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© Alexander Solodukhin / unsplash.com

30.07.2020 / Erfahrungsbericht / Lesezeit: ~ 8 min

Autor/-in: Rebecca Schneebeli

Das neue Normal?

Warum ich nach Corona anders leben will. 6 Dinge, die ich in der Pandemie gelernt habe.

Der Sommer neigt sich dem Ende entgegen. Damit könnte demnächst wieder etwas mehr Normalität in unseren Alltag einkehren. Die Kultusministerien vieler Bundesländer haben angekündigt, dass im Herbst wieder Normalbetrieb in den Schulen herrschen soll. Ähnliches kündigen auch viele Kindertagesstätten und Unternehmen an. Natürlich wird damit im Herbst nicht alles mit einem Schlag wieder normal, die Sorgen über eine mögliche zweite Infektionswelle bleiben präsent. Trotzdem sind die Hoffnungen groß, dass die Menschen ihren Alltag wieder mehr so gestalten können wie vor der Corona-Krise.

 

Doch je mehr die neue Normalität Einzug in unser Leben hält, desto mehr steht die Frage im Raum: Wie wollen wir denn eigentlich in Zukunft leben? Ja, auch ich freue mich schon sehr darauf, wenn Fernreisen wieder sicher möglich sind. Durch meine Arbeit bei ERF GlobalHope weiß ich, wie wichtig weltweite Reisemöglichkeiten besonders für Missionsgesellschaften sind. Aber in etlichen Bereichen hat die Pandemie auch dazu geführt, mein eigenes Handeln deutlich zu hinterfragen. Ich habe jetzt einen anderen Blick auf meine Zukunft als noch zu Beginn des Jahres. Diese Erfahrung möchte ich nicht missen und ich möchte sie nutzen, auch, ja gerade in der neuen Normalität.

In etlichen Bereichen hat die Pandemie dazu geführt, mein eigenes Handeln zu hinterfragen. Ich habe jetzt einen anderen Blick auf meine Zukunft als noch zu Beginn des Jahres. Diese Erfahrung möchte ich nicht missen.

Die Krise als Chance?

Damit möchte ich die Schwierigkeiten der Krise nicht kleinreden, die uns vermutlich alle noch jahrelang beschäftigen werden. Wir alle werden nach Corona wahrscheinlich ärmer sein. Wir alle werden noch viele Monate Einschränkungen in unserem Alltag akzeptieren müssen. Das ist nicht schön. Die Krise als Chance zu bezeichnen, geht himmelweit an dem Leid vorbei, das durch die Pandemie und auch durch die nötigen Maßnahmen der Eindämmung weltweit verursacht wurde.

In Deutschland jammern wir dabei noch auf eher hohen Niveau. Bislang haben wir weder hohe Toten- oder Infiziertenzahlen zu beklagen noch ist unsere Wirtschaft unter dem Druck zusammengebrochen. In anderen Regionen – Afrika, Lateinamerika, Südostasien – sieht es ganz anders aus. Ich war noch nie so dankbar wie jetzt, in einem Land wie Deutschland zu leben.

Ja, die Krise bleibt Krise und sie wird uns als Krise weiter beschäftigen – weltweit. Doch das heißt nicht, dass darin nicht auch eine Chance liegt. Denn erst durch die Krise wurden Missstände schonungslos offengelegt: Zum Beispiel, wie schlecht wir als Weltgemeinschaft für eine globale Krise diesen Ausmaßes vorbereitet waren oder wie unterirdisch Arbeitsbedingungen und Bezahlung in systemrelevanten Berufen sind.

Endlich wird offensichtlich, dass es nicht Fußballer, Popstars und C-Promis sind, die unser Land braucht, sondern Krankenschwestern, Altenpfleger und Supermarktverkäufer. Schade, dass Corona nötig war, damit wir das erkennen. Aber umso wichtiger, dass wir es nun wissen. Und damit stellt sich wieder die Frage: Wie wollen wir in Zukunft leben?

Endlich wird offensichtlich, dass es nicht Fußballer, Popstars und C-Promis sind, die unser Land braucht, sondern Krankenschwestern, Altenpfleger und Supermarktverkäufer.

Einfach nur Rolle rückwärts?

