19.10.2025 / Bibel heute

Der Weg des Frommen, der Weg des Frevlers

Wohl dem, der nicht wandelt im Rat der Gottlosen* / noch tritt auf den Weg der Sünder noch sitzt, wo die Spötter sitzen, sondern hat Lust am Gesetz des HERRN und sinnt über seinem Gesetz Tag und Nacht! Der ist wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen, / der seine Frucht bringt zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken nicht. Und was er macht, das gerät wohl.

Psalm 1

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Sechs kurze Verse - so beginnt das erste Kapitel der Psalmen. Mir kam spontan der Gedanke: Das ist wie ein Prolog in einem Buch, also ein Vorwort. Psalm 1 ist eine Einleitung, die uns einstimmen soll auf das, was die restlichen 149 Psalmen erzählen. Er ist den vielen persönlichen Gebeten und Dialogen, in denen Menschen mit Gott um ihr Seelenleben ringen, vorangestellt.

In diesem Prolog wird Gott nicht direkt angesprochen. Es gibt keinen Ich-Erzähler, der emotional ausschweifend sein Herz vor ihm ausschüttet. Ganz nüchtern werden wir belehrt, wie sich das Leben eines Menschen, der Gott vertraut, unterscheidet von dem Leben eines Menschen, der nur sich selbst vertraut.

Braucht es so eine Belehrung? Schließlich sind doch die übrigen Psalmen so lebensnah. Mit den Psalmbetern kann ich mitfiebern. In ihre Situation kann ich mich oft hineinversetzen. Trost und Lebenshilfe habe ich dort schon gefunden.

Meiner Erfahrung nach sollte man sich aber auf Prologe in Büchern einlassen, weil sie meistens zum Verständnis der folgenden Geschichte beitragen.  Also möchte ich sie nun mitnehmen in ein tieferes Hineinschauen in die 6 Verse des Ersten Psalms.

In modernen Bibelübersetzungen wird er mit dem Titel "Wahres Glück" überschrieben. Jetzt wird es interessant. Wer möchte nicht das wahre Glück finden? Wie viele Ratgeber wurden zu diesem Thema schon geschrieben? Ganz abgesehen davon, was eigentlich wahres Glück ist. Kann man das in sechs Sätzen erklären?

Ja, in diesem kurzen Psalm steckt alles drin, was wir Menschen brauchen, um ein glückliches Leben zu führen. Er ist eine Anleitung zum Glücklichsein. Es fängt damit an, dass ich Grenzen setze: Glück ist die Fähigkeit "nein" zu sagen. Ich soll die Bereiche meiden, in denen das Böse regiert. Der Psalm spricht von Gottlosen, Sündern und Spöttern. Gemeint sind alle, deren Lebensethik nicht auf dem Wort Gottes beruht.

Dieses Wort Gottes, das im Psalm auch das Gesetz des Herrn genannt wird, ist der Schlüssel zu einem zufriedenen und gelingenden Leben = zum Glück. Ich muss sagen, der Vers 2 fordert mich hier sehr heraus: da wird gesagt, ich solle Lust am Wort des Herrn haben und darüber Tag und Nacht nachdenken. Wie oft schaue ich wirklich in meine Bibel? Wieviel Zeit nehme ich mir in meinem Alltag, um darüber nachzudenken? Ja, wenn´s mir schlecht geht oder wenn ich Angst habe, kommt mir der Gedanke schon und ich fange an zu beten.

Dann lese ich weiter und im 3. Vers entsteht dieses wunderbare Bild vom Baum, der am Wasser gepflanzt ist und dadurch immer gut versorgt ist. Nicht nur das, er trägt auch schöne Früchte. Dieses Bild enthält für mich einen echten Sehnsuchtsort. Es strahlt so viel Ruhe und Frieden und Schönheit aus. Um diesen fest verwurzelten Baum herum sieht es paradiesisch aus. Und selbst, wenn ein Sturm aufzieht, biegt er sich geschmeidig, bricht aber nicht.

Nach diesem Glück sehne ich mich. Der Psalm 1 erinnert mich daran, dass Gott mir diese Versorgung mit dem Notwendigen zusagt. Er schenkt meinem Leben Gelingen. Wie kann ich mich bei ihm verwurzeln?

Ich darf sein Follower werden, seine Nachfolgerin. Praktisch möchte ich Folgendes einüben:

1. Ich will mir konkret Zeit in meinem Alltag einräumen, die ich mit Gottes Wort verbringe. Die Bibel soll wieder Ratgeber-Lektüre werden. Ich bin gespannt darauf, zu welch neuen Erkenntnissen ich dadurch komme.

2. Ich will offen für neue Wege werden, auf denen der Heilige Geist Gottes mich führt und nicht der Zeitgeist. Ich möchte erleben, wie mein Blickwinkel geweitet wird, damit ich das Gute sehe.

3. Das Wort Gottes soll Priorität haben vor all den vielen Worten dieser Welt. Konkret heißt das, dass er mein Begleiter ist, dessen Worte ich höre und nicht mein Handy, das mich zudröhnt mit sinnfreien Infos.

Wenn mich die Nachrichten entmutigen oder Schwierigkeiten auftauchen, will ich die frohe Botschaft in mir wirken lassen, dass ich an der richtigen Stelle im Leben stehe, nämlich fest verwurzelt an seinem Lebenswasser, wo ich immer gut versorgt bin.

Zu gelingendem Leben, also wahrem Glück, gehört aber auch, dass ein Sinn dahintersteht. Im Psalm 1 wird auch das zugesagt. Wer gute Wurzeln hat und gut versorgt ist, der trägt automatisch Früchte, und zwar zur rechten Zeit. Ich habe also auch eine sinnstiftende Aufgabe auf dieser Erde. Wie wunderbar, dass ich das ganz in Ruhe herausfinden kann. Meine Angst vor Bedeutungslosigkeit und Willkür ist wie weggeweht... Der Schöpfer dieser Welt sieht mich und kennt meinen Weg.

An dieser Stelle merke ich, dass ich sehr lange nachgedacht habe über diesen kurzen Prolog im Buch der Psalmen. Und siehe da, meine Vermutung, dass es sich lohnen würde, hat sich bestätigt. Nachdem ich Gottes theoretische Anleitung zum Glücklichsein für mich konkret durchbuchstabiert habe, freue ich mich nun sehr darauf, in den nächsten 149 Psalmen mitzuerleben, wie es anderen Followern Gottes ergangen ist. Welchen Herausforderungen mussten sie sich stellen? Wo wären sie fast verzweifelt? Wie haben sie es geschafft, dranzubleiben am Vertrauen gegenüber Gott? Welche inneren Kämpfe haben sie ausgefochten?

Ich glaube, es wird mich stärken, zu lesen, dass sie alle am Ende voller Freude erfahren, dass die Bindung an ihren Gott stark und haltbar ist und dass sie versorgt wurden mit allem, was sie brauchten. 

Eigentlich könnte man den Psalm 1 auch ans Ende des Buches setzen. Er fasst die sehr persönlichen und emotionalen Glaubenserfahrungen von Menschen, die sich ganz auf Gott verließen, wunderbar zusammen. Gott bietet allen Menschen solche Versorgung an. Jeder und jede darf diese allgemeingültige Lehre für sich in Anspruch nehmen. Psalm 1 ist keine Belehrung, sondern ein Angebot, das schon viele Menschen über die Jahrhunderte getestet und für tragfähig befunden haben. In diesem Sinne lohnt es sich, den Psalm am Ende des Buches der Psalmen noch einmal zu lesen, sozusagen als Epilog, als Nachwort. 

Autor/-in: Annette Strunk