahrt erhöht.
David ruft dem Leser am Ende des Psalms zu: „Ihr alle, die ihr Gottes Nähe sucht, fasst neuen Mut.“ Jesus sagt im neuen Testament, im Matthäusevangelium: „Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid. Ich will euch erquicken.“ Jesus Christus ist Gott, der uns zu sich einlädt. Und der gleichzeitig Verlassenheit, Leid, Schmerz und Hass kennt. David weiß, dass Gott über sein Leid triumphieren wird. Jesus Christus hat durch seine Auferstehung selbst über den Tod triumphiert.
Zu Beginn des Psalms droht David innerlich zu ertrinken. All das, was er für seine Liebe zu Gott erträgt, scheint ihn zu überrollen. Doch durch sein Gebet schaut David zu Gott. Und dieser Blick zu Gott verändert sein Herz.
Ich erlebe auch immer wieder Momente, in denen mich meine Gefühle zu überrollen drohen. In denen alles Dunkel scheint. In denen ich ganz allein bin. Alle gegen mich. So fühlt es sich dann an. In diesen Situationen ist es für mich schwer, meinen Blick von meinen Feinden abzuwenden und zu Gott zu schauen. Es ist schwer, nicht auf verletzende Worte zu hören, sondern auf Gottes Worte. In diesen Momenten bin ich dankbar für Psalmen wie diesen. Wenn mein Herz keine eigenen Worte findet, kann ich mir Davids Worte leihen, um meinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Und kann mir sicher sein, dass nicht nur David Dunkelheit kennt. Sondern dass Gott selbst, in Jesus Christus, Dunkelheit erlebt hat. Aber das er auch triumphiert hat. Jesus lädt mich ein, zu ihm zu kommen. Mühselig und beladen. Bei Jesus kann ich jubeln wie David: „Ihr alle, die ihr Gottes Nähe sucht, fasst neuen Mut.“
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