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/ Wort zum Tag

Der ersehnte Morgen

Lothar Leese über Psalm 130,6.

Meine Seele wartet auf den Herrn mehr als die Wächter auf den Morgen.

Psalm 130,6

Vor vielen Jahren habe ich einmal während einer Zeltmission eine Nachtwache gehalten. Aus versicherungstechnischen Gründen müssen so ein Zelt und das Inventar bewacht werden. Zum Glück waren wir zu zweit und trotzdem zog sich diese Nacht sehr lange hin. Die ersten Stunden waren damals für uns als junge Leute kein Problem. Aber dann kam die Müdigkeit und die Zeit schien stehenzubleiben. Wir haben den Morgen herbeigesehnt. Langsam wurde es hell und endlich war die Nacht vorbei und der neue Tag brach an. In Psalm 130, 6 drückt der Beter sein Warten auf Gottes Hilfe mit dem Bild der Nachtwache aus: „Meine Seele wartet auf den Herrn mehr als die Wächter auf den Morgen“. Die Umschreibung „mehr als die Wächter auf den Morgen“ wird in dem Psalm sogar noch einmal wiederholt und damit unterstrichen, wie sehnsuchtsvoll der Beter auf den Herrn wartet.

Die Nachtwächter waren früher dafür zuständig, für die Sicherheit der Stadt zu sorgen und z.B. bei Feuer Alarm zu schlagen. Auch im Kriegsfall gab es Nachtwächter. Sie sollten das Heer warnen, wenn feindliche Truppen angreifen wollten. Diese Aufgabe war gefährlich und gleichzeitig teilweise sehr langatmig. Da kann einem so eine Nacht extrem lang vorkommen.

Der Beter, der diesen Psalm geschrieben hat, befindet sich in einer Situation, die ihm wie eine nicht enden wollende Nacht vorkommt. Er weiß aus eigener Erfahrung, dass es nicht  nur Höhen im Leben gibt, sondern auch Tiefen. Und in dieser Tiefe spricht er nicht irgendein Gebet, er schreit zu Gott und wartet auf sein Eingreifen.

Vielleicht kennen Sie das auch in Ihrem Leben.  Z. B. Schmerzen  oder auch Schuld und Versagen, die Ihnen buchstäblich schlaflose Nächte bereiten. Sie warten auf Veränderung der belastenden Situation. Sie wälzen sich von einer Seite auf die andere. Die Dunkelheit der Nacht verstärkt noch die trüben Gedanken. Da liegt man wach und sehnt den Tag herbei und ist froh, wenn man durch die Ritzen der Rollläden das Licht des Morgens erahnt.

Der Morgen ist auch ein Bild für den Neubeginn. Der Morgen mit der aufgehenden Sonne bildet den Kontrast zur Nacht mit ihrer Dunkelheit. Das Bild vom Wächter ist hier sehr hilfreich. Dieser weiß ja ganz gewiss, dass der Morgen kommt, aber kann nichts dazu tun, dass er schneller kommt. So wie die Wächter nicht enttäuscht werden, weil Gott die Sonne wieder aufgehen lässt, so ist auch der Psalmbeter zuversichtlich. Gott wird sich ihm wieder zuwenden und ihn früher oder später aus seiner tiefen Not erretten.

Diese Erfahrung können alle Menschen machen, die wie der Beter damals aus der Tiefe ihres Lebens zu Gott rufen. Auch wir können heute mit unseren Sünden, mit unsren kleinen und großen Sorgen, Ängsten und Nöten, die uns den Schlaf rauben, mit Gott reden. Die Schrecken der Nacht verlieren im Morgengrauen des anbrechenden Tages ihre Bedrohlichkeit. So dürfen auch wir immer wieder neu mit der Barmherzigkeit Gottes rechnen,  (Klagelieder 3,23) „sie ist alle Morgen neu und seine Treue ist groß“. Wie es in den Klageliedern heißt.

Der evangelische Pfarrer Johannes Zwick aus Konstanz und Mitherausgeber des ersten reformierten Gesangbuches hat es in seinem Morgenlied bereits 1541 auf den Punkt gebracht:

„All Morgen ist ganz frisch und neu des Herren Gnad und große Treu,

sie hat kein End den langen Tag, drauf jeder sich verlassen mag.“

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