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© Hudson Hintze / unsplash.com

18.11.2020 / Interview / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Hans Martin Krause

„Nehmt einander an“

Magnus Erhard über die schönen Seiten und Herausforderungen einer Patchwork-Familie.

Nach einer Scheidung und nachdem sein Sohn tödlich verunglückte, lernt Magnus Erhard auf der Trauerfeier seine zukünftige Ehefrau in Wetzlar kennen und findet Trost: „Gott hat uns zusammengeführt“, kann er heute sagen. Im Gespräch mit ERF Medien gibt er u.a. einen praktischen Tipp, der nicht ausschließlich für Patchwork-Familien, sondern auch für alle Familienformen und Ehen wichtig ist.

ERF: Haben Sie erneut kirchlich geheiratet? Ging das ohne Hindernisse?

Erhard Magnus: Also das war so: Wir haben zunächst standesamtlich geheiratet und ein dreiviertel Jahr später etwa dann auch kirchlich. Die Frage, die mich am Anfang schon bewegt hat, das war die: Wie ist es möglich nach einer Trennung, nach einer Scheidung? Wie geht es dann weiter? Was kann man dann? Was darf man? Ich habe dazu einiges gelesen, also sowohl die eine wie auch die andere Seite. Es gibt ja Literatur, die pro oder auch contra ist. Und auch in dem Prozess hin zur Scheidung bin ich seelsorgerlich ganz eng betreut worden.

Diese vielen Gespräche haben dazu geführt, dass ich zunächst gesagt habe: „Also ich muss nicht mehr heiraten.“ Und dann hat Gott das eben anders gesehen. Denn das ist eben auch unsere Geschichte, die uns zueinander geführt hat: Mein Sohn, der ging zu den Jesus Freaks. Die hatte damals meine Frau hier in Wetzlar geleitet, und mein Sohn hat dann immer mal zu mir gesagt: „Och, Papa, du müsstest nochmal jemanden kennenlernen und heiraten.“ Ich habe dann gesagt: „Nee, Benjamin, ich nicht mehr.“

Dann hat er gesagt: „Doch, doch, ich weiß jemand. Das wäre die Geli, die musst du mal kennenlernen.“ Es kam dann dazu, dass mein Sohn tödlich verunglückt ist. Und in dem Zusammenhang habe ich dann die Geli kennengelernt: Auf der Trauerfeier wollte ich nicht, dass irgendein Pastor irgendwas erzählt, der den Benjamin überhaupt nicht gekannt hat, sondern dass die Leute, die mit ihm zusammen waren – das war einmal die Geli von Jesus Freaks und aus der Baptistengemeinde der Tim – auch was dazu sagen. Und darüber habe ich dann meine Frau kennengelernt.
 

ERF: Wie ist das bei Ihnen als Patchwork-Familie? Fühlt sich das manchmal komisch an? Empfinden Sie das so, dass man stigmatisiert wird?

Erhard Magnus: Ich bin jemand, dem das Gerede der Leute ziemlich egal ist. Ich reagiere da kaum drauf. Das ignoriere ich. Gott hat das so bestätigt, dass direkt nach der Trennung meine beiden Kinder in der Schule in einem Halbjahr sich um zwei Noten nach oben verbessert haben, und sie waren dann nachher zwischen eins und zwei. Also das war für mich schon eine Bestätigung: Ja, ich habe den richtigen Weg gewählt. Und danach auch, als wir uns kennengelernt haben, war für uns wichtig, dass die Kinder uns gegenseitig akzeptieren und wir die Kinder auch akzeptieren.

„Das hat immer sehr gut funktioniert“

Und da war für mich das so, dass ich immer gesagt habe, „ich bin kein Vaterersatz“. Das läuft sehr gut so. Die hatten voll ein gutes Verhältnis auch zur Geli. Auch über die Jesus Freaks. Die kannten sich schon. Die Kinder haben mich von Anfang an akzeptiert und wenn es um was ging, mich um Rat gefragt und alles. Das hat immer sehr gut funktioniert.

Die Kinder haben mich von Anfang an akzeptiert und wenn es um was ging, mich um Rat gefragt und alles.

ERF: Und wie schafft man es, dass aus zunächst zwei Kleinfamilien eine glückliche Familie entsteht?

Erhard Magnus: Also ich sag mal so, wenn wir nicht gewusst hätten, dass Gott uns zusammengeführt hat, dann hätte das mit Sicherheit keinen Bestand gehabt, weil wir anderthalb Jahre nach dem Unfall von meinem Sohn geheiratet haben. Das heißt, wir haben uns ja bei der Trauerfeier quasi das erste Mal kennengelernt und haben dann Kontakt miteinander gehabt. Gefühlsmäßig bin ich ständig Achterbahn gefahren und das hat natürlich meine Frau mit abgekriegt. Und wir sind beide der Überzeugung, wenn wir nicht beide von Gott her gewusst hätten, Gott führt uns zusammen und sagt „Ja“ dazu, dann hätten wir das nicht geschafft.
 

ERF: Gibt es auch Herausforderungen als Patchwork-Familie?

Erhard Magnus: Die Herausforderung ist die, dass man zwei Vergangenheiten hat und das war bei uns relativ extrem. Da kommen wir immer wieder aneinander, weil wir in der Vergangenheit etwas erlebt haben, was wir jetzt in die neue Beziehung mit reinbringen und das Miteinander besprochen und geklärt haben. Das war eben auch ganz wichtig für uns. Das war die Herausforderung.
 

ERF: Jetzt haben wir über die Herausforderungen gesprochen. Und vorhin auch schon mal über die schönen Seiten: dass nämlich die Kinder bessere Noten haben und dass sich die Kinder auch gut verstehen. Gibt es noch mehr schöne Seiten?

Erhard Magnus: Wir haben mittlerweile zwölf Enkelkinder und das verbindet alle auch miteinander. Da meine Frau Erzieherin ist, haben wir uns dann entschieden, Pflegekinder aufzunehmen, also Kinder, die vom Jugend-Amt aus den Familien genommen wurden. Und da haben wir insgesamt fünf Pflegekinder immer hier im Haus gehabt und es hat immer gut funktioniert. Klar gibt es Streitigkeiten, Reibereien, das ist ganz normal, aber das war nichts, wo wir jetzt hätten sagen können, es ist so außergewöhnlich. Also es war immer zu schaffen.
 

ERF: Hätten Sie zum Abschluss noch einen Tipp für andere Patchwork-Familien?

Also kommt nedd` zusammen und denkt: „Ach, ich verändere die schon.“

Erhard Magnus: Also ein ganz wichtiger Tipp ist: Nehmt einander an. Also kommt nedd` zusammen und denkt: „Ach, ich verändere die schon.“ Dann passt das irgendwo, dass es dann funktioniert, sich gegenseitig anzunehmen, so wie man ist: Miteinander zu reden, miteinander die Dinge zu teilen und den anderen nicht verändern zu wollen, sondern ihn wirklich so zu nehmen und zu akzeptieren, so wie er ist. Und dann hat man einfach die Freiheit, sich ganz von selbst irgendwo auch zu verändern.
 

ERF: Vielen herzlichen Dank für das Gespräch!


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