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26.10.2017 / Interview / Lesezeit: ~ 6 min

Autor/-in: Simone Nickel, Sigrid Röseler

Vater-Wunde

Ann-Kathrin Köppel ist ohne Vater aufgewachsen.

 

Ann-Kathrin Köppel (Foto: ERF Medien)
Ann-Kathrin Köppel – Heute ist sie verheiratet und Mutter von zwei Kindern (Foto:ERF Medien)

Ann-Kathrin Köppel ist ein halbes Jahr alt, als ihr Vater mit seiner Geliebten durchbrennt und auf Nimmerwiedersehen verwindet. Ihre Mutter und ihre Großeltern kümmern sich liebevoll um das Mädchen, trotzdem fehlt ihr der Vater. Fragen treiben sie um: Warum hat uns Papa im Stich gelassen? Haben wir etwas falsch gemacht? Jahrelang leidet sie unter Verlustängsten. Ann-Kathrin sehnt sich nach Liebe, kann aber keine tiefere Partnerschaft eingehen.

Sehnsucht nach dem Vater

ERF: Wie war es für Sie ohne Vater aufzuwachsen?

Ann-Kathrin Köppel: Ich bin sehr behütet aufgewachsen. Meine Mutter hat das Leck, dass ich ohne Vater aufgewachsen bin, sehr gut aufgefangen. Aber im Unterbewusstsein hatte ich immer die Sehnsucht nach einem Vater. Ich kann mich noch erinnern: In der Schulzeit in der ersten Klasse musste man seine Familie vorstellen. Alle haben dann erzählt: „Mein Vater hat diesen und jenen Beruf, Alter usw.“ – und ich konnte bei meinem Vater nichts sagen. Die Kinder haben dann gefragt: „Wie, du kennst deinen Papa nicht? Du weißt nicht, wo er ist? Du weißt seinen Beruf nicht?“ Das war eine schwierige Situation für mich. Nach und nach habe ich gemerkt, dass was fehlt und gespürt, es gibt Dinge, die vielleicht ein Vater hätte ausfüllen können. Doch da er nicht da war, habe ich woanders gesucht. 
 

ERF: Wo haben Sie gesucht?

Ann-Kathrin Köppel: Als Teenie habe ich mir so sehr diese Vaterliebe gewünscht, es gewünscht angenommen und geliebt zu werden. Und dann habe ich halt geschaut: Wo bekomme ich das? Ich bin oft feiern gegangen, habe auch mal mehr getrunken, als man vielleicht sollte. Und dann habe ich gemerkt: Wenn ich das mache, dann ist dieses Gefühl, dieser Hunger nach Anerkennung und Liebe kurzzeitig verschwunden. Und dann habe ich gedacht: „Wow, super. Endlich ist es mal weg.“ Und so bin ich öfter feiern gegangen. Ich habe Männer kennen gelernt und versucht mit Beziehungen dieses innere Leck auszufüllen.

Trennungen wie am Fließband

ERF: Wie sahen diese Beziehungen aus?

Ann-Kathrin Köppel: Eigentlich waren es nicht wirklich Beziehungen, denn ich war nicht beziehungsfähig. Ich hatte immer Angst verlassen zu werden und habe deshalb schnell die Flucht ergriffen. Die Freundschaften haben nur kurzzeitig meine Sehnsucht nach Liebe gestillt. Wenn es nicht mehr so war, wie ich es erwartet hatte, habe ich einfach Schluss gemacht.
 

ERF: Wie lange hielt denn so eine Beziehung?

Ann-Kathrin Köppel: Unterschiedlich. Ein paar Wochen. Mal auch ein paar Monate.
 

ERF: Konnten Sie sich erklären, warum es Ihnen so ging?

Ann-Kathrin Köppel: Ich habe immer etwas gesucht, um meinen inneren Mangel zu überdecken. Und als mir das bewusst wurde, habe ich geglaubt: Irgendwas stimmt nicht mit mir. Warum kann ich nicht länger mit jemand zusammen bleiben? Und so bin ich ins Grübeln gekommen und habe mich gefragt: Was ist denn bei mir anders als bei den anderen? Und dann bin ich darauf gekommen: Das könnte damit zu tun haben, dass ich ohne Vater aufgewachsen bin und nun probiere diesen Mangel zu füllen.

Erschöpft und leer

ERF: Eine tiefe Erkenntnis für so eine junge Frau wie Sie waren. Aber zunächst war ja da die Erfahrung: Keine Beziehung hielt lange. Wie hat sich das auf ihr Leben ausgewirkt?

Ann-Kathrin Köppel: Ich fühlte mich irgendwie verbraucht, kraftlos und erschöpft. Alles war anstrengend für mich. Ich war es müde, feiern zu gehen. Irgendwann konnte ich einfach nicht mehr. Also alles, was ich bisher ausprobiert habe, hat dazu geführt, dass ich innerlich immer leerer geworden bin.
 

ERF: Und wie ging es dann weiter?

