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„Ich habe Gnadenlosigkeit erfahren.“

Ehemaliger sächsischer Landesbischof Carsten Rentzing äußerst sich erstmals zu Rücktritt.

Zum ersten Mal seit seinem Rücktritt als sächsischer Landesbischof, der formal zum 31.10.2019 wirksam wurde, äußerte sich Carsten Rentzing heute vor der Synode der evangelisch-lutherischen Landeskirche Sachsens. Mitte Oktober waren Texte öffentlich geworden, die Rentzing vor 30 Jahren als Student verfasst hatte. Die sächsische Kirchenleitung stufte diese Texte als „in Teilen nationalistisch und antidemokratisch“ ein. Rentzing bot daraufhin seinen Rücktritt an, auch wenn er sich, wie er heute sagte, bereits seit 25 Jahren von diesen Texten distanziere.
 

Schwere Vorwürfe

In seiner 23-minütigen Rede erhob Rentzing schwere Vorwürfe. Er habe „Gnadenlosigkeit erfahren“. „Man“ habe schon länger „etwas gegen ihn gesucht“. Gleichzeitig betonte Rentzing, der auch in zwei Passagen die Reaktionen seiner Töchter zitierte, sei sein Rücktritt „freiwillig erfolgt“. Er sei „von niemandem dazu gedrängt worden“. Auch betonte Rentzing, dass seine Wahl zum Landesbischof nicht, wie von seinen Kritikern behauptet, durch seine eigene Stimme zustande gekommen sei. Er selbst habe für seinen Mitbewerber gestimmt, weil er diesen für einen geeigneten Kandidaten gehalten habe.

Andreas Odrich sprach mit Regina König, die die Rede vor Ort erlebt hat, und die darüber berichtet, dass anhand der Reaktionen eine tiefe Spaltung in der sächsischen Landessynode erkennbar gewesen sei.


Kommentar von Regina König zu Rentzings Rede:

Sein Abschied war kämpferisch. Gnadenlos sei mit ihm umgegangen worden, sagt der scheidende Landesbischof. Der eigenen Kirchenleitung wirft er vor, nicht sorgfältig genug seine Schriften aus der Studentenzeit beurteilt zu haben und wirbt um Verständnis dafür, dass er als junger Mann, aufgewachsen im geteilten Berlin, „in einen nationalen Überschwang“ geraten sei. Er habe nicht wissen können, dass „man schon seit langem auf der Suche nach einem Angelhaken“ in seinem Leben gewesen sei – ein Satz, mit dem er Gerüchte bestätigt, er sei durch eine Kampagne zu Fall gekommen. Seinen Gegnern bescheinigt er „politische Agitation …mit verderblicher Wirkung“, die die Gemeinschaft der Kirche zerstöre. Er spricht von seiner Familie, die sehr gelitten habe in den vergangenen Wochen und zitiert seine Töchter, die von „Rufmord und Verleumdung“ sprechen. Aus all dem spricht tiefe Verletztheit, die menschlich vollkommen nachvollziehbar ist. Zur Befriedung der innerkirchlichen Flügelkämpfe wird seine Rede jedoch nicht beitragen. Carsten Rentzing hat ausgeholt und ausgeteilt, er hat den Versuch unternommen, zwar nicht seine frühen Schriften, aber seinen Umgang mit ihnen zu rechtfertigen. Damit hat er seine Befürworter bestätigt, aber keinen seiner Kritiker gewonnen. Die Kirchenleitung lehnt jede Kommentierung der Rede ab und erweckt so den Eindruck, einen Schlussstrich unter die „causa Rentzing“ ziehen zu wollen. Doch in den Gemeinden wird es weiter brodeln. Er gehe nicht im Zorn, sondern im Frieden, betont der Landesbischof i. R. – und so hinterlassen ehemaliger Bischof und Kirchenleitung eine Kirche, die jetzt erst recht um ihren Frieden ringen muss.

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Kommentare (1)

Ralf /

Wenn schon in alten Biografien gestöbert wird, dann sagt Carsten Rentzing zurecht, dass er keinem afrikanischen Diktator oder Polpot gehuldigt habe, wie jetzt ein amtierender Ministerpräsident, mehr