01.12.2025 / Bibel heute

Gott ruft zur Umkehr

Im achten Monat des zweiten Jahrs des Königs Darius geschah das Wort des HERRN zu Sacharja, dem Sohn Berechjas, des Sohnes Iddos, dem Propheten: Der HERR ist über eure Väter zornig gewesen, sehr zornig! Aber sprich zu ihnen: So spricht der HERR Zebaoth: Kehrt um zu mir, spricht der HERR Zebaoth, so will ich zu euch umkehren, spricht der HERR Zebaoth.[...]

Sacharja 1,1–6

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Dieses Prophetenwort des Sacharja versetzt uns in die Epoche des aus dem babylonischen Exil zurückgekehrten Rest-Volkes von Juda. Es steht unter großem Schock: Nichts in der alten Heimstätte ist gut. Jerusalem und der Tempel sind nach der Katastrophe der Zerstörung, gut 70 Jahren vorher, noch lange nicht wieder aufgebaut. Gnädig hat Gott selber seinem Volk Wege aus der Wüste zurück in die Heimat gebahnt. Wann und wie aber greift er angesichts des schleppenden Neuanfangs richtig ein? Zudem: das Trauma der Fremde Babylon ist noch nicht aufgearbeitet. Und Juda hat keinen König; daher orientiert sich Sacharja am Zeitkalender des Heidenkönigs Darius.

Denken wir an vergangene Jahrzehnte bei uns: Nur erahnen kann ich, wie es Millionen Menschen erging, die wegen der Kriegsfolgen im 20. Jahrhundert ihre Heimat verlassen mussten. Gar spät fand unser Land den Mut, die übergroße Schuld von Nazi-Deutschland einzugestehen. Das war umso schwieriger, weil viele ausbaden mussten, was andere verbrochen hatten. Und dann die heutige Diskussion bei uns: Viele Entwurzelte, vielfach Geschädigte flohen. Sie ahnen, wie gering ihre Chancen auf Rückkehr in die Heimat sind. Ihr Land ist besetzt, zerstört, – oder es erwartet sie Gefängnis oder Tod. Wer Haus, Hab und Gut, ja Verwandte verloren hat, kann diese Traumata schwer verarbeiten. Auch unter uns gibt es Menschen – vielleicht haben sie selber solches erfahren – denen das Vertraute entzogen wurde. Getrennt vom und von Liebsten ging das Wertvollste verloren. Manche mussten ganz von vorne anfangen, aus eigener Kraft. Da mag einen die Frage umtreiben: Hat uns Gott verlassen; wo haben wir gesündigt?

Im alten Israel waren viele Unheils-Propheten aufgetreten, die die Schuld des Volkes beim Namen genannt hatten. Aber die Vorfahren hatten die Warnungen nicht ernst genommen und starben darüber. Nach all den Widerfahrnissen gestanden es sich nur wenige ein: Gott selber hatte eingegriffen, gestraft. Wann wird das irre gegangene Volk zur Einsicht und Umkehr kommen? Auf uns übertragen sollen wir aber nicht versuchen, Negatives zuerst über die Schuldfrage zu verstehen. Solch ein Grübeln kann uns mehrfach verletzen oder sogar krank machen.

In jedem Fall dürfen Menschen, die unter die Räder kamen, mit den Rückkehrern Israels in den Hilfe-Ruf einstimmen, wie er am Ende des Jesaja-Buches an Gott gerichtet wird: „Ach wenn Du nur den Himmel zerrissest …!“ Hier erspüren wir überdeutlich die Not des hin und her gerissenen Volkes. Diese große Hilfe ersehnen auch wir von Gott. „Wohin sonst sollten wir denn gehen?“ So hatten es die Jünger einmal Jesus gegenüber bekannt.

Der Prophet schreibt klar und dringlich: Bleibt nicht bei euren unruhigen Fragen stehen. Als Kenner der Geschichte und gottesfürchtiger Mann spielt er die vergangene Katastrophe nicht herunter. Ein weiser Spruch sagt: Wer aus seinen Fehlern nichts gelernt hat, den werden diese einholen!

