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© Edgar Mountain / unsplash.com

11.12.2018 / Serviceartikel / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Katrin Faludi

Sei dankbar für Angst, Schmerz und Trauer

6 Dinge, für die wir normalerweise nicht dankbar sind – es aber sein sollten.


  • Angst, Schmerz, Trauer, Sehnsucht: Wie sie miteinander zusammenhängen und was sie dir Wichtiges mitteilen.
  • Wenn du deine unangenehmen Empfindungen annimmst und ihnen Aufmerksamkeit schenkst, machst du dich bereit für Veränderung.


Sei dankbar für deine Angst. Sie ist dein innerer Seismograph. Sie spürt das Beben in dir auf und bringt es an die Oberfläche. Wenn du die Wellen wahrnimmst und ihnen nachspürst, erfährst du etwas Wertvolles über dich: Was dir im Leben wirklich wichtig ist. Deine Angst weist direkt auf das hin, was dir so viel wert ist, dass du es nicht verlieren willst. Sie zeigt dir außerdem, was dich tief verletzt hat. Deine Angst ist ein verlässlicher Indikator. Sie betrügt dich nicht. Sie will deine Aufmerksamkeit auf die Dinge in deinem Leben lenken, die vernachlässigt, weggeschoben und nicht beachtet werden, weil sie dir unangenehme Gefühle bereiten.

Deine Angst weist direkt auf das hin, was dir so viel wert ist, dass du es nicht verlieren willst. Sie zeigt dir, was dich tief verletzt hat. Deine Angst ist ein verlässlicher Indikator.

Sei dankbar für deine Aufmerksamkeit. Sie ist dein bordeigenes Mikroskop. Wenn Angst dich dazu bringt, nach innen zu schauen, siehst du vielleicht nur ein paar verschwommene Flecken, die kein sinnvolles Bild ergeben. Aber wenn du deine Aufmerksamkeit nach und nach scharf stellst, Erinnerungen und Gefühle in den Fokus nimmst, bildet sich ein Muster heraus. Immer deutlicher siehst du, wie eng die Fäden und Farben deiner Erinnerungen und Gefühle verwoben sind. Manche Muster sind kunstvoll und farbenfroh, andere düster und verknotet. Deine Aufmerksamkeit leitet dich zu den Stellen in deiner Seele, die dunkel sind und sich falsch anfühlen. Sie führt dich zu deinem Schmerz.

Sei dankbar für deinen Schmerz und deine Trauer

Sei dankbar für deinen Schmerz. Er zeigt dir, wo deine Seele verletzt wurde. Wo sie blutet und an Lebenskraft verliert. Dein Schmerz deutet genau auf die Stelle, wo etwas kaputt gegangen ist. Es kann ein schlimmer Verlust gewesen sein. Verletzende Worte, Misshandlungen, Demütigungen. Gleichgültigkeit, Unachtsamkeit, Unverständnis. Manches Ereignis hat plötzlich tiefe Wunden gerissen. Ein anderes Mal sind es fortwährende Nadelstiche, die nach und nach immer größeren Schaden anrichten. Dein Schmerz macht dir bewusst, wo die Wunden sitzen, wie tief sie sind und wie viel deiner Lebenskraft durch sie entrinnt. Er zeigt dir, was dich kraftlos und traurig macht.

Sei dankbar für deine Trauer. Sie bewahrt und würdigt nicht nur deine Erinnerung an das Geliebte, das du verloren hast. Sie sorgt auch dafür, dass du das Geliebte nicht vergisst wie etwas Beliebiges, das dir gleichgültig war. Sie hält die Erinnerung in dir am Leben. Darüber hinaus zeigt sie dir, was du nie bekommen hast und doch so dringend gebraucht hättest. Deine Trauer spiegelt das Wertvolle wider, das dir vorenthalten wurde, das du vermisst und wonach deine Seele sich sehnt.

Sei dankbar für deine Sehnsucht und deinen Willen

Sei dankbar für deine Sehnsucht. Sie ist die Erwartung, dass es eine Zukunft für dich gibt. Sie hält dir nicht nur die Löcher in deiner Seele vor, sondern zeigt dir auch, was du brauchst, um diese Löcher zu füllen. Sie ist eine starke und untrügliche Kraft. Selbst, wenn du die Löcher deiner Seele mit den unpassenden Dingen zu stopfen versuchst, lässt deine Sehnsucht sich nicht betrügen. Sie ist immer ehrlich zu dir. Nutze sie als Kraftstoff, um deinen Willen zu befeuern.

Sei dankbar für deine Sehnsucht. Sie ist die Erwartung, dass es eine Zukunft für dich gibt.

Sei dankbar für deinen Willen. Er erhält dich am Leben. Wird er von Sehnsucht gestärkt, regt er sich und strebt voran. Doch dein Wille wird nur vorwärtskommen, wenn er ein klares Ziel hat. Hier kommt dein Urteilsvermögen ins Spiel. Was ist es, das du willst? Was würde passieren, wenn du es bekämst? Und wie kannst du es erlangen? Dein Wille macht dich erst handlungsfähig. Er schlägt die neue Richtung ein, die dein Leben nehmen kann, wenn du deine Angst, deinen Schmerz und deine Trauer annimmst, deine Aufmerksamkeit darauf richtest und dadurch erfährst, was deine Seele braucht.

Du musst es selbst tun, aber nicht allein

Und wo bleibt Gott in dem Ganzen? Sollte nicht er derjenige sein, der deine Angst und deinen Schmerz wegnimmt und deine Sehnsucht stillt? Nicht unmittelbar. Gott schnipst nicht und alles wird gut. Was du selbst kannst, lässt er dich auch selbst machen. Er begleitet den Prozess, wenn du bereit bist, dich darauf einzulassen. Er kann dir helfen, deine Aufmerksamkeit zu schärfen, um Angst und Schmerz zu lokalisieren, und er kann dir die Kraft geben, beides auszuhalten. Er kennt deine Sehnsüchte, bevor du ihnen selbst auf die Spur gekommen bist.

Was du selbst kannst, lässt Gott dich auch selbst machen.

Die amerikanische Sängerin Plumb bringt es mit ihrem Liedtitel „Godshaped Hole“ auf den Punkt. Sie singt: „Es gibt in jedem von uns ein Loch, das die Form Gottes hat.“ Gott ist derjenige, der perfekt hineinpasst. Das ist Perspektive, auch wenn sie nicht sofort eintritt. Perfekt wird dein Leben im Hier und Jetzt nicht sein. Mancher Schmerz wird nie ganz aufhören. Manche Sehnsucht wird dich ein Leben lang begleiten. Das darf so sein. Denn die Sehnsucht ist die Vorfreude auf das Versprechen, das Gott uns für das Ende gibt: Dass er alles perfekt machen wird. Ein Ende, das die menschliche Vorstellungskraft weit übertrifft.

 Katrin Faludi

Katrin Faludi

  |  Redakteurin

In Offenbach geboren, mit Berliner Schnauze aufgewachsen. Hat Medienwissenschaft und Amerikanistik studiert, ist danach beim Radio hängengeblieben. Außerdem schreibt sie Bücher, liebt alles, was mit Sprache(n) und dem Norden zu tun hat und entspannt gerne beim Landkartengucken. Mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern wohnt sie in Bad Vilbel.

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Kommentare (1)

Angelika I. /

Danke

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