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© Wesley Tingey / unsplash.com

28.08.2015 / Interview / Lesezeit: ~ 9 min

Autor/-in: Lucia Ewald

Sorglos unterwegs

Sorgen einfach loslassen – ist das möglich? Tipps von Autorin Katja Bernhardt.

„Guten Morgen, liebe Sorgen, seid ihr auch schon alle da?“ – dieses humorvolle Lied macht deutlich, welche Bedeutung Sorgen für unser Leben haben. Wir ermutigen einander mit „Mach dir keine Sorgen“ und doch spielen Sorgen in unserem Leben oft eine viel zu große Rolle.

Die Autorin Katja Bernhardt hat sich in ihrem Buch Unterwegs mit leichtem Gepäck damit auseinandergesetzt, wie man besser mit Alltagssorgen umgehen kann. Sie gibt Tipps, wie man Sorgen ganz konkret loswird.
 

ERF: Was sind Sorgen, mit denen wir uns selbst behindern?

Katja Bernhardt: Wenn ich auf mein Leben blicke, sind es häufig Sorgen, die mit meiner Familie zusammenhängen. Als Mutter mache ich mir oft Sorgen und muss aufpassen, dass ich mich nicht zu viel um unsere Töchter sorge.

Wir sorgen uns auch um berufliche Dinge und haben Fragen wie: „Wo stehe ich heute? Wo kann ich hinkommen?“ Ich denke, das ist auch berechtigt. Es gibt Grund genug, sich Sorgen zu machen. Man schaut in die Zukunft und überlegt: „Was ist morgen und übermorgen?“ Und schon fängt unser Sorgenrad an, sich zu drehen.
 

ERF: Bei einer Wanderung packen wir oft zu viel in den Rucksack und merken später: Das haben wir gar nicht gebraucht. Ist das bei Sorgen auch so? Sind viele unserer Sorgen sozusagen „unnötig“?

Katja Bernhardt: Viele Sorgen sind tatsächlich überflüssig. Wir waren vor einigen Jahren im Urlaub und standen mit unseren Koffern am Check-in und der Koffer war zweieinhalb Kilo zu schwer. Wir hätten viel Geld bezahlen müssen, um dieses Übergepäck mitzunehmen. Wir haben den Koffer dann vom Kofferband genommen, ausgepackt und entschieden: Was kann hierbleiben? Wir mussten in dem Moment schnell entscheiden: Was ist wichtig? Was unwichtig? Eine solche Einstellung hilft auch im Blick auf unsere Sorgen.

Was bin ich – Lastenträger, Alleingänger oder Routenplaner?

ERF: In Ihrem Buch nehmen Sie nicht nur das Thema Sorgen in Angriff, sondern stellen auch verschiedene Sorgentypen vor. Welche verschiedenen Sorgentypen gibt es denn?

Katja Bernhardt: Es gibt den Lastenträger: Der, der gerne seinen eigenen Rucksack aufpackt. Immer wenn andere von ihren Sorgen erzählen, packt er getrost die fremden Sorgen mit in seinen Rucksack und merkt gar nicht, dass das zu viel ist. Ich musste als Kinderkrankenschwester schmerzlich lernen, Menschen gut zu begleiten, aber trotzdem Distanz zu bewahren. Denn da, wo mir die fremde Not zu groß wird, bin ich dem anderen keine Hilfe mehr.

Man sollte daher immer wieder überlegen: „Ist das jetzt mein Problem, meine Sorge? Oder ist das die Sorge eines anderen?“ Wir können mit überlegen und auch mitbegleiten, aber wir dürfen uns auch ein Stück weit distanzieren.

