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/ Bibel heute

Die zehn Aussätzigen

Der Bibeltext Lukas 17,11-19 – ausgelegt von Jörg Schulze.

Und es begab sich, als er nach Jerusalem wanderte, dass er durch das Gebiet zwischen Samarien und Galiläa zog. Und als er in ein Dorf kam, begegneten ihm zehn aussätzige Männer; die standen von ferne und erhoben ihre Stimme und sprachen: Jesus, lieber Meister, erbarme dich unser![...]

Lukas 17,11–19

Es war schon ein alltägliches Ritual. Immer, wenn wir Kinder ein Geschenk oder eine Hilfe bekamen, sollten wir dies bewusst annehmen. „Und was sagt man?“ - „Danke!“ Denn: „Nichts ist selbstverständlich“. Wahrscheinlich kennen auch Sie ähnliche Rituale.

Um mehr als ein Ritual geht es in der heutigen Bibellese. Von der Heilung der zehn Aussätzigen berichtet nur das Lukasevangelium. In den anderen Evangelien finden wir diese Erzählung nicht. Sie ist eine Wundergeschichte. Für Lukas geht es bei den Wundern Jesu nicht nur um Jesus. Vielmehr sind dies Zeichen für das Reich Gottes. So werden wir in der Zukunft mit Gott leben: Ohne Leid, Schmerzen und Klage. So soll es uns in der Gegenwart mit Gott gut gehen: Durch Wohlstand, Gesundheit und Gerechtigkeit.

Nach Lukas kennt Gottes Liebe keine Grenzen. Grenzen im wörtlichen, aber auch im übertragenen Sinne. Jesus ist für alle Menschen da, die der Hilfe oder Rettung bedürfen. Ohne Unterschied. Einerlei, wer sie sind. Egal, welche Last sie drückt. Jesus ist ein Freund der Benachteiligten und Ausgestoßenen. Er kümmert sich um Arme, Kranke und Frauen. Er isst mit Zöllnern und Sündern. Jesus Christus ist der Erlöser der Juden, Samariter und Heiden. Auch in den heutigen Versen lesen wir von Menschen am Rande der Gesellschaft, von Heilung und – von Dankbarkeit.

Jesus ist auf dem Weg nach Jerusalem. Auf dem Weg zu Passion und Auferweckung. Im Grenzgebiet zwischen Samaria und Galiläa begegnet er am Rande eines Dorfes zehn Männern. Sie leiden an Aussatz oder Lepra. Schlimmer kann es für sie nicht mehr kommen. Zur Zeit Jesu ist Lepra unheilbar und ansteckend. Wenn einer daran erkrankt, ist er zu Lebzeiten zum Tode verurteilt. Vor dem körperlichen Sterben erlebt er auch ein soziales Sterben durch Isolation. Denn die Gesunden fürchten sich vor der Krankheit, vor Ansteckung und vor dem Erkrankten. Darum wird der Aussätzige ausgegrenzt vom öffentlichen Leben. Auch am Gottesdienst darf er nicht teilnehmen. Trennung scheint der einzige sichere Schutz zu sein. So leben die Aussätzigen wie in einem Ghetto. Alleingelassen sogar von Familien und Freunden. Ohne Hilfe und Berührungen, ohne Wärme und Geborgenheit.

Gott sei Dank ist heute auch für Aussätzige Heilung möglich. Nicht zuletzt durch das Wirken der deutschen Ärztin und katholischen Ordensfrau Ruth Pfau in Karatschi, in Pakistan. Bis zu ihrem Tod, 2017, widmete sie ihr Leben ganz der Arbeit mit Leprakranken. Sie ermöglichte jenen ein Leben in Würde. Dank ihres Einsatzes wurden aus Kranken Geheilte und aus Aussätzigen Menschen in der Mitte der Gesellschaft.

