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03.12.2007 / Ein Erfahrungsbericht / Lesezeit: ~ 5 min

Autor/-in: Elke Janßen

Der Traum von einem erfolgreichen Leben

Ich hatte einen Traum, einen Traum von einem glücklichen, ausgefüllten und erfolgreichen Leben, auch gerade für meine Kinder. Eine engagierte Schule, wo sie ausreichend gefördert und gefordert werden, gehörte zu diesem Traum. Ein guter Schulabschluss, damit sie die Möglichkeit haben, einen Beruf auswählen zu können, der zu ihnen passt. Und danach natürlich später einen netten Ehepartner, glückliche Kinder und selbstverständlich Gesundheit. Das alles wünsche ich mir für sie. Und ehrlich gesagt, wer wünscht sich das nicht? Daran ist ja nun wirklich nichts falsch.

Vorausgesetzt, dass man sich ein bisschen anstrengt und einsetzt, dann wird das schon klappen, mit dem erfolgreichen Leben, auch bei meinen Söhnen, dachte ich. Und wirklich mein erster Sohn kam problemlos durch die Grundschule, war Klassenbester und hat auch auf dem Gymnasium keine Probleme mit dem Schulstoff. Natürlich habe ich nicht vor anderen Müttern damit geprotzt, angeben wollte ich ja nicht. Und schlechtere Noten wären selbstverständlich auch okay gewesen. Der Wert eines Menschen richtet sich ja nicht nach seinen Schulleistungen. Auch andere Werte sind wichtig, wie Hilfsbereitschaft, soziales Engagement oder die Fähigkeit, sich eine eigene Meinung zu bilden und diese auch zu vertreten. Und schließlich sind doch alle Menschen gleichwertig, gleich wichtig, egal ob sie auf ein Gymnasium oder Sonderschule gehen, ob sie krank oder gesund sind, schön oder hässlich, so meine tiefste Überzeugung.

Und dann war da mein zweiter, wunderbarer Sohn. Er fing erst mit vier Jahren richtig an zu sprechen, wurde später ein Jahr zurückgestellt, da er noch nicht schulreif war. Und das auch noch in einem "akademischen Haushalt", wo wir ihn doch förderten und liebten? Hatten wir irgendetwas falsch gemacht?

Er kam in den ersten beiden Grundschuljahren nur unter großen Mühen, viel Tränen und nerverzerfetzender Hausaufgabenbetreuung mit, hinkte ständig Monate hinterher. X-mal wurde er vom Schulamt und Therapeuten getestet, ohne dass sich je einer wirklich Zeit für ihn nahm, um ihn einmal ganzheitlich zu betrachten. Unterschiedliche IQ-Tests ergaben widersprüchliche Ergebnisse. Düster wurde in Abschlussgesprächen darüber gesprochen, wie schwer es doch sein würde, dass er einen ordentlichen Schulabschluss schafft.

Für mich brach eine Welt zusammen. Ich ließ mich anstecken von den ganzen Therapeuten, die meinen Sohn auf Ergebnisse von fraglichen IQ- und anderen Testverfahren reduzierten. Weggeblasen war meine ganze Theorie, dass nicht Schulleistungen alleine einen Menschen ausmachen, sondern sein innerer Wert und Einmaligkeit.

Auch wenn ich theoretisch wusste, dass manche Familien viel größere Probleme mit ihren Kindern hatten, half mir das zunächst nicht. In diesem Moment fielen mir nur die Eltern der anderen 26 Kindern aus seiner Klasse ein, die scheinbar weniger Schulprobleme hatten. Ich sah nur noch schwarz für die Zukunft meines Sohnes: Wie sollte er jemals einen Ausbildungsplatz finden? Ein zufriedenes, ausgefülltes, erfolgreiches Leben führen?

Schuldgefühle bedrängten mich, ob ich ihn nicht doch zu wenig gefördert hätte. Böse Gedanken nisteten sich ein: Wenn es der Eine nicht »schafft«, dann sollte der andere das ausgleichen, möglichst nur Einsen schreiben, damit ich was zum »vorzeigen« hatte". Neid fraß sich in mein Herz: "Die anderen kommen doch auch klar in der Schule, warum »Meiner« nicht?" Diese ganzen Gedanken haben mich zutiefst entsetzt. Ich hätte niemals gedacht, dass sie in mir schlummerten.