Dieses Wissen hat mir damals geholfen, bewusster mit Sorgen umzugehen. Ein anderer Sorgentyp ist der „Hans guck in die Luft“. Er verdrängt im Grunde genommen seine Sorgen. Er lebt nach dem Motto: „Es gibt Sorgen und Probleme in meinem Alltag. Aber die lasse ich nicht an mich heran.“ Für solche Menschen wäre es hilfreich zu überlegen: „Was ist es konkret, das mich belastet? Gibt es andere Wege, damit umzugehen?“

Zudem gibt es auch den Sorgentyp des Alleingängers. Das sind Menschen, die versuchen, alle Sorgen und Probleme allein zu lösen. Diese Menschen ziehen sich schnell zurück und haben die Vorstellung: „Keiner versteht wirklich, was mich belastet.“ Diese Menschen machen es sich schwer, weil sie sich nicht öffnen können. Vielleicht weil sie in ihrer Kindheit erlebt haben, dass sie mit ihren Sorgen allein gelassen wurden.

Das hat sich oft so tief eingeprägt, dass sie auch im Erwachsenenalter das Gefühl haben: „Ich stehe ganz allein da.“ Hier ist wichtigste Schritt zu erkennen: „Ich bin so geprägt.“ Danach ist es wichtig, dass man sich Menschen sucht, denen man vertraut und bei denen man versucht, sich zu öffnen. So lernt man von den Dingen zu erzählen, die einen belastet.
 

ERF: In Ihrem Buch nennen Sie noch zwei weitere Sorgentypen und zwar den sogenannten Streckenkontrolleur und den Routenplaner. Was versteckt sich hinter diesen Begriffen?

Katja Bernhardt: Als Streckenkontrolleur bezeichne ich den Sorgentyp, der glaubt, er müsse immer alles unter Kontrolle haben. Ich glaube, dass gerade Mütter aufpassen müssen, nicht in diese Rolle zu verfallen. Dieser Sorgentyp ist nur glücklich, wenn er das Gefühl hat: „So lange ich alles unter Kontrolle habe, kann ich meine Sorgen relativ gering halten.“ Das ist letztlich ein Trugschluss.

Der Routenplaner ist jemand, der akribisch jeden Schritt plant, den er geht. Alles muss bis ins Detail geplant werden: Die Zukunft, der nächste Tag, die nächste Woche, das nächste Jahr. Er muss alles gut durchdenken, bevor er auch nur einen Schritt geht. Unvorhersehbares und Überraschendes ist für solche Menschen ganz schwer zu verarbeiten. Denn das haben sie ja nicht selbst geplant und nicht vorher durchdacht.


ERF: Und wie komme ich da raus?

Katja Bernhardt: Indem ich mir bewusst mache, dass ich ein Mensch bin, der nicht gut auf Spontanes reagieren kann. Dann kann ich das im Kleinen üben und mir sagen: „Ich will mich darauf einlassen, dass etwas Unvorhersehbares in mein Leben gekommen ist. Wie kann ich jetzt mit der Situation gut umgehen?“

Als ich einmal in Stuttgart unterwegs war, habe ich nachts habe ich vom Bahnstreik gehört und wusste, ich werde am nächsten Tag nicht mit dem Zug nach Kassel fahren können. Da habe ich plötzlich angefangen zu überlegen: „Was jetzt? Wie komme ich heim?“ Am nächsten Morgen spürte man auch am Bahnhof, dass die Menschen unruhig waren. In dem Moment erinnerte ich mich an meinen Freund Torsten Hebel und dachte: „Wenn er jetzt neben mir stehen würde, würde er sagen: ‚Wow, Katja, was wird das für ein spannender Tag! Mal gucken, wie wir nach Hause kommen.‘“

Und da dachte ich: Genau das ist es. Das habe ich so nicht geplant, aber ich habe mich darauf eingelassen und mich dann über jede Etappe gefreut, die ich Kassel näher gekommen bin. Abends war ich erschöpft zu Hause und es war am Ende sogar spannend gewesen.

„Ist meine Sorge auch in fünf Wochen noch wichtig?“

ERF: Haben Sie einen konkreten Tipp, wie man Zukunftsängste und Sorgen entmachten kann?