Wie ganz anders war dies zur Zeit Jesu! Damals fühlten sich Leprakranke nicht nur von den Menschen verlassen. Auch Gott schien für sie ganz weit weg. Krankheiten, und vor allem solche wie Aussatz, galten als Strafe Gottes für Sünden. Eine scheinbar ausweglose Situation. Und genau in dieser Not greift Gott in das Leben jener zehn Aussätzigen ein. Sie haben von Jesus und seinem Kommen gehört. Wenn ihnen überhaupt jemals einer helfen kann, dann er. Darauf vertrauen sie.

Nach den Reinheitsgesetzen jener Zeit dürfen Aussätzige sich anderen Menschen nicht nähern. Also bleiben die Zehn in der vorgeschriebenen Entfernung von mindestens fünfzig Metern, als Jesus ihnen näherkommt. Über diesen Abstand hinaus schreien sie ihm ihre ganze Not entgegen: „Jesus lieber Meister, erbarme dich unser!“ Und er erbarmt sich ihres Elends. Er baut eine Beziehung auf zu den Menschen in der Isolation. Er berührt die Kranken zwar nicht. Er heilt sie auch nicht unmittelbar. Aber Jesus zeigt ihnen persönliches Interesse und Aufmerksamkeit. Er schaut sie an. Er sieht ihren Glauben. In dieser Zuwendung liegen Liebe und Verstehen, Kraft und Ermutigung. Und so bestärkt schickt er sie zu den Priestern in Jerusalem. Denn nur jene entschieden über rein und unrein. Sie diagnostizierten Aussatz. Sie stellten Heilung fest. So wie heute Amtsärzte im Gesundheitsamt.

Die Zehn vertrauten dem Wort Jesu. Sie tun, was Jesus ihnen aufgetragen hat. So machen sie sich auf den Weg nach Jerusalem mit der Hoffnung auf Veränderung. Welch eine Symbolik liegt in diesem Auftrag Jesu! Schon unterwegs spüren sie ihre Heilung. Wir erfahren nicht, wie sie geheilt werden. Aber, die Begegnung mit Jesus hat sie und ihr Leben verändert. Wie? – Nun, das erfahren wir nur von einem der Zehn. Er gehört nicht einmal zum Volk Gottes. Er ist ein Samariter, also ein Fremder. Aber er reagiert umgehend, als er wahrnimmt, was ihm widerfahren ist. Er hält inne, geht zurück, wendet sich Jesus zu und dankt und lobt Gott „mit Herzen, Mund und Händen“. Von den anderen neun lesen wir nur, was sie nicht tun: Nämlich, Gott danken, loben und ehren.

Für den Samariter war die Begegnung mit Jesus der wichtigste Augenblick seines Lebens. Für ihn ist noch mehr geschehen als die Heilung von dieser tödlichen Krankheit. Er hat Gott gefunden. Und Gott gibt seinem Leben Zukunft im Angesicht des Todes. Mit allem und mit allen kann er neu beginnen. Der Samariter hat erkannt, welche Kraft hinter dem Glauben an Gottes Liebe stecken kann. „Nichts ist unmöglich für den, der glaubt". Und für dieses Geschenk des Glaubens, für dieses so wertvolle Lebensmittel, sagt er Jesus „Danke!“ Und Jesus? – Jesus unterstützt den dankbaren Samariter und was in und mit ihm geschieht. Er ermutigt ihn, nicht bei dem Erreichten stehenzubleiben, sondern seinen Lebensweg getrost und unverzagt weiterzugehen. Jesus bestärkt Glauben und Dankbarkeit des Samariters mit einer ganz persönlichen Sendung. „Steh auf! Was gewesen ist, ist vorbei. Mache dich auf in Gottes Zukunft für dich. Dein Glaube hat dir geholfen.“

Auch heute kann der Glaube an Gott uns in schwierigen Lebenssituationen helfen. Wo wir wie jene Zehn den Weg zu Jesus finden, lässt Gott unser Rufen und Bitten nicht ohne Antwort und Hilfe. Und wo wir wie der Samariter Gott danken, loben und ehren, können auch wir mit Jesu Zuspruch immer wieder neu beginnen. „Steh auf und geh! Dein Glaube hat dir geholfen.“

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