Ann-Kathrin Köppel: Mein Klavierlehrer ging in eine christliche Gemeinde. Er wollte mich in einer Jugendband dabei haben. Und ich habe gesagt: „Nein, nein, ich will nichts mit dem Glauben zu tun haben.“ Und dieser Klavierlehrer hat gesagt: „Doch! Wir brauchen jemand, der Klavier spielt, du bist perfekt, also komm in diese Band.“ Ich habe geantwortet: „Okay, wenn ich nicht an Gott glauben muss und ihr mich in Ruhe lasst und ich nur spielen muss, dann kann ich das gerne machen.“ Und dann hat er mich eingeladen zu einer Veranstaltung, wo wir später spielen sollten. Und an diesem Abend war das Thema: „Das Vaterherz Gottes kennen lernen. Gott als Vater erleben.“
 

ERF: Wie war der Abend für Sie?

Ann-Kathrin Köppel: Ich habe mich innerlich erst einmal distanziert, weil ich gedacht habe: Das hast du schon mal gehört, dass Gott wie ein liebender Vater ist und er für dich da ist, aber das habe ich  nicht so erlebt. Doch als sie an diesem Abend darüber geredet haben, hat mich das irgendwie berührt. Sie haben gesagt: „Egal was du jetzt davon hältst, wenn du Gott als Vater erleben willst, dann kannst du ihm das jetzt einfach sagen.“ Und dann habe ich gedacht: Das ist eigentlich das, was ich mir innerlich wünsche. Und habe dann gebetet: Gott, wenn es dich wirklich gibt und du wie ein Vater bist, dann möchte ich dich gerne als Vater kennen lernen.

Eine traumhafte Begegnung

ERF: Und was passierte nach diesem Gebet?

Ann-Kathrin Köppel: An diesem Abend erstmal nichts. Ich bin nach Hause gefahren, habe mich ins Bett gelegt und geschlafen. Aber dann hatte ich einen Traum. Da stand ein Mann, ein männliches Wesen, sehr hell, ganz freundlich, wirklich total liebevoll. Und er hat den Arm nach mir ausgestreckt. Und ich wusste sofort, dass es der Vater im Himmel ist, der mir die Hand reicht und mich kennen lernen will. Und ich habe dann überlegt: Was machst du? Und dann habe ich gedacht: Du reichst ihm jetzt einfach die Hand. Und ich habe ihm dann im Traum die Hand gegeben. Ich habe sofort angefangen zu weinen, weil ich diese Liebe und Annahme deutlich gespürt hab. Einen Frieden, den ich noch nie erlebt habe. Es war so eine Geborgenheit.
 

ERF: Und am nächsten Morgen?

Ann-Kathrin Köppel: Ich habe immer noch diese Liebe und diesen Frieden in mir gespürt. Der Traum war für mich ganz real. Es war, als hätte ich wirklich meinen Vater im Himmel gesehen und erlebt. Und in dem Moment wurde mir zum ersten Mal klar, dass ich meine negativen Erfahrungen ohne Vater auf Gott übertragen hatte, dass sich das alles darauf ausgewirkt hat, wie ich Gott sehe. Und mir wurde bewusst, das ist falsch. Durch den Traum habe ich gemerkt, dass Gott gut ist. Dass da nichts ist, was irgendwie verletzt oder eine Lücke hinterlässt oder irgendwie Zerstörung bringt. Dass Gott, der Vater im Himmel wirklich gut ist. Das war für mich so lebensverändernd, dass ich gesagt habe: Okay, wenn Gott so ist und er mein Vater im Himmel ist, dann will ich mein ganzes Leben mit ihm verbringen. Das ist das, was mich ausfüllt und glücklich macht.

Verlustängste ade

ERF: Inzwischen sind Sie glücklich verheiratet und Mutter von zwei Kindern. Früher haben ihre Beziehungen nicht lange gehalten. Wie kam es, dass Sie geheiratet haben?

Ann-Kathrin Köppel: Es fiel mir schwer, eine verbindliche Beziehung mit meinem heutigen Mann einzugehen. Ich hatte immer Angst, dass er mich verlässt. Mit diesem Problem bin ich zu meiner Pastorin gegangen und sie hat mir geraten: „Es ist wichtig, dass du deinem Vater vergibst. Das heißt nicht, dass du alles gut heißt, was er getan hat. Es geht auch nicht um deinen Vater, sondern es geht um dich, dass du ihn loslässt und innerlich heil wirst.“ Dann habe ich gesagt: „Okay, das will ich machen.“ Ich habe dann einfach gebetet: „Ich lass dich jetzt los. Ich lass alles los, was passiert ist. Ich vergebe dir.“ Durch dieses Gebet ist endlich Frieden bei mir eingekehrt. Nach und nach habe ich dann diese Verlustängste verloren und konnte meinem Mann vertrauen.   
 

ERF: Vielen Dank für das Gespräch.
 

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Kommentare (1)

Haymen /

Gibt es ist ein Gebetsdienst, der so einfach ist, wie Frau Köppel es erlebt hat. Es basiert auf Vergebung. Vergebung ist sehr wichtig. Es heißt Sozo.

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