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/ Wort zum Tag

Hoffnung heißt durch's Astloch linsen

Jürgen Werth über Hebräer 6,11

Wir begehren, dass jeder von euch denselben Eifer beweise, die Hoffnung festzuhalten bis ans Ende.

Hebräer 6,11

Man hatte ihn ins Gefängnis gesteckt, weil er den Machthabern allzu unbequem geworden war. Gefährlich gar. Ein Staatsfeind. Da saß er nun. Zwei lange Jahre. Erst im Untersuchungsgefängnis und schließlich im Konzentrationslager: Dietrich Bonhoeffer.

Als man ihn kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs hinrichtete, auf persönlichen Befehl Hitlers, ging er aufrecht zu seinem Henker und sagte: „Das ist das Ende. Für mich der Beginn des Lebens.“

Der Autor des Hebräerbriefes wäre wohl zufrieden gewesen mit ihm. „Wir begehren, dass jeder von euch denselben Eifer beweise, die Hoffnung festzuhalten bis ans Ende“, schrieb er. Dieser Satz möchte uns durch den Tag begleiten.

Ein provozierend kühner Satz ist das, finde ich. „Wir begehren“. Etwas freundlicher klingt es in der Einheitsbibel: „Wir wünschen uns“.

Festhalten an der Hoffnung daran, dass Gott da ist. Dass seine Liebe stärker ist als aller Hass. Dass er ans Ziel kommt. Dass am Ende der Welt der Himmel wartet. Auch wenn die Schmerzen Tag für Tag schlimmer werden. Oder wenn, wie vor fast 75 Jahren bei Dietrich Bonhoeffer, die Hinrichtung droht.

Was ist das überhaupt, Hoffnung? In der neuen Ausgabe der Zeitschrift „Aufatmen“ erklärt das der Theologe Wolfgang Bittner mit einem eindrucksvollen Bild aus seiner Kindheit.

In der Stadt, in der er aufgewachsen ist, gab es einen Platz, der von einem Bretterzaun umgeben war. Der war immer verschlossen. Doch ein oder zweimal im Jahr zog hier ein Zirkus ein. Oder der Rummel. Bunte Wagen zogen hinein - dann wurde das Tor wieder zugesperrt. Doch drinnen war Leben. Alle wussten es. Alle hörten es. Da wurde gehämmert und gebohrt und gesprochen und gerufen. Das konnte man von außen hören. Und alle wussten: Da wird der Zirkus aufgebaut. Oder der Rummel. Und bald können wir hinein. Und wir werden staunen! Manche größeren Kinder versuchten durch eine Ritze zwischen den Brettern oder durch ein Astloch schon mal einen Blick auf das geheimnisvolle Geschehen zu werfen. Was sie gesehen hatten, erzählten sie begeistert den aufgeregt staunenden Kleinen. Alle waren in Hochspannung: Da kommt was. Ganz bestimmt.

Wolfgang Bittner sagt: Das ist die Hoffnung, von der die Bibel spricht. Nicht ein unsicheres Fürmöglichhalten, sondern ein sicheres Wissen: Da kommt was!

Mit dieser Hoffnung ist Dietrich Bonhoeffer in den Tod gegangen: „Das ist das Ende. Für mich der Beginn des Lebens.“ Mit dieser Hoffnung möchte ich leben und sterben. Ich sehe noch nicht. Aber ich vertraue denen, die schon etwas gesehen haben. Und ich höre und lese Worte der Hoffnung. Gesammelt in dem großen Hoffnungsbuch, der Bibel.

Und auf einmal klingt der Satz aus dem Hebräerbrief gar nicht mehr so provozierend kühn:

„Wir begehren, dass jeder von euch denselben Eifer beweise, die Hoffnung festzuhalten bis ans Ende.“ Der das aufgeschrieben hat, hat wohl auch schon durch ein Astloch im Bretterzaun gelinst.

 

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Kommentare (2)

dagobertr /

Die Stimme macht Zuhören schön!
Die Worte macht Mitdenken an !
Der Sinn macht Herzlebendig !

Hans-Heinrich K. /

Lieber Herr Werth,
haben Sie vielen Dank für Ihre Auslegung von Hebräer 6,11. Eine eindrucksvolle Betrachtung aus ernsten und märchenhaften, jedenfalls hoffnungsvollen Gedanken.
Und dann noch Ihre angenehme Stimme dazu!