Sacharja wühlt nicht im Sumpf der Geschichte, wenn er beklagt, wie wenig die Heimkehrer aus ihr gelernt haben. Seine Botschaft ist positiv: Weil über allem Gott wacht, hört er nicht auf, zu seinen Menschen zu sprechen. Es gibt Hoffnung. Daher richtet er die Blicke in die Zukunft: Gott wird gewiss eingreifen. Genauso wie er eine Umkehr der Seinen erwartet. Kommt der Prophet schließlich mit Moral-Appellen daher? Nein. Das ganze Buch hindurch enthüllt er Visionen, die Gott ihm geschenkt hat: Der will vor allem wieder herstellen, echten Neuanfang schenken. Dies unterstreicht Sacharja: Wiederholt nicht die Fehler der Vorfahren, wendet Euch Gott zu, folgt seinem Willen.

Wie beschreibt das Alte Testament einen Gerechten? Da heißt es einmal: Als solch einen, der, wenngleich er sieben Mal pro Tag gefallen ist, immer neu aufsteht. Gott lässt niemand im Chaos stehen, stößt keinen ins Trostlose. Zum Vergleich lohnt es sich, die letzten Kapitel des Jesaja-Buches genau zu lesen. Sie triefen von wunderbaren Verheißungen, um Verzweifelte aufzurichten. Wo Gott wirkt, auch wenn er richtet, geht es nicht in erster Linie um Vernichtung, sondern um eine Wende. Das ersehen wir schließlich im Wirken Jesu. Ich lerne daraus für mich persönlich und empfehle dies Ihnen: Angesichts persönlicher Herausforderungen, gerade wenn Widriges schwer zu deuten ist, sollen wir nicht auf Krisen fixiert sein. Gott will nicht verunsichern, sondern schenkt Hilfen für unser Leben, damit wir seinen Zusagen vertrauen.

Wer sich für sein Wort öffnet, seinen Willen sucht, der findet Trost und Orientierung. Wie sagte Jesus denen, die ihn aufsuchten? „Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will Euch erquicken“. Wo wir uns von Jesus entfernt haben, ruft er uns voller Liebe zurück. Wer ihn sucht, den wird er nicht übersehen. Er ist nahe – und diese Einsicht ändert unsere Einstellung, ja, gibt Frieden und Hoffnung. All das ist nicht zeitlos richtig, sondern gilt uns immer ganz persönlich. Sacharja lädt ein, Schritte auf Gott zuzumachen, so wie er uns in Jesus verlässlich entgegenkommen ist. Ja, er nimmt uns an die Hand, damit wir den Weg finden, ohne auf kritischen Etappen aufzugeben. Im Jakobus-Brief heißt es: „Nahe dich Gott, und er wird sich dir nahen“. Er verheißt, uns unterwegs zu begegnen, wenn wir uns zu ihm wenden. Diese Beziehung mit Gott hat kein Ablaufdatum – so wie seine Liebe ohne Ende ist.

Es geht also um ein Zweifaches: Die Einsicht, wie sie der letzte Vers unseres heutigen Textes ausspricht: „Wie der Herr Zebaoth vorhatte, uns zu tun nach unsern Wegen und Taten, so hat er uns auch getan.“ Aber nun auch das andere, Wunderbare. Gerade die Propheten im und nach dem Exil kündigen an, dass es nicht so bleiben wird, wie es war und ist. Gott erwartet nicht nur Umkehr, er führt auch zu einem guten Ziel. Statt: „Ende gut alles gut“ bekennen wir Christen: Gott steht nicht ferne und schaut einfach zu. Er ist den ganzen, weitgehend unbekannten Weg bis dahin mit uns gegangen, damit wir ihn achten, fürchten, ehren, lieben – und ihm vertrauen.

Autor/-in: Pfarrer Dr. Traugott Farnbacher