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© Toa Heftiba / unsplash.com

10.01.2019 / Serviceartikel / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: Katrin Faludi

Der Jackpot

Gott bringt uns Menschen immer wieder auf neue Ideen. Manche davon scheinen auf den ersten Blick allerdings ziemlich abstrus.

Radiowerbung ist fast immer ganz furchtbar. Ich fühle mich von vielen Spots auf die dümmste Art und Weise angebrüllt. Kennen Sie die Lotto-Werbung? Die, bei denen es Ihnen aus dem Radio entgegenplärrt, wie viele Millionen sich gerade im Jackpot befinden? Diese sich vor Jubel überschlagenden Stimmen fräsen sich jedes Mal wie ein Schlagbohrer in meine Ohren. Aber wissen Sie was? Genau dieses fiese Jackpot-Gegeifer hat Gott benutzt. Das kam so:

Ich war abends nach meiner Sendung auf dem Heimweg und während des Werbeblocks jodelte mir ein derart astronomischer Jackpot entgegen, dass ich tatsächlich stutzig wurde. Wahnsinn, so viel Geld! Unvorstellbar! Und dann fing bei mir, die Lotto bisher immer belächelt hatte, eine Gedankenspirale an zu kreisen. Was, wenn ich es doch einmal probierte? Und gewönne? Wenn ich diesen mördermäßigen Jackpot knackte? Das wär‘ mal krass …

Gott will, dass ich Lotto spiele! Echt jetzt?

Natürlich wischte ich den Gedanken sofort wieder zur Seite. Ich hatte noch nie Lotto gespielt. Und dabei würde es auch bleiben. Totaler Unsinn. Doch nach wenigen Augenblicken meldete sich der Gedanke erneut: Und was, wenn doch? Vielleicht will Gott ja, dass du Lotto spielst?

Echt jetzt?! Ich lachte mich selber aus für diesen Quatsch. Warum sollte Gott wollen, dass ich Lotto spiele? Wieder jubelten mir meine Gedanken die Jackpot-Summe entgegen und ich begriff: Na klar! Wenn ich gewinne, will Gott, dass ich diesen Riesen-Jackpot anonym spende und damit Gutes tue! Einen kleinen Teil (vielleicht so die Hälfte) würde ich sicher behalten dürfen, aber mit dem Rest könnte ich um mich werfen und andere Menschen glücklich machen. Das wäre doch sicherlich in Gottes Sinne. Auf dem Rest meines Heimwegs hing ich dieser Vorstellung nach und sonnte mich in meiner eigenen Wohltätigkeit. Ich war echt gerührt von mir selbst.

Gesagt, getan!

Am nächsten Morgen stand ich direkt nach Ladenöffnung im Supermarkt an der Lottotheke. Ich war voll motiviert: Ich würde Lotto spielen und den Jackpot knacken! Aber wie ging das eigentlich? Irgendwas mit Kreuzchen machen, klar. Und dann? Zusatzzahl? Superzahl? Spiel 77? Lottototo-Totolotto? Pfff. Ratlos wandte ich mich an die Mitarbeiterin an der Theke. Auf den ersten Blick wirkte die Frau müde. Klar, war ja auch erst kurz nach acht. Auf den zweiten Blick allerdings machte sie einen regelrecht niedergeschlagenen Eindruck. Ihr Blick war trüb, die Mundwinkel zeigten abwärts, die Dauerwelle hing schlaff herab. Irgendetwas schien sie zu bedrücken.

„Entschuldigen Sie“, begann ich. „Ich möchte gerne Lotto spielen, aber ich weiß gar nicht, wie das geht. Was muss ich denn da machen?“ Die Frau sah auf und schob seufzend einen Lottoschein über den Tresen. Geduldig erklärte sie mir, wie und wo ich meine Kreuzchen zu machen hatte und welche Variante wie viel Einsatz kostete. Ich stellte mich absichtlich blöd an, zog mich selbst durch den Kakao („Da hat man jahrelang Geisteswissenschaften studiert und kommt mit ‘nem simplen Lottoschein nicht klar!“) und die Mitarbeiterin begann zu lachen.

Nachdem ich mit ihrer Hilfe meinen Schein ausgefüllt und noch ein wenig mit ihr geplaudert hatte, bezahlte ich meine zwei Euro für das Spiel, gab meinen Schein ab und verabschiedete mich. Als ich mich vor Verlassen des Ladens noch einmal umdrehte, bemerkte ich, dass die Frau sich verändert hatte. Ihr Blick wirkte lebhafter, sie lächelte und hielt sich aufrechter. Unser freundliches Geplänkel schien ihr irgendwie gutgetan zu haben.

Der wahre Gewinn

In diesem Moment begriff ich, warum ich Lotto spielen sollte. Nicht wegen der vielen Kohle. Sondern wegen der Begegnung, die einem anderen Menschen geholfen hat, besser in den Tag zu finden. Und ich freute mich darüber wie über einen Gewinn. Denn es war ja einer.

Und ob ich den Jackpot letztendlich geknackt habe? Nun ja. Ich hatte ja vor, anonym zu spenden. Insofern … 

 Katrin Faludi

Katrin Faludi

  |  Redakteurin

In Offenbach geboren, mit Berliner Schnauze aufgewachsen. Hat Medienwissenschaft und Amerikanistik studiert, ist danach beim Radio hängengeblieben. Außerdem schreibt sie Bücher, liebt alles, was mit Sprache(n) und dem Norden zu tun hat und entspannt gerne beim Landkartengucken. Mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern wohnt sie in Bad Vilbel.

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Kommentare (1)

Bettina /

Ich bin Ihnen so dankbar für diese Worte. Könnten sie mich jetzt sehen, sie sähen Tränen der Rührung, der Dankbarkeit und des nimmer endenden Staunens über Gottes unergründliche Wege .... Danke. Seien Sie gesegnet !

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