Katja Bernhardt: Ein Tipp ist, negative Gedanken gegen positive Gedanken zu tauschen. Immer dann, wenn eine Sorge aufkommt, stellt man einen guten Gedanken dagegen. Es geht darum, nicht in diesen negativen Gedanken zu bleiben. Auch ist es hilfreich, sich innerlich zu sagen: „Ich mache jetzt hier Stopp“, wenn ich über einer Sache grüble und keinen Schritt weiterkomme.

Folgendes hat mir geholfen: Ich habe verstanden, dass ich allein durch Nachdenken nur die wenigsten Probleme lösen kann. Es ist egal, ob ich fünf Minuten oder fünf Stunden über ein Problem nachdenke.

Daher darf ich mir erlauben zu sagen: „Stopp, bis hierhin und jetzt einen guten Gedanken dagegen.“
 

ERF: Was sind andere Hilfestellungen, um leichter und unbeschwerter durchs Leben zu gehen?

Katja Bernhardt: Zum einen ist es wichtig, dass wir lernen zu unterscheiden: „Was ist wirklich wichtig in meinem Leben? Und was unwichtig?“ Wir leben in einer hektischen Zeit. Viele Entscheidungen müssen schnell getroffen werden. Oft bleibt uns keine Zeit, zu klären: „Ist das, was ich gerade erlebe, wirklich wesentlich für mein Leben oder ist es eher eine Nebensache?“

Ich frage mich dann: „Wird das, worüber ich heute so viel nachdenke, in fünf Tagen, in fünf Monaten oder in fünf Jahren noch eine Rolle spielen?“ Und wenn ich merke, dass meine Sorge in fünf Wochen schon keine Rolle mehr spielen wird, muss ich ihr jetzt auch nicht so viel Zeit einräumen. Dann kann ich mir für andere Sorgen, die wirklich wesentlich sind, Zeit nehmen und überlegen: „Wie kann ich damit umgehen?“
 

ERF: In Ihrem Buch empfehlen Sie, Altlasten loszuwerden. Hängt es auch mit Altlasten zusammen, dass man sich zu unterschiedlichen Sorgentypen entwickelt?

Katja Bernhardt: Ich denke schon. Es ist wichtig, sich die Fragen zu stellen: „Wie ist man in meiner Ursprungsfamilie mit Sorgen umgegangen? Wie habe ich meine Eltern erlebt, wenn ein Problem auftauchte? Welche Strategien haben sie entwickelt, um mit Problemen umzugehen?“ Denn das prägt uns für unser späteres Leben. Aber wir sind darauf nicht festgelegt. Es ist hilfreich zu reflektieren: „Wo stehe ich? Was sind meine Prägungen? Was macht mein Leben aus?“ Dann kann ich überlegen, wie ich damit gut umgehen und welche Entscheidungen ich für mich treffen will.

Wir sind eben nicht festgelegt auf das, was wir erlebt haben, sondern wir dürfen uns mit Gott verändern.

Gebet als Schlüssel zum Umgang mit Sorgen

ERF: Sie sprachen Gott an. Wie hilft Ihnen Ihr Glaube dabei, Sorgen loszulassen?

Katja Bernhardt: Jesus lädt uns ein, bei ihm unsere Sorgen abzuladen: „Kommt her zu mir, die ihr mühselig und beladen seid. Ich will euch Ruhe geben“ (Matthäus 11,28). Das ist eine konkrete Aufforderung, unsere Sorgen Jesus hinzulegen.

Alle Tipps aus meinem Buch helfen im Alltag nur bis zu einem bestimmten Punkt. Dann kommt es letztlich darauf an, meine Sorge loszulassen und sie Jesus anzuvertrauen. Das ist das grundsätzliche Problem beim Sorgen. Es hat ganz viel mit Vertrauen zu tun. Sorgen fangen da an, wo ich nicht vertrauen kann: Zum Beispiel wo ich als Mutter meinem Kind nicht vertraue, dass es diese oder jene Aufgabe bewältigen kann.

