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Bitten statt fragen

Jutta Schierholz über Psalm 6,5

Wende dich, HERR, und errette mich, hilf mir um deiner Güte willen!

Psalm 6,5

Ich habe es eben nachgezählt: zum sechsten Mal bittet David in diesem Psalm schon, dass Gott doch endlich, endlich eingreift. Dass sich Gott endlich ihm zuwendet und sein Gesicht zeigt, dass er ihm hilft, dass er ihn heilt, dass er aufhört, ihn zu strafen. David appelliert an alle möglichen Eigenschaften Gottes, zum Beispiel seine Güte und seine Allmacht, von denen Gott doch selbst sagt, dass er sie hat. David klagt über sein eigenes Elend, seine Müdigkeit, seine Schwäche, seine Traurigkeit. Gott scheint nicht da zu sein. Er scheint gerade woanders beschäftigt zu sein, scheint keine Zeit zu haben für David und seine Probleme. Gott scheint sich abgewendet zu haben.

Eine schauderhafte Erfahrung. Ich leide, und Gott scheint nicht da zu sein. Ich brauche Gott so dringend, und er hat sich offenbar abgewendet und schaut mich gar nicht an.

Das kann ich aus eigener Erfahrung ein Stück weit nachvollziehen. Doch eine Sache fällt mir auf: Wenn ich mich in diese Lage hineindenke, dann fallen mir auf Anhieb eine ganze Menge Fragen ein: Wo ist Gott, wenn ich ihn brauche? Warum antwortet er nicht? Warum wendet er sich ab, wenn ich so offensichtlich Not leide? Warum zeigt er nichts von seinen (Reizwort!) wunderbaren Eigenschaften? Warum lässt er mich so hängen?

Lauter Fragen, und die meisten beginnen mit „Warum“. Und alle, alle, bleiben unbeantwortet. Die Warum-Frage nach dem Leid wird in der Bibel tatsächlich nicht in allen Schattierungen (Leid in Folge von Ungehorsam schon u.a.) beantwortet. Und wenn ich im Nachdenken darüber diesen Psalm 6 lese, fällt mir auf: David stellt diese Frage in diesem Psalm gar nicht. Er stellt überhaupt keine Frage. Keine einzige von denen, die sich mir aufdrängen. David stellt keine Fragen, David spricht Bitten aus. Er sagt nicht: „Gott, warum lässt du mich so hängen?“, sondern er sagt: „Gott, ich weiß, dass du gütig bist, also bitte rette mich.“ Und das tut David so lange, bis Gott ihn schließlich doch erhört. In diesem Psalm geschieht dies vier Verse weiter, dort spricht David davon, dass Gott sein Weinen schließlich gehört hat.

Ist es also falsch, Gott solche Warum-Fragen zu stellen? Ich denke nicht. Ich denke, wir dürfen und wir sollen Gott alle Fragen stellen, die wir an ihn haben. Aber wir sollten dabei wohl damit rechnen, dass sie nicht beantwortet werden. Was ich hier aber als klare Aufforderung erkenne, ist die Art und Weise, wie David mit Gott spricht: Er bittet, er fleht, er ringt mit Gott. Denn er hängt an Gott. Er kennt Gott gut und weiß, was er von ihm erwarten darf. Und er lässt nicht locker dabei, Gott an seine Zusagen zu erinnern, dass er seinen Kindern helfen wird. David ist konkret in großer Not, als er das schreibt, und es geht ihm wirklich schlecht. Aber ich bewundere seine Haltung, nicht aufzugeben, nicht Gott in Frage zu stellen, sondern ihn einfach so lange mit Bitten zu löchern, bis Gott tatsächlich wieder seine Macht erweist.

So soll ich also beten. Dieser Psalm steht in der Bibel als ein Muster dafür, wie auch ich zu Gott beten soll. Ich darf und soll Gott an seine Zusagen erinnern und ihn unaufhörlich bitten, bis ich erlebe, dass Gott eingreift. Das ist eine Haltung, die ich gerne einüben möchte.

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