/ Bibel heute
Zurechtweisung und Gebet in der Gemeinde
Hartmuth Wahnung über Matthäus 18,15–20.

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Matthäus 18
Hört er nicht auf dich, so nimm noch einen oder zwei zu dir, damit jede Sache durch zweier oder dreier Zeugen Mund bestätigt werde. [...] (Mt 18,15-20; LUT)
bibleserver.comJesus ist mit seinen Jüngern auf dem Weg nach Jerusalem. Er hat ihnen seinen bevorstehenden Tod angekündigt. Angesichts seines Gangs ins Leiden lehrt er sie über die Grundlagen ihres gemeinschaftlichen Lebens. Die Jünger sollen seinem Vorbild folgen. Jesus sucht nicht irdischen Glanz, sondern nimmt den Weg ans Kreuz auf sich und stirbt für das Heil der Menschen zur Vergebung der Sünden. Daran sollen sich die Jünger ein Beispiel nehmen.
Ausgelöst wird Jesu Rede dadurch, dass die Jünger darüber streiten, wer wohl der Größte von ihnen im Himmelreich sein wird. „Die haben Sorgen“, mag sich Jesus angesichts seines Weges nach Jerusalem gedacht haben. Er antwortet darauf, indem er seinen auf Ruhm und Sonderplätze bedachten Jüngern einen Grundsatz einschärft: Wer sich selbst erniedrigt, der ist im Himmelreich der Größte. Wer also nicht für sich selbst lebt, wie Jesus nicht für sich selbst gelebt hat. Er spricht von einem guten Hirten, der einem verirrten Schaf nachgeht, es sucht, damit es nicht verloren geht. Entsprechend gehört zum Dienst der Christen, dass sie sich über einen Bruder oder eine Schwester, die vom Weg mit Jesus abgekommen ist, nicht das Maul zerreißen, sondern ihnen wie ein guter Hirte nachgehen. Sie suchen das Gespräch; weil Gott nicht will, dass „einer dieser Geringen“ verlorengeht. In unserem Text werden drei Stufen skizziert:
- erst ein Gespräch unter vier Augen,
- dann ein oder zwei vertrauenswürdige Personen zur Unterstützung hinzuziehen,
- erst dann das Forum der Gemeinde.
Diese drei Stufen sollen illustrieren, dass die Suche des Verirrten nicht mit einem kurzen Gespräch erledigt sein kann. Wenn es nötig wird, ist es eine Aufgabe, die einen längeren Atem erfordert.
Wir stoßen uns vielleicht an dem Verb, das bei Matthäus steht: zurechtweisen. Wir würden eher von einem seelsorgerlichen Gespräch reden. „Zurechtweisen“ klingt für uns so „von oben herab“. Nach einem, der zu wissen meint, wie man sich richtig verhält und einem anderen, der vermeintlich vom Pfad der Tugend abgekommen ist und dem der erste nun die Leviten liest.
Was Jesus mit diesem Wort aber aufnimmt, ist das alttestamentliche Liebesgebot (3. Mose 18,17f): „Du sollst deinen Bruder nicht hassen in deinem Herzen, sondern du sollst deinen Nächsten zurechtweisen, damit du nicht seinetwegen Schuld auf dich lädst. Du sollst dich nicht rächen gegen die Kinder deines Volks. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst; ich bin der Herr.“ Versuche ihn wieder auf einen guten Weg zu leiten. Das ist Ausdruck der Liebe.
Wie kann das in der ersten christlichen Gemeinde konkret ausgesehen haben? Vielleicht so: Der Kleinhändler Aaron scheint einen guten Lauf zu haben. Früher hatte er nie mehr als das, was gerade zum Überleben reicht. Aber nun scheint er sich aufzuschwingen, zunehmend verfügt er über mehr als auskömmliche Einnahmen. Vielleicht auch deshalb sitzt er seit kurzem im Kirchengemeinderat. Sein Nachbar Joschua hatte bei der Wahl das Nachsehen.