Und das wollte ich nicht mehr! Mit diesem negativem, resigniertem Denken würde ich beiden Söhnen nicht gerecht werden können, die ich doch über alles liebte. Ich rappelte mich auf, sprach mit meiner alten christlichen Therapeutin über meine Gedanken und Befürchtungen. Ich redet viel mit Gott darüber und es half mir sehr, als andere Mütter bereit waren mir zu erzählen, dass sie auch mit ihren Kindern (Schul-)Probleme und damit Ängste und Sorgen hatten.

Nun fing ich wieder an, gemeinsam mit meinem Mann für meinen Sohn zu kämpfen.

In einem über zwei Jahre andauernden, nervenzerreibenden Verfahren ist es uns schließlich gelungen, dass unser Sohn auf eine Sprachheilschule wechseln konnte. Hier wird er in einer kleinen Gruppe besser gefördert und hat gute Möglichkeiten einen normalen Grundschulabschluss zu erreichen und damit auf eine Hauptschule oder vielleicht auf eine integrierte Gesamtschule zu können. Außerdem bekommt er hier endlich mehr Selbstbewusstsein. Die Lehrerinnen beurteilen ihn viel ganzheitlicher und verbreiten Zuversicht, auch wenn nicht alles nach der "Norm" läuft.

Ich schmiss die ganzen besch***enen, einseitigen Testergebnisse in den Müll und begann zu lernen, meinen Sohn so zu sehen, wie er ist:

Nach wie vor hat er größere Lernprobleme, aber er hat auch eine hohe Sozialkompetenz, ist sehr hilfsbereit, tierlieb und kümmert sich um andere. Er ist ein genialer Legobauer und hat ein freundliches Naturell. Wer ihn mal als Azubi bekommt, kann sich glücklich schätzen! Er ist kein bedauernswertes Opfer. Die Schwierigkeiten haben ihn stärker gemacht und er packt sein Leben an. Er wird seinen Weg gehen, auch wenn es anders sein wird, als vielleicht meine Vorstellungen sind.

Beide Söhne sind wunderbar geschaffen, beide haben Stärken und Schwächen, beide sind geliebt von Gott und ich möchte keine anderen Söhne haben!

Diese Auseinandersetzung, auch mit mir selber, hat mir gezeigt, wie brüchig und auch einseitig meine Vorstellungen von einem erfolgreichen Leben waren. Wie schnell kann man arbeitslos oder krank werden. Viele finden keinen Partner oder erleben einen (Zer-)Bruch in ihrem geordneten Leben.

Ich bin froh, dass Gott den Wert eines Einzelnen nicht durch Leistungen und Erfolg bestimmt. Er liebt uns so, wie wir sind und hat sich etwas dabei gedacht, auch wenn ich nicht alles verstehe.

Auch heute noch wünsche ich mir, dass meine Söhne einen Schulabschluss bekommen, der es ihnen ermöglicht einen Beruf zu erlernen, wo sie sich wohl fühlen. Aber ich wünsche mir auch, dass sie stark werden fürs Leben, mit Enttäuschungen fertig werden, Schwierigkeiten durchstehen, unabhängiger von den Meinungen anderer sein und Gott vertrauen. Weil er es gut mit ihnen meint, auch wenn nicht alles glatt verläuft.
Dem Gott, der einfache Fischer als Jünger in seine Nachfolge berief, die vermutlich keinen Hauptschulabschluss hatten, und Geschichte mit ihnen schrieb.
Aber auch dem Gott, der den hochintellektuellen, fanatischen Christusgegner Paulus zum ersten, leidenschaftlichen Europamissionar machte. Vor Gott sind wirklich alle Menschen gleichwertig und gleich wichtig!

Ich habe einen Traum

Meine alten Träume sind zerbrochen, das tut weh. Und manchmal bin ich immer noch verzweifelt, wenn Lernerfolge ausbleiben. Aber ich fange wieder an zu träumen und weiß mich und meine Kinder bei Gott gut aufgehoben.

Und er möchte uns immer wieder neu liebvoll zeigen, wie wertvoll wir sind. Gerade dann, wenn uns Erwartungen und Anforderungen von außen oder auch innen uns wieder unter Druck setzen wollen.

Ich bin fest davon überzeugt, dass Gott sich um einen ganz individuellen, einmaligen Platz für meine Kinder kümmern wird. Und sie hier ein erfülltes Leben erleben, auch jenseits meiner Vorstellungen und Pläne. Das empfinde ich als sehr befreiend und tröstlich.

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