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© Nathan McBride / unsplash.com

23.08.2017 / Serviceartikel / Lesezeit: ~ 6 min

Autor/-in: Ute Buth

Weibliche Sexualität: in verschiedenen Lebensphasen

Ärztin Ute Buth erklärt, wie sich Sexualität in verschiedenen Lebensphasen verändert.

In einem Artikel für das Weiße Kreuz hat sich die Ärztin Dr. med. Ute Buth mit dem Thema der weiblichen Sexualität auseinandergesetzt. Wir haben den Text in zwei Service-Artikel aufgeteilt. Im Artikel „Weibliche Sexualität: ein Geschenk Gottes“ erklärt sie aus der Sicht einer Ärztin, wie wunderbar Gott die Sexualität der Frau geschaffen hat und gibt praktische Tipps, um gemeinsam als Paar die weibliche Sexualität zu entdecken. 

In diesem Artikel geht sie darauf ein, wie sich Sexualität in verschiedenen Lebensphasen verändert.

Schwangerschaft: alles verändert sich!

 
Dr. med Ute Buth (Foto: Sven Lorenz, Essen)
Dr. med Ute Buth (Foto: Sven Lorenz, Essen)

Gottes Schöpferplan sieht vor, dass Frauen schwanger werden und Kinder gebären können. Es ist ein besonderes Geschenk, wenn dies nicht nur theoretisch möglich ist, sondern auch in der Praxis erfahren werden darf. Andererseits hat diese Besonderheit auch ihren Preis: zu keinem Zeitpunkt des Lebens ändert sich die Figur einer Frau derart drastisch. Und nicht nur das, auch ein ganz neues Rollenverständnis ‚Mutter zu werden‘ taucht am Horizont auf.

Die Freude an den zärtlichen ersten Kindesbewegungen wird mitunter getrübt von gänzlich unromantischen Schwangerschaftsstreifen. Einkaufstouren zum Erwerb neuer Babywäsche trösten nicht immer über die untrüglichen Nachrichten der Waage hinweg. Gerade in dieser Zeit ist es ungemein wichtig, dass frau sich bei ihrem Mann geborgen weiß, dass sie nicht von dieser Seite auch noch unter Beschuss gerät, wie sich ihr Aussehen doch verändert habe.

Und es sollte selbstverständlich sein, dass Narben nach einer Geburt und Schwangerschaftsstreifen von Seiten des Mannes her als Abzeichen oder Orden gewertet werden. Immerhin hat sie ja das gemeinsam gezeugte Kind ausgetragen!

Für die meisten Frauen ist die auf die Schwangerschaft unweigerlich folgende Geburt kein Spaziergang. Sie ist mit Schmerzen verbunden, im Vorfeld einfach unberechenbar. Bis heute bin ich meinem Mann dankbar, dass er die 17 schmerzhaften Stunden neben mir im Kreißsaal buchstäblich ‚ausgehalten‘ und sich keinen Zentimeter von meiner Seite entfernt hat, auch nicht zur Toilette – obwohl die Hebammen ihn fleißig mit Kaffee versorgten. Erst am nächsten Tag fiel mir auf, welche Meisterleistung er da vollbracht hatte!

Insbesondere nach Geburten auf natürlichem Wege, also durch die Scheide, haben viele Frauen Nähte im Intimbereich. Oftmals ist allein die Vorstellung vom Toilettengang schon angstbesetzt, wie viel mehr der erste Sex – insbesondere dann, wenn die Geburt an sich als traumatisierend erlebt wurde. Immerhin birgt ja der erneute Geschlechtsverkehr auch die Möglichkeit einer neuen Schwangerschaft in sich und möglicherweise einer zweiten schwierigen Geburt.

Hinzu kommen der gestörte Schlaf-Wach-Rhythmus und die Hormonveränderungen. Vor allem in der Stillzeit kann die Scheide durch Östrogenmangel trocken sein. Dann hilft neben dem ausreichend langem Vorspiel, um körpereigenes Gleitmittel bei der Frau zur Verfügung zu haben, manchmal auch ein käuflich erworbenes synthetisches Gel.

Wechseljahre – eine Herausforderung für jedes Paar

Dr. med. Ute Buth leitet mit Ehemann Peter das Team. F – Seminar „Sexualität in der Ehe“ und arbeitet als Fachärztin und Fachberaterin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe für das Weiße Kreuz Deutschland e.V. In ihrer Beratungsstelle ist sie in den Bereichen Sexualberatung, Sexualaufklärung, unerfüllter Kinderwunsch, vorgeburtliche Diagnostik und Empfängnisregelung tätig. Außerdem hat sie das Aufklärungskonzept „Sexualaufklärung – Aufgabe und Chance©“ entwickelt.

Es ist eine herausfordernde Zeit: der lang vertraute, manchmal missliebige Monatszyklus verabschiedet sich, die Fruchtbarkeit der Frau erlischt unwiederbringlich. Ist das Krise oder Chance? Immerhin fällt die Angst, schwanger zu werden, weg.

Nicht selten aber in das gleiche Loch, in dem wohl plötzlich die eigene Identität verschwunden sein muss. Fragen kommen auf: Wer bin ich? Was ist meine Bestimmung? Und wie attraktiv bin ich (noch)?

