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Auf das hören, was Gott zu sagen hat

Wie sich der Buß- und Bettag sinnvoll gestalten lässt und wo er herkommt.

Der Buß- und Bettag war ursprünglich eine Erfindung der Politiker des 17. Und 18. Jahrhunderts und hatte mehr die politischen Verhältnisse im Blick als die persönliche Buße und Umkehr eines Menschen zu Gott. In Deutschland war er bis 1996 gesetzlicher Feiertag, bis er der Pflegeversicherung geopfert wurde. Kein Wunder, dass die meisten Menschen bis heute mit diesem Feiertag wenig anfangen können. ERF Medien hat darüber mit dem Leiter der Redaktion Theologie, Wolf-Dieter Kretschmer, und Michael Klein von der Aktuell-Redaktion gesprochen.
 

ERF: Wolf-Dieter Kretschmer, was bedeutet denn eigentlich der Begriff Buße?

Wolf-Dieter Kretschmer: Ich sage erst einmal, was er nicht bedeutet. Das kennen wir vom Autofahren: Bußgeld. Der Begriff ist falsch. Bußgeld müsste eigentlich Strafgeld heißen. Ich habe falsch geparkt oder war zu schnell unterwegs und bin erwischt worden. Jetzt zahle ich die Strafe für mein Fehlverhalten. Buße hingegen will Strafe vermeiden.
 

ERF: Heißt Buße also, dass ich mich aus Angst vor Strafe in Sack und Asche kleide, wie viele Menschen glauben?

Wolf-Dieter Kretschmer: Nein. Buße tun heißt: Ich höre auf das, was Gott über mein Leben zu sagen hat. Ich schaue hin, bin ehrlich, bekenne meine Verfehlungen und nehme mir vor, künftig anders zu leben.  
 

ERF: Wie kann ich das denn praktisch gestalten?

Wolf-Dieter Kretschmer: Ich habe ein kleines Fünfpunkteprogramm entwickelt, mit dem ich mein eigenes Leben vor Gott auf den Prüfstand stellen kann:

1. hinhören

2. ehrlich hinschauen

3. offen vor Gott bekennen

4. seine Vergebung durch Jesus Christus annehmen

5. einen Neustart wagen
 

ERF: Michael Klein, wie kam es dazu, dass der Buß- und Bettag ein staatlicher Feiertag wurde?

Michael Klein: In den Wirren des 30jährigen Krieges, als Deutschland konfessionell zerstritten war, sind fürchterliche Grausamkeiten  passiert. Die protestantischen Fürsten waren sich durchaus bewusst, dass sie zur Verteidigung des wahren Glaubens Dinge tun mussten, die mit der christlichen Ethik nicht vereinbar sind. Sie wussten, dass sie Sünder sind und sahen die Aufgabe der Kirche darin, vor Gott Fürbitte und Abbitte zu leisten.
 

ERF: Wie haben sie denn das Abhalten von Bußtagen gerechtfertigt?

Michael Klein: Sie beriefen sich auf den biblischen Bericht über den Propheten Jona. Gott schickt ihn nach Ninive mit der Botschaft: entweder die Menschen dort, vor allem die politischen Eliten, bekennen ihre Schuld, oder das Strafgericht Gottes bricht über die Stadt herein. Der Ausgang ist bekannt: Sogar der König kleidete sich in Sack und Asche und Ninive blieb verschont.
 

ERF: Wie wurde denn der Bußtag zum staatlichen Feiertag?

Michael Klein: Im ausgehenden 18. Jh. riefen viele protestantische Landesfürsten in Kriegs- und Notzeiten solche Bußtage aus – entweder aus konkreten Anlässen heraus oder zu einem festen Termin. 1878 gab es dann eine Bestandsaufnahme in den 28 selbständigen Territorien des deutschen Reiches – man zählte insgesamt 47 verschiedene Bußtage zu unterschiedlichen Terminen. Die Eisenacher Konferenz der ev. Kirchenleitungen, quasi die Großmutter der heutigen EKD, schlug damals vor, diese Tage einheitlich auf den Mittwoch vor dem Ewigkeitssonntag zu legen. 1893 wurde das in Preußen per Gesetz so eingeführt. Und – man höre und staune – erst 1934, also schon in der Nazidiktatur, reichseinheitlich geregelt. Und sogar in der DDR wurde dieser Feiertag bis 1966 offiziell begangen.
 

ERF: Wie kam es zur Abschaffung 1996?

Michael Klein: In den 90er Jahren wurde nachgedacht, wie man die Pflegekosten für Alte und Schwerkranke aus der Sozialkasse finanzieren könne. Man verfiel auf eine einfach klingende Idee: Wenn alle einen Tag im Jahr zusätzlich arbeiten, wäre das finanziert. Das erwies sich zwar als gewaltiger Irrtum, aber gemacht wurde es trotzdem. Und die evangelische Kirche bot sich an, auf den Bußtag zu verzichten. Nur die Sachsen machten nicht mit. Die sächsischen Arbeitnehmer müssen seither höhere Beiträge in die Pflegeversicherung zahlen. Und inzwischen gibt es sogar im katholisch geprägten Bayern Initiativen, die den Feiertag zurückwollen. Denn für die Finanzierung der Pflegeversicherung ist er längst irrelevant geworden. Und einen Vorteil hat dies Diskussion: In den kirchlichen Kreisen, die den Tag damals geopfert haben, wird jetzt wieder intensiver über seinen Sinn nachgedacht und geredet.
 

ERF: Vielen Dank für das Gespräch.
 

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