/ Bibel heute
Der Prophet schaut die Herrlichkeit des Herrn (2)
Der Bibeltext Hesekiel 1,22-28 – ausgelegt von Gisela Wichern.
Aber über den Häuptern der Wesen war es wie eine Himmelsfeste, wie ein Kristall, unheimlich anzusehen, oben über ihren Häuptern ausgespannt, dass unter der Feste ihre Flügel gerade ausgestreckt waren, einer an dem andern; und mit zwei Flügeln bedeckten sie ihren Leib. Und ich hörte ihre Flügel rauschen wie große Wasser, wie die Stimme des Allmächtigen, wenn sie gingen, ein Getöse wie in einem Heerlager. Wenn sie aber stillstanden, ließen sie die Flügel herabhängen,[...]
Eintauchen in Farbe. Grün, Gelb, Blau und Rot. Die Räume des Kunstmuseums wirken auf mich wie ein riesiger Tuschkasten. Ausgestellt sind Bilder des Architekten und Malers Friedensreich Hundertwasser. Farbintensiv, die Malweise ungewöhnlich, Figuren und Gesichter teilweise verstörend: so empfinde ich seine Werke. Seine Linien haben hier und da eine hypnotische Wirkung auf mich. Und er spart nicht an Gold und Silber. Ein echter Blickfang.
Lassen sich anhand der Bilder, Rückschlüsse auf die Natur des Malers ziehen … auf sein Wesen … seine Persönlichkeit? Und welche Absicht steckt hinter seinen Bildern? Was will er durch sie vermitteln? Er fühlt sich der Natur sehr verbunden … greift immer wieder Themen auf, die die Verbundenheit von Mensch und Natur behandeln. Gleichzeitig will er die Betrachter seiner Bilder dazu anregen, ihr Umfeld aktiv zu gestalten.
In der Ausstellung werden nicht nur Bilder gezeigt. Auch Gedanken und Fragen, die den Künstler bewegten, sind gut lesbar, als wichtiger Bestandteil, neben den Bildern zu sehen.
Ein kurzer Text hat mich besonders angesprochen. Da heißt es: Beim Malen war Hundertwasser so versunken, dass er sich darin verlor. Darunter steht die Frage, „Was begeistert dich so sehr, dass Du alles um dich herum vergisst?“
Genau diese Frage stelle ich Hesekiel. Hesekiel, ein Jude, ein Priester, der eigentlich im Tempel in Jerusalem seinen Dienst tun sollte. Er war wie so viele andere als Gefangener nach Babylon gekommen. Wie kann ich es da wagen, nach Begeisterung und Selbstvergessenheit zu fragen?
Aber Hesekiel hat einiges zu erzählen. Er beschreibt eine Vision. Gott nimmt Hesekiel hinein in die himmlische Wirklichkeit. Und die ist kaum zu beschreiben. Was er sieht und hört, vergleicht er mit Bildern und Geräuschen unserer Welt. Es war wie … ,es sah aus wie …, es hörte sich an wie, … mit diesen Worten fordert Hesekiel meine Vorstellungskraft heraus.
Er sieht vier ungewöhnliche Gestalten und über ihnen eine Kuppel wie ein Kristall.
Er hört ein Rauschen, wie große Wasser, wie die Stimme des Allmächtigen … ein Getöse, wie in einem Heerlager.
Hesekiel versucht den Thron zu beschreiben und schließlich Gott selbst als einen, der aussieht wie ein Mensch. Und Feuer und Glanz ringsumher … wie ein Regenbogen, so ist die Herrlichkeit des Herrn anzusehen.
Hesekiel fällt zu Boden. Er fällt auf sein Angesicht. Er ist überwältigt von so viel Schönheit und Erhabenheit. Aber vor allem geht es um die Anwesenheit Gottes selbst. Sie ist der absolute Höhepunkt dieser Vision. Was begeistert dich so sehr, dass du alles um dich herum vergisst? Diese Frage hat Hesekiel mehr als ausreichend beantwortet.
Meine Phantasie reicht nicht aus, um mir die überwältigende Herrlichkeit Gottes vorzustellen, die Hesekiel gesehen hat. Ich habe nur eine vage Ahnung von Gottes Präsenz in dieser Vision, aber allein schon diese Ahnung löst bei mir Staunen und Ehrfurcht aus.
Ich versuche mir Hesekiels Vision so vorzustellen: ich stehe wieder in den Räumen des Kunstmuseums … tauche ein in Farbe: Grün, Gelb, Blau und Rot. Diesmal zeigen die Kunstwerke geometrische Formen, glänzend, wie Kristalle. Auf einigen sind sehr ungewöhnliche Gestalten zu sehen, teilweise verstörend.
Im nächsten Raum der Ausstellung: eine mehrteilige Bilderserie zum Thema „Feuer und Glanz“ Die Bilder wirken lebendig und energiegeladen. Sie lassen mich erschauern. Während ich mir das alles ansehe, frage ich mich: lassen sich Rückschlüsse ziehen auf den Schöpfer dieser Bilder … auf sein Wesen, seine Natur, seinen Charakter?
Im letzten Raum der Kunstausstellung hängt es: das größte Bild von allen. Es ist atemberaubend. Der Untergrund in tiefem, strahlenden Saphirblau. Darauf abgebildet: eine menschliche Gestalt, wie aus Feuer. Sie geht über in Regenbogenfarben. Ich kann mich nicht sattsehen, kann mich nicht lösen von diesem Anblick …, verliere mich selbst darin …, vergesse alles um mich herum … Stelle auch keine Fragen mehr. Denke auch gar nicht mehr an Worte. So erschließt sich mir die Vision. Hesekiel fällt zu Boden. So gewaltig ist die Erfahrung von Gottes Gegenwart.
Gott ist gegenwärtig. Lasset uns anbeten und in Ehrfurcht vor ihn treten.
Gott ist in der Mitte. Alles in uns schweige und sich innigst vor ihm beuge.
Wer ihn kennt, wer ihn nennt, schlag die Augen nieder; kommt, ergebt euch wieder.
Der Liederdichter Gerhard Tersteegen hat ebenfalls Gottes Nähe erlebt. Daraus ist dieses Lied entstanden. Ein Lied, das uns die Gegenwart Gottes bewusst macht. Es lädt uns dazu ein, selbst eine Erfahrung in dieser Gottesnähe zu machen.
Herr, komm in mir wohnen, lass mein‘ Geist auf Erden dir ein Heiligtum noch werden;
komm, du nahes Wesen, dich in mir verkläre, dass ich dich stets lieb und ehre.
Wo ich geh, sitz und steh, lass mich dich erblicken und vor dir mich bücken.
Hesekiels Vision hilft mir zu erahnen, in wessen Gegenwart ich mich hier befinde. Wie wird sich diese Erfahrung der Gegenwart Gottes in meinem Leben auswirken? Wird sie mich zuversichtlicher machen? Mutiger? Geduldiger? Was werde ich antworten, wenn mich jemand fragt: Was begeistert dich so sehr, dass du alles um dich herum vergisst?
► Mehr Infos zum Buch Hesekiel:
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