03.12.2025 / Anstoß - Gedanken zum Tag
Nachlese
Wenn ihr aber die Ernte eures Landes einbringt, sollt ihr nicht alles bis an die Ecken des Feldes abschneiden, auch nicht Nachlese halten, sondern sollt es den Armen und Fremdlingen lassen. Ich bin der HERR, euer Gott.
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Ernte im Dezember? Da fällt mir nur der Eiswein ein, der braucht schließlich knackigen Frost. Alles andere im Garten und auf den Feldern ist doch bereits durch. Bis auf Grünkohl, Feldsalat und Rosenkohl. Also: die aktuelle Jahreszeit und das Thema Ernte passen nicht wirklich zusammen.
Trotzdem sehe ich mich heute mit einem Bibelwort konfrontiert, in dem es zumindest oberflächlich betrachtet ums Ernten geht. Was lese ich da im 3. Buch Mose Kapitel 23: „Wenn ihr erntet, sollt ihr euer Feld nicht bis an den Rand abernten und keine Nachlese halten. Lasst etwas übrig für die Armen und die Fremden bei euch. Ich bin der Herr, euer Gott!“
Genau genommen ist das ein Stück Sozialgesetzgebung – etwa 3.200 Jahre alt. Eine Anweisung von ganz oben – und das entscheidende Stichwort ist Teilhabe. Schon klar: die Leute, die das Land bearbeitet, Geld und Zeit investiert haben, wollen Ertrag sehen. Und das sollen sie auch. Aber für die Habenichtse soll genug übrigbleiben. Die wollen und sollen ja auch leben. Wie die Einzelnen in Armut geraten sind, aus welchen Gründen die einzelnen Fremden ins Land gekommen sind, das steht nicht zur Debatte – aber auch sie verdienen ein würdiges Dasein. Sagt wer? Der Gott Israels, der mit dem unaussprechlichen Namen – weshalb er respektvoll als das HERR bezeichnet wird.
Wie beurteilt dieser Gott, dieser HERR wohl den Neokapitalismus der Gegenwart? Was hält er wohl von den vergifteten Debatten übers Bürgergeld und über die Rückführung von Kriegsflüchtlingen? Man kann ihn fragen. Auf die Gefahr hin, dass er wie damals antwortet: „Lasst genug übrig für die Armen und die Fremden unter euch.“