Hitzewellen, Schlafstörungen und überfallartige Rötungen des Gesichts gepaart mit Schweißausbrüchen machen so mancher Frau in den Wechseljahren das Leben richtig schwer. Das dicke Fell wird dünner, auch die Schleimhäute in der Scheide können schmerzhaft reagieren, Gleit-Gel, manchmal Östrogensalbe ist hier angesagt. Wie sehr verwundert es Frauen mit solchen Erfahrungen, wenn manch andere Frau scheinbar recht uneingeschränkt durch diese Zeit geht.

Die Gefahr stereotyper Denkmuster

Doch mal ganz abgesehen von all diesen im Vergleich zum Mann offensichtlich unterschiedlichen körperbedingten Eigenschaften ist es so, dass sich Frauen recht häufig mit einseitigen Rollenklischees konfrontiert sehen. Leider gibt es davon genug, ganz besonders im Hinblick auf Sexualität. Um nur einige zu nennen: „Männer wollen immer – und denken stets an das eine“, „Frauen haben fast nie Lust, die sind froh, wenn Sex endlich vorbei ist, am besten auf Dauer…“ „Sex ist erst dann gut, wenn beide regelmäßig gleichzeitig zum Orgasmus kommen.“

Wichtig ist: Keiner von uns kann und sollte in irgendeine Schublade eingeordnet werden. Denn: Sex ist weit mehr als der rein körperliche Akt. Gott hat sich Sex so gedacht, dass aus Mann und Frau – also zwei Individuen – durch den Sex ein neuer Mensch wird, ein Fleisch, größtmögliche Nähe unter Menschen. – Dr. med. Ute Buth

Doch zurück zu den Mythen: Ja, es gibt Männer, die viel Lust auf Sex haben – und Ja, es gibt auch Männer, die nicht so viel Lust auf Sex haben. Auch bei den Frauen gibt es solche, die viel Lust auf Sex haben und solche, die Sex am liebsten abschaffen würden. Also: Frauen sind zwar anders, aber Männer eben auch!

Gegenseitige Rücksichtnahme

Nachdem wir uns nun wesentliche Aspekte weiblicher Sexualität genauer angesehen haben, möchte ich abschließend noch eines deutlich machen: Wir leben in einer Zeit, in der gesellschaftspolitisch vieles in Bewegung ist. Die Rollen von Männern und Frauen sind einem großen Wandel unterworfen. Frauen werden immer mehr auch politisch aus der Rolle der Hausfrau und Mutter gedrängt, ob sie wollen oder nicht.

Männer hingegen erleben zunehmend andere Erwartungen, sie sollen Kavaliere sein, Frauenversteher, rücksichtsvoll. Aber wenn mann sich in der sexuellen Begegnung in Zukunft nur noch um die Sexualität der Frau sorgte, dass sie zum Höhepunkt kommt, dass sie ihr Vergnügen hat, dann wiederum besteht Gefahr, dass er seine eigene Sexualität aus dem Blick verliert. Und das ist wenig sinnvoll, schafft es doch neue Schwierigkeiten, die schlussendlich in einer gestörten Sexualität münden können.

Wenn sich stattdessen beide um das Wohl des anderen sorgen, wenn beide ihren Teil dazu beitragen, dann kann lustvolle Sexualität sich entfalten. Von daher soll es das Ziel dieses Artikels sein, Mehrinformationen zu liefern – aber nicht, Leistungsdruck zu erzeugen. – Dr. med. Ute Buth

Schluss – LICHT!

Auch Frauen, bei denen mann und frau den Grund für eine Verunsicherung nicht unbedingt nachvollziehen können, sind aufgrund gesellschaftlicher Normvorstellungen oft zutiefst beunruhigt. Das gesellschaftliche Diktat bestellt vielerorts den Acker: „Was ist in? Wie hat Frau auszusehen? Schlank – rasiert – anatomisch schön geformt? Womöglich gepierct?“ Es ist ein trauriges Kapitel, dass Schönheitsoperationen inzwischen sogar massiv den Intimbereich erobert haben. Die Unsicherheit zu genügen, erklärt bisweilen auch dass die Lampe im Schafzimmer in jedem Fall ausbleiben muss…!

Für viele Männer gilt, dass schon das Selbstbewusstsein einer Frau selbige attraktiver macht – ganz abgesehen vom tatsächlichen Äußeren. Hingegen dem Mann immer wieder zu beteuern, dass man mit sich selbst unzufrieden ist, raubt der Frau etwas von ihrem Charme. Behalten Sie Ihre Zweifel also ruhig einmal für sich.

Die entscheidenden Fragen lauten jedoch: Habe ich meinen Partner, meine Partnerin allumfassend angenommen? Welche Priorität hat Sex in unserem Alltag? Welche Anforderungen konkurrieren um unsere Zeit? Wie sind die Prioritäten des jeweiligen Ehepartners? Haben wir überhaupt Zeit und Raum für die schönste Nebensache der Welt? Und wie ‚nebensächlich‘ ist sie?

Raum, damit meine ich nicht das Schlafzimmer, sondern Raum in unseren Herzen und Gedanken. Nehmen wir uns Zeit dafür? Oder läuft Sex schon aus Zeitgründen und Bequemlichkeit immer nach „Schema F“ ab? Sind wir noch bereit, dazu zu lernen? Auch in Sachen Sex ist noch kein Meister – und auch keine Meisterin – vom Himmel gefallen!

 


Dieser Artikel ist erstmals in der Weißes Kreuz Zeitschrift „Die Frau“ (Heft Nr. 59 3/2014) erschienen.

 

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