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18.11.2015 / Serviceartikel / Lesezeit: ~ 7 min

Autor/-in: Rebecca Schneebeli

Konfliktberater Bibel

Wie die Bibel hilft, Ursachen von Konflikten zu erkennen und sie zu lösen.

„Hört auf zu streiten!“ Diesen Satz haben die meisten Menschen bereits in ihrer Kindheit gehört. Gleichzeitig sind Konflikte etwas, das in unserem Leben nie ganz aufhört. Als Kind streitet man mit den Geschwistern, als Teenie mit den Eltern und kaum ist man verheiratet, lässt der erste Ehekrach nicht lange auf sich warten.

Wo immer Menschen zusammenkommen, kommt es zu Konflikten und Missverständnissen. Dabei wünschen sich die meisten Menschen Frieden mit ihren Mitmenschen. Aber warum gelingt das nur selten? Astrid Eichler hat als Pfarrerin und Gefängnisseelsorgerin gearbeitet und ist überzeugt: Zum Thema Konflikte hat die Bibel einiges zu sagen. Was genau beschreibt sie in ihrem Ratgeber „Friede, Freude – Pustekuchen! Wie uns die Bibel hilft, Konflikte zu bewältigen“. Denn die Bibel legt zum Einen häufige Streitursachen offen, zum Anderen zeigt sie anhand von Positiv- und Negativbeispielen auf, wie man mit Konflikten umgehen kann.

Der Mensch strebt nach Sicherheit, Genuss und Macht

Eine häufige Ursache für Streit lässt sich laut Astrid Eichler bereits an der Schöpfungsgeschichte ablesen. Dort ist alles gut. Adam und Eva haben mehr als genug zum Leben. Wenn da nur nicht die Früchte von diesem einen Baum wären. „Seine Früchte mussten köstlich schmecken, sie anzusehen war eine Augenweide und es war verlockend, dass man davon klug werden sollte!“ (1. Mose 3,6), beschreibt die Bibel Evas Gedanken. Der weitere Verlauf der Geschichte: Adam und Eva essen von den Früchten des Baumes und beschuldigen dann einander. Doch wieso das alles?

Antwort gibt der vorliegende Bibelvers. Die Früchte des Baumes versprechen nicht nur sattzumachen und das Überleben zu sichern, sondern auch Genuss und Ebenbürtigkeit mit Gott. Diese drei Punkte Sicherheit, Genuss und Macht sind es, wegen denen Menschen sich immer wieder in die Haare bekommen. Doch in welcher Art und Weise brechen Konflikte über diese drei Dinge aus?

Bei Gott zählt nicht, wer der Bestimmer ist

Besonders häufig sind Streitigkeiten um Machtfragen. Diese können ganz unterschiedlich aussehen und verlaufen. Da ist zum Beispiel Abraham, der einen Interessenskonflikt mit seinem Neffen Lot dadurch löst, dass er Lot das bessere Stück Land einfach überlässt (1. Mose 13,1-12). So kommt es erst gar nicht zum Streit. Mose und Aaron dagegen erleben, dass ihre Macht vom Volk Israel unmittelbar in Frage gestellt wird (vgl. 4. Mose 16). In dieser Situation geschieht keine menschliche Einigung, sondern Gott selbst greift ein und zeigt, dass er auf Moses und Aarons Seite steht.

Auch die Jünger sind im Neuen Testament vom Wunsch nach Einfluss und Macht angetrieben, wenn sie Jesus fragen, wer unter ihnen der Größte sei (vgl. Lukas 22,24-30). Doch Jesus teilt das Ansehen weder unter den Jüngern auf noch bestätigt er die wichtige Rolle einzelner. Vielmehr hebt er hervor, dass nach Gottes Maßstäben Einfluss und Macht nicht relevant sind. Gott interessiert nicht, wer der Bestimmer ist, sondern wer seinen Willen tut. Diese Einsicht versucht Jesus den Jüngern zu vermitteln.