Da findet Joschua, als er bei Aaron kauft, heraus, warum dieser beruflich zuletzt so erfolgreich war. Maße und Gewichte stimmen nicht. Na, wenn das nichts ist, um den Spieß in der Gemeinde umzudrehen. Er müsste jetzt nur Aarons Treiben öffenlichkeitswirksam bloßstellen. Aber Joschua folgt Jesu Weisung. Er sucht das Gespräch mit Aaron – unter vier Augen. Der aber leugnet zunächst. Ob aus Dreistigkeit oder Scham ist nicht zu ergründen. Wie dem auch sei. Joschua will nicht, dass Aaron weiter ins Kriminelle abdriftet. Er denkt an Jesu Worte und startet einen weiteren Anlauf. Also weiht er Mirjam ein. Sie ist absolut vertrauenswürdig. Und sie kann gut argumentieren und überzeugen. So unternehmen sie einen neuen Versuch. Gemeinsam schaffen sie es, Aaron zu überzeugen, dass es nicht darum geht, ihn jetzt fertig zu machen – er muss nicht weiter leugnen. Sie zeigen ihm: Selbst wenn die ganze Welt voll von Lug und Betrug wäre, berechtigt das nicht dazu, dass man auf unehrlichem Weg seinen eigenen Vorteil sucht. Das ist nicht Gottes Wille. Als Christen stehen wir für eine andere Welt, die davon lebt, dass Gott uns im Blick hat und versorgt.
Joschua und Mirjam sind verschwiegen. Die anderen aus der Gemeinde erfahren nichts. Natürlich auch nicht, dass die Spende neulich von Aaron stammte, denn sie geschah im Verborgenen. So kommt nun das, was Aaron zu Unrecht eingenommen hat, den Armen zugute.
In der Gemeinde, der Aaron, Joschua und Mirjam angehören, wurde überhaupt nur einmal die Gemeinschaft als Ganze einbezogen, als es ein Problem gab. In diesem Fall waren alle vorherigen Bemühungen vergeblich. Ein gewisser Cornelius, gerade erst zur Gemeinde gestoßen, weigerte sich, sich an eine Regel zu halten, die von allen anderen Gemeindegliedern als unbedingt verpflichtend angesehen wurde. Warum sollte er als freier Mann nicht das Recht haben, mit seiner Sklavin zu verkehren? Das stand ihm doch zu. Was kümmerte sich die Gemeinde um diese „Privatsache“? Die Gemeinde widersprach: Das ist Ehebruch. Zudem kann man eine Sklavin nicht als Sache behandeln, über die man nach Belieben verfügt. Damit drangen sie bei Cornelius nicht durch und beschlossen, ihn vor die Tür zu setzen. Hier war nichts zu machen, jedenfalls nicht durch gutes Zureden. Nach dem Wort Jesu war die Gemeinde in diesem Fall nicht befugt, ihm die Vergebung der Sünden wirksam zuzusprechen.
„Was ihr auf Erden binden werdet, soll auch im Himmel gebunden sein, und was ihr auf Erden lösen werdet, soll auch im Himmel gelöst sein.“ Etwas „lösen“ steht hier für „vergeben“. „Binden“ für ein „Behalten der Sünde“. Was im jeweiligen Fall richtig ist, stellt die Gemeinde geleitet durch Gottes Geist und in der Beschäftigung mit Gottes Wort fest.
Aber es gibt noch eine weitere Möglichkeit. Das Bemühen um den anderen ist auch dann noch nicht als erfolglos abzuhaken, wenn selbst die ganze Gemeinde in ihrer Anstrengung gescheitert ist. Denn auch jetzt bleibt immer noch das Gebet. Die Fürbitte.
Darum geht es in den letzten Versen des Abschnittes: „Wahrlich, ich sage euch auch: Wenn zwei unter euch eins werden auf Erden, worum sie bitten wollen, so soll es ihnen widerfahren von meinem Vater im Himmel. Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen“ (Mt. 18,19f). Die Gemeinde darf darauf vertrauen, dass Gott ihre Fürbitte hört, denn Jesus ist in ihrer Mitte. Das gilt auch Ihnen in Ihrer Gemeinschaft vor Ort, ob Sie im Gottesdienst, dem Hauskreis oder privat versammelt sind – Sie haben die Zusage, dass Jesus mitten unter Ihnen ist, um seine heilvolle Gegenwart zu schenken und Gottes Heilswillen zum Antrieb unseres Lebens zu machen.
Warum können und sollen wir in der Gemeinde so miteinander leben? Weil es das Fundament unseres Glaubens ist, dass Gott für uns alles Gute nicht nur gewollt, sondern in Jesus getan hat; dass mir in Jesus meine Sünden vergeben sind, weil Gott mich barmherzig ansieht – und mir damit zugleich die Möglichkeit schenkt, auch die Menschen um mich herum im Lichte des Heilswillens Gottes zu sehen. Kein leichter, aber ein heilvoller Weg. Der Weg eines guten Hirten eben.
Ihr Kommentar
Kommentare (1)
Herzlichen Dank für Ihre Auslegung. Die Gemeindebeispiele sind sehr bildhaft.
Gottes Segen für Ihren Dienst
Herzlichst