Navigation überspringen
© Ethan Robertson / unsplash.com

27.07.2020 / Kommentar / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: Regina König

Urlaub als Risikofaktor?

Wie wir aus dem Corona-Sommer möglichst unbeschadet wieder rauskommen.

Sonne, Wind und Wärme und in der Hand ein großes Eis: kann denn Sommer Sünde sein? Nein, natürlich nicht, doch offenbar treibt die eigentlich wunderbare sommerliche Sorglosigkeit die Corona-Fallzahlen wieder in die Höhe. Dabei hatten uns im Frühjahr die Virologen versichert, Viren würden den Sommer nicht mögen, schließlich halten sich auch Grippeviren in der warmen Jahreszeit in Deckung.

Doch das Robert-Koch-Institut, RKI, meldete am Sonnabend 781 Neuinfektionen, am Vortag waren es 815 und damit rund 300 Fallzahlen mehr als in den vergangenen Wochen pro Tag. Insgesamt haben sich damit bisher mehr als 206.000 Menschen in Deutschland mit dem Virus infiziert, knapp 9.300 sind an und mit Covid-19 gestorben.

„Die zweite Welle hat begonnen“

 

Was die Experten beunruhigt: nicht nur einzelne Hotspots sorgen für erhöhte Fallzahlen, Corona macht sich wieder in der Fläche breit, durch Urlaubsrückkehrer, Familienfeiern, Veranstaltungen. Das RKI nennt diese Entwicklung „sehr beunruhigend“. Und der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer ist überzeugt: „Die zweite Welle hat schon begonnen.“

Israel erlebt gerade mit Wucht eine zweite Welle, die Arbeitslosigkeit lag zuletzt bei über 20%. Die Regierung hat einen Corona-Beauftragten ernannt. Und Australien meldet Rekordzahlen an Neuinfektionen.

„Statt Ferienglück steht Corona vor der Tür“

Währenddessen prüft Gesundheitsminister Jens Spahn eine Testpflicht für Urlauber, die aus Risikogebieten zurückkehren. Dazu gehören mehr als 100 Länder vornehmlich in Afrika und Südamerika, aber auch Staaten wie die USA, Israel oder Luxemburg gehören dazu, Stand 20. Juli. Spanien nicht – doch das Land weist in den vergangenen sieben Tagen mehr als 12.000 Neuinfektionen auf.

Auch in Kroatien sind die Fallzahlen seit der Urlaubssaison auf so hohem Stand wie noch nie, und der vielfach besungene „schöne Wolfgangsee“ hat sich als österreichischer Hotspot entpuppt und statt dem (Ferien-)Glück steht im Weißen Rössl das Virus vor der Tür.

Unbeschwert Urlaub machen, ist uns das in diesem Corona-Sommer also nicht vergönnt? Bisher ist Deutschland gut durch die Krise gekommen – doch einen zweiten Lock-Down „würden weder Gesellschaft noch Wirtschaft kaum mehr im gleichem Umfang aushalten“, warnt der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, in der Sächsischen Zeitung.

Es steht viel in unserer Verantwortung

Corona ist nicht aus der Welt – und spätestens im Herbst wird das Virus auch in Deutschland wieder höhere Infektionszahlen fordern. Doch wie heftig, das liegt auch in unserer Verantwortung – jetzt mitten im Corona-Sommer. Das Robert-Koch-Institut appelliert an das Verantwortungsgefühl aller: eine Verschärfung der Situation sei nur zu vermeiden, wenn sich „die gesamte Bevölkerung weiterhin engagiert, z.B. indem sie Abstands- und Hygieneregeln konsequent einhält.“Will mir Corona nun also meinen Urlaub verderben? Natürlich würde ich auch lieber die Maske zu Hause an der Garderobe hängen lassen, aber beeinträchtigt es wirklich meinen Erholungsfaktor, wenn ich mit Mund- Nasenschutz im Louvre das hintergründige Lächeln der Mona Lisa bewundere oder mit gewaschenen Händen die dänischen Dünen durchquere?

Und gut dass jeder, der aus einem ausgewiesenen Risikogebiet zurückkommt, nun voraussichtlich ab nächster Woche in der Pflicht steht, sich testen zu lassen.  Und für alle anderen Urlauber stellt die Bundesregierung nun auch kostenlose Tests zur Verfügung – ein richtiger Schritt!

Urlaub als tatsächliche „Auszeit“ entdecken

Denn „die schönste Zeit des Jahres“ – im Corona-Sommer wird sie zum Risikofaktor. Doch Erholung ist trotzdem möglich, vielleicht sogar mehr als erhofft: denn dieser Sommer könnte uns dabei helfen, Urlaub tatsächlich wieder als Auszeit zu genießen statt als Partyparcour oder stressiges Sightseeing-Hopping. Denn Ruhe findet nur der, der sie sich nimmt – und dabei ist es ziemlich egal, wo mein Liegestuhl steht: am Strand, in den Bergen, am See, in der Heide, im Park oder eben auch im eigenen Garten.

Auch der schönste Urlaub ist eine „zweite Welle“ nicht wert

Also: den Fuß etwas zurücknehmen vom Gaspedal, dabei auf Abstand achten und auf saubere Hände. Ist das zu viel verlangt? Ich finde: nein. Denn so sehr auch ich mich auf meinen Urlaub freue – noch wichtiger ist es mir, nach den Ferien wieder in einen Alltag zurückkehren zu können, der so ist, wie ich ihn schätze: ohne Ausgangsbeschränkungen, ohne Kontaktverbote, ohne Einschränkung der Grundrechte. Denn auch der schönste Urlaub ist eine heftige „zweite Welle“ nicht wert.

 Regina König

Regina König

  |  Redakteurin

Für ERF Plus in Mitteldeutschland unterwegs. Sie ist verheiratet und hat vier Kinder.

Ihr Kommentar

Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Alle Kommentare werden redaktionell geprüft. Wir behalten uns das Kürzen von Kommentaren vor. Ein Recht auf Veröffentlichung besteht nicht.

Das könnte Sie auch interessieren