Aus diesen Geschichten kann ich einiges über Machtfragen lernen. Erstens kann es in einigen Situationen helfen, klare Absprachen zu treffen. Zum Beispiel kann ich mich um klare Zuständigkeiten bemühen, wenn ich merke: Meine Kollegin und ich konkurrieren miteinander. Damit können viele Machtkonflikte vermieden werden. Zweitens hängt der Wert meiner Person nicht davon ab, ob ich viel oder wenig Einfluss habe. Gott beurteilt mich nicht nach meinem Einfluss, sondern nach meinem Charakter. Daher muss ich mich nicht mit anderen messen, sondern kann gelassen auch Aufgaben übernehmen, die mir keinen Ruhm einbringen. Drittens ist Macht etwas, das Gott einzelnen Menschen anvertraut. Er bestätigt immer wieder Menschen, die er dazu berufen hat, aber verlangt von ihnen auch, ihren Einfluss verantwortungsvoll einzusetzen.

Ungerechtigkeiten nicht unter den Teppich kehren

Doch was, wenn die Verhältnisse, in denen ich lebe, ungerecht sind? Soll ich auch hier Machtstrukturen wahren? Zum Einen vielleicht, denn schließlich empfahl Jesus: „Dann gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört – aber gebt Gott, was Gott gehört!“ (Markus 12,17). Er lässt sich nicht dafür vereinnahmen, die Herrschaft der Römer zu stürzen. Zum Anderen wird in der Bibel auch deutlich, dass Gott Ungerechtigkeit nicht gefällt und seine Leute dazu Stellung beziehen sollen.

Ein Beispiel für Astrid Eichler ist Nehemia: Nehemia ist Mundschenk am Hof in Babylon, doch ihn bewegt trotzdem, dass die Stadtmauer von Jerusalem immer noch in Trümmern liegt. Zwar sind viele Israeliten aus Babylon nach Jerusalem zurückgekehrt, doch sie leben sozusagen seit Jahrzehnten zwischen Trümmern. Deshalb stellt Nehemia sich der Aufgabe, die Stadtmauer wieder aufzubauen. Doch in Jerusalem stößt er auf zahllose Konflikte, denn die reicheren Juden beuten ihre ärmeren Landsmänner schamlos aus (vgl. Nehemia 5,1-13).

Wie reagiert Nehemia nun darauf? Fordert er die Benachteiligten dazu auf, in „christlicher Demut“ auszuhalten und zu schweigen, um den Bau der Stadtmauer bloß nicht zu gefährden? Ganz und gar nicht. Nehemia bringt die Ungerechtigkeit aufs Tablett und macht deutlich: Wenn wir dieses Unrecht dulden, schaden wir unserem ganzen Vorhaben (vgl. Nehemia 5,7-11). Nehemia kehrt die Ungerechtigkeit nicht unter den Teppich und erreicht damit, dass die „Ausbeuter“ ihr Verhalten bereuen und ihre Landsmänner ab sofort gerechter behandeln.

Das ermutigt mich dazu, Konflikte nicht zu vermeiden, in denen es darum geht, Gerechtigkeit wiederherzustellen. Vielmehr heißt es hier: Mund auf und Missstände ansprechen. Auch in dem Wie lerne ich von Nehemia. Er klagt die reichen Israeliten nicht nur an, sondern schließt direkt daran eine Forderung zur Wiedergutmachung, aber auch das Angebot der Vergebung an. Wenn mein WG-Kollege immer mich den Abwasch machen lässt, kann ich zum Beispiel sagen: „Die letzten zwei Wochen habe immer ich abgewaschen, bitte übernimm du das jetzt mal wieder.“ Dann habe ich meinem Ärger Luft gemacht und gleichzeitig einen Lösungsvorschlag formuliert, auf den der andere eingehen kann.

Unterschiedliche Meinungen zulassen

Manchmal geht es bei Konflikten aber auch um die scheinbar alles entscheidende Frage: „Was ist richtig und was ist falsch?“ Hier gilt vor allem zu bedenken, dass „richtig“ oder „falsch“ sich nicht immer eindeutig zuordnen lassen. Das gilt für alltägliche Konflikte in der Familie oder am Arbeitsplatz, aber auch für Konflikte um das richtige Verständnis der Bibel. Von einigen solcher Streitigkeiten berichtet auch das Neue Testament. Dabei ist erstaunlich, welches Fazit die Bibel zieht. Alle Streitigkeiten um die Thematik „Richtig oder Falsch“ im Neuen Testament laufen immer wieder auf eines hinaus: Unterschiedliche Meinungen sind in Ordnung und sollen kein Streitpunkt für Christen sein.