Misstrauen ist die Wurzel aller Sorge. Und Misstrauen gibt es zwischen Gott und Mensch und in allen zwischenmenschlichen Beziehungen. Daher ist das Wichtigste, dass wir Gott wirklich zutrauen, dass er unsere Sorge tragen kann. Das heißt aber auch, dass ich bereit bin, meine Sorge abzugeben und loszulassen.

ERF: Können Sie mir ein Beispiel nennen, in dem Ihnen die Bibel in einer konkreten Situation geholfen hat, mit Sorgen besser umzugehen?

Katja Bernhardt: Für mich war eine Schlüsselsituation eine Zeit, in der unsere älteste Tochter eine Art Teenagerkrise erlebt hat: Sie hat sich immer mehr von uns distanziert. Ich hatte das Gefühl: Meine Liebe erreicht sie überhaupt nicht mehr. Bei ihrer Konfirmation hatte sie sich selbst das Wort ausgesucht: „Denn er hat seinen Engeln befohlen über dir, dass sie dich behüten“ (Psalm 91,11). Damals dachte ich: „Warum nimmt sie so ein Bibelwort? Das nehmen doch so viele.“

Doch in der Zeit, als ich mir große Sorgen um sie gemacht habe, wurde ich selbst durch dieses Wort ermutigt. Ich habe dann gebetet:

Herr, sie ist dein Kind und du willst auf sie aufpassen. Du hast es versprochen. Ich halte mich jetzt an diese Zusage. Ich lasse die Sorge los und ich gebe dir das ab.

Die Sorgen waren nicht mit einem Mal weg. Aber in mir hat sich etwas verändert. Ich habe einen tiefen Frieden erlebt und plötzlich gespürt: „Ich bin nicht allein. Gott hat die Kontrolle.“ Das war ein großes Schlüsselerlebnis.
 

ERF: Gibt es heute noch Dinge, die Ihnen schlaflose Nächte bereiten und was unternehmen Sie dagegen?

Katja Bernhardt: Grundsätzlich bin ich jemand, der gut schlafen kann. Aber ich kenne auch schlaflose Nächte. Mein Schlüssel ist das Gebet. Zu meinem Mann sage ich hin und wieder:

Wenn du nicht schlafen kannst, zähle nicht die Schafe, sondern rede mit deinem Hirten.

Gebet ist ein ganz wichtiger Schlüssel im Umgang mit Sorgen.
 

ERF: Sind Sie heute mit weniger Lasten unterwegs?

Katja Bernhardt: Ja, denn ich habe gelernt, die schönen Dinge bewusst aus Gottes Hand zu nehmen und zu genießen. Das gibt mir die Kraft, auch in schweren Tagen Geduld zu haben und sie zu ertragen. Ich habe mir positives Denken angewöhnt und frage nun: „Was schenkt mir Gott an diesem Tag?“ Denn hier und heute gibt es viele Dinge, die wirklich gut sind.

Ja, es wird auch weiter Sorgen geben, die mich belasten. Aber ich kann mich immer wieder neu auf Jesus ausrichten und bekennen: „Du bist der Herr in meinem Leben.“ Das ermutigt mich.

ERF: Vielen Dank für das Interview.

 

Ihr Kommentar

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Kommentare (2)

Magdalena M. /

Ein sehr guter, hilfreicher Beitrag! Mit Sorgen und Grübeln können wir an der entsprechenden Situation gar nichts ändern, sondern schaden am Ende vielleicht sogar unserer Gesundheit. Die meisten mehr

Julia /

Vielen Dank! Ich bin zufällig auf diesen Artikel gestoßen und er hat mir den Anstoß für den Tag gegeben, den ich heute gebraucht habe! Vielen Dank dafür!

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