Diese Frage ist wichtig, nicht erst nach der Krise, sondern schon jetzt. Und sie stellt sich nicht nur auf gesellschaftlicher Ebene, sondern auch im Privaten. Je länger ich selbst die unterschiedlichen Phasen dieser Krise durchlebe – von Lockdown hin zu vorsichtigen Lockerungen –, desto mehr wird mir bewusst, wie festgelegt mein eigenes Leben vorher tatsächlich war. Mein Alltag lief in ziemlich festen Bahnen ab, alles hatte seine Routine. Vieles schien unabänderlich.

Doch dann im Lockdown stellte ich plötzlich fest: So war es gar nicht. Als es plötzlich das Gebot der Stunde war, entwickelte ich schneller als gedacht neue Routinen: Das Homeoffice wurde zur Normalität, der Videocall zu einem gängigen Tool der Kommunikation. Und bevor ich wusste, ob das die Art war, wie ich diese Pandemie durchleben will, fand ich mich in einem neuen Alltag wieder. Ich lernte: Auch die Abweichung von der Normalität kann irgendwann normal werden.

Wenn wir also jetzt alle so langsam überlegen, wie wir wieder die Rolle rückwärts schaffen, ist die eigentlich entscheidende Frage: Wollen wir wirklich in exakt die gleichen Strukturen zurück wie vorher? Strukturen, die wir vielleicht sogar als einengend empfunden haben? Ich selbst möchte das nicht.

Wenn ich eines weiß, dann das: So wie vor der Krise soll mein Leben nicht wieder werden. Weniger sicher bin ich mir allerdings bei der Antwort, wie es denn werden soll.

Was ich aus der Coronazeit mitnehme

Das liegt zum Einen daran, dass für mich aktuell noch nicht klar ist, wann ein „Zurück zur Normalität“ möglich sein wird und welche Anpassungen ich bis dahin noch an meinem jetzigen Alltag werde vornehmen müssen. Zum Anderen merke ich, dass ich in der jetzigen „neuen Normalität“ immer noch tastend vorangehe. Bei vielem bin ich mir noch nicht sicher, was davon ich auf Dauer gut finde und was nicht. Doch einige positive persönliche und gesellschaftliche Veränderungen kann ich schon jetzt benennen. Vielleicht hilft Ihnen diese kleine Liste, um für sich selbst zu entscheiden, welche neuen Routinen auch Sie nach der Krise für sich behalten möchten.

1. Weniger ist mehr

Ganz massiv hat sich mein Alltag durch Homeoffice und den Wegfall anderer Aktivitäten verändert. Zunächst war das eine ganz schöne Herausforderung. Von morgens bis abends daheim zu sitzen, tat mir nicht gut. Was mir dagegen gut tat, war das Mehr an Zeit, die ich plötzlich hatte. Plötzlich war mehr Raum dafür da, frisch zu kochen, Zeit zu zweit mit meinem Mann zu verbringen oder einfach mal im Garten zu sitzen. Sonst hatte ich mich oft durch einen eher vollen Alltag gehetzt und war am Wochenende und abends nur noch knülle gewesen.

Jetzt war plötzlich Zeit und Kraft für Hobbies, die ich lange zurückgestellt hatte. Ich habe durch die Krise gelernt: Ich muss nicht immer auf Achse sein, um etwas zu erleben. Weniger ist oft mehr. Das soll auch nach Corona meinen Alltag bestimmen.

Ich habe durch die Krise gelernt: Ich muss nicht immer auf Achse sein, um etwas zu erleben. Weniger ist oft mehr.

2. Natur genießen

Als im Lockdown Treffen mit Freunden, aber auch Ausflüge in Museen, Freizeitparks und Städte nicht mehr möglich waren, entdeckte ich die Natur ganz neu für mich. Schon früher hatte ich es in Urlauben genossen, zu wandern und die Schönheit von Gottes Schöpfung zu bestaunen. Doch nach dem Urlaub die Naturerfahrung in den Alltag zu holen, blieb meist ein frommer Wunsch. Durch die Coronazeit wurde aus diesem Wunsch endlich Wirklichkeit. Auch nach der Pandemie soll Bewegung in der Natur einen festen Platz in meinem Alltag behalten.