Als einige Christen sich darüber streiten, welche Lehrmeinung die richtige ist, greift Paulus harsch ein. Im Korintherbrief macht er deutlich, dass die gemeinsame Basis des Glaubens viel wichtiger sei als die Frage, welche Lehrmeinung ich persönlich richtig finde (vgl. 1. Korinther 1,12f). Auch in anderen Briefen fordert er die frühen Christen immer wieder dazu auf, trotz unterschiedlicher Meinungen, die Gemeinsamkeiten nicht aus dem Blick zu verlieren. Anstatt einander zu richten, sollen gegenseitige Liebe und Wertschätzung den Umgang unter Christen miteinander bestimmen (vgl. Römer 14).

Dies empfinde ich als hilfreichen Tipp – auch für Konflikte, die mit Glaubensfragen nichts zu tun haben. Ich muss mit anderen Menschen nicht immer einer Meinung sein, aber ich soll ihnen liebevoll begegnen. Vor allem lerne ich von Paulus: Das Miteinander ist wichtiger als Recht zu haben. Bevor ich mich darauf versteife, was richtig oder falsch ist, lasse ich erstmal den anderen seine Meinung mitteilen. Wenn möglich, versuche ich eine gemeinsame Basis zu finden, auf die ich mich mit meinem Streitpartner einigen kann. Ansonsten aber halte ich es aus, wenn der andere und ich nicht übereinkommen, ohne dass die Beziehung zueinander daran Schaden nimmt.

Die eigenen Emotionen besser verstehen

Was aber, wenn der Ursprung eines Konfliktes kein äußerer ist, sondern in mir begründet ist? Wenn mich etwa das Verhalten eines anderen Menschen verletzt hat und ich nicht weiß, wie ich mit meiner Enttäuschung umgehen soll? Oder wenn ich den anderen beneide, weil er etwas hat, was ich nicht habe? Anhand der Geschichte von Kain und Abel macht Astrid Eichler deutlich, wie leicht Menschen sich von ihren Gefühlen leiten lassen.

Doch das kann böse Folgen haben. Daher ist es wichtig, in Konflikten weder den eigenen Gefühlen allzu schnell nachzugeben noch unsere Gefühle gänzlich zu ignorieren. Emotionen geben uns Hinweise darauf, wie es in unserer Seele aussieht. Durch sie merken wir, was uns bewegt, was uns verletzt hat, was uns fehlt. Doch gerade in Konflikten sind sie ein schlechter Ratgeber. Gefühle können dazu verleiten, den anderen als alleinigen Urheber des Konflikts zu sehen oder ihn mit bitteren und teils ungerechtfertigten Worten anzugreifen.

Doch was tun gegen die Macht der Gefühle? Es kann helfen, die eigenen Gefühle genauer unter die Lupe zu nehmen – eventuell auch im Gespräch mit Gott: „Wo hatte der andere wirklich Unrecht und bei welchen Anschuldigungen gehe ich zu weit? Sollte ich auf dieses Verhalten des anderen reagieren oder ist der nächste Schritt, nachzugeben und sich um Versöhnung zu bemühen?“ Wichtig ist hierbei, dass es nicht um ein Abwerten der eigenen Gefühle geht, sondern darum, sie in einem geschützten Rahmen anzuschauen und zu entschärfen, damit sie die Beziehung zu meinem Mitmenschen nicht weiter gefährden.

 

 Rebecca Schneebeli

Rebecca Schneebeli

  |  Redakteurin

Sie schätzt an ihrem Job, mit verschiedenen Menschen und Themen in Kontakt zu kommen. Sie ist verheiratet und mag Krimis und englische Serien.

Ihr Kommentar

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Kommentare (2)

Johannes /

Euer Artikel ist eine echte Gebetserhörung. Man kann es sich echt vornehmen nicht zu streiten, aber ist je nach Veranlagung schon wieder im Nächsten. Ich hab mir vorgenommen (von der Bibelarbeit mehr

Stevan R. /

Ich finde das thema wichtig und daher auch wichtig sich mit diesen thema ausernander zu setzen .so können wir lernen uns richtig zu verhalten wenn sich streit in unserem umfeld ereignet.

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