3. Hygieneregeln im Alltag befolgen

Ja, sie nerven, die Hygieneregeln. Abstandsgebot und Maske tragen machen echt keinen Spaß. Doch manche Hygieneregeln finde ich gar nicht schlecht. Ich muss nämlich zugeben: Ich habe mich immer schon geekelt, wenn Kollegen total verschnupft ins Büro kamen, fleißig husteten und niesten und so ihre Viren verteilten. Die Botschaft an die anderen war dabei zumeist: „Ich bin so wichtig, ich kann es mir nicht leisten zu fehlen.“

Immer öfter hörte ich auch, dass manche Eltern ihre Kinder krank in die Kita bringen. Vielleicht lehrt uns diese Pandemie als Gesellschaft ja endlich eines: Krank ist krank und da bleibt man daheim. Und wer trotzdem meint, unentbehrlich zu sein, hält Abstand, zieht sich eine Maske auf oder arbeitet aus dem Homeoffice.

Bitte, liebe Mitmenschen, behaltet eure Viren auch nach der Pandemie für euch, auch wenn’s nur eine schnöde Grippe ist. So leben wir alle gesünder.

4. Arbeit flexibler gestalten

Auch wenn ich als Teilzeitkraft bereits die ein oder andere Stunde aus dem Homeoffice gearbeitet hatte, war der komplette Umzug meiner beruflichen Tätigkeit in das häusliche Umfeld zunächst eine Riesenherausforderung. Doch wie viele Arbeitnehmer habe ich schnell die Vorteile gesehen und genossen. Später aufstehen, flexiblere Arbeitszeiten und weniger Unterbrechungen bei der Arbeit wirkten sich positiv auf mein Stresslevel aus.

Dagegen musste ich damit leben, dass Absprachen mit Kollegen teils komplizierter waren und manche Tätigkeiten deutlich mehr Zeit brauchten. Ganz im Homeoffice bleiben möchte ich daher nach der Pandemie nicht. Aber ich hoffe, auch in Zukunft meine Arbeit flexibler gestalten zu können als vorher.

5. Weniger Konsum, mehr Lebensfreude

Auch wenn die Pandemie bereits einige Monate andauert, kann ich immer noch an zwei Händen abzählen, in welchen Läden ich seit Mitte März war – Supermärkte ausgenommen. Mein Konsumverhalten hat sich quasi von einem auf den anderen Tag grundlegend geändert. Sicher, ich habe die ein oder andere Onlinebestellung getätigt. Doch im Großen und Ganzen habe ich weniger Geld ausgegeben, zumindest weniger Geld für Dinge, die ich mal eben so beim Bummeln durch die Läden entdeckt und einfach mitgenommen habe.

Natürlich juckt es mich als Frau, bald wieder eine richtige Shoppingtour zu machen. Aber alles in allem habe ich gelernt: Konsum muss nicht sein. Und er macht auch nicht zwingend glücklich. In Zeiten, wo Frustshoppen nicht mehr möglich war, habe ich bessere Möglichkeiten kennengelernt, mich nach einem schlechten Tag wieder aufzubauen. Daran möchte ich mich auch dann noch erinnern, wenn Shoppen ohne Abstandsgebot und Maske wieder möglich ist.

6. Kurzfristiger planen

Ich bin eine Planungs-Queen. Daher war für mich Corona zunächst auch der absolute Super-Gau. Mich kann man nachts um drei wecken und ich kann alle Termine der nächsten zwei Wochen aus dem Stehgreif aufsagen. Ich weiß immer, was ich wann wo mit wem mache. Dagegen ist Unsicherheit für mich ein rotes Tuch. Selbst kleine Unsicherheiten auszuhalten, fällt mir schwer. Während des Lockdowns aber war plötzlich mein ganzer Kalender leer, alle Planungen für die Katz.

Das hat mich am Anfang sehr herausgefordert, aber recht schnell merkte ich, wie befreiend es ist, nur von Tag zu Tag zu leben. Plötzlich konnte ich jedes Wochenende spontan entscheiden, worauf ich gerade Lust hatte, während ich sonst schon dankbar war, wenn ich mal ein Wochenende im Monat keine Termine hatte.

Ich lebte plötzlich unmittelbarer, mehr im Hier und Jetzt und weniger in der Zukunft und nach Terminkalender. Das tat mir gut. Und auch wenn ich mich freue, dass aktuell alles wieder etwas planbarer wird, möchte ich mir doch diese neue Spontaneität nach der Pandemie erhalten.

 Rebecca Schneebeli

Rebecca Schneebeli

  |  Redakteurin

Sie schätzt an ihrem Job, mit verschiedenen Menschen und Themen in Kontakt zu kommen. Sie ist verheiratet und mag Krimis und englische Serien.

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