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10.02.2015 / Kommentar / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: Christine Keller

Hochzeit für die Quote

„Hochzeit auf den ersten Blick“ bringt zwar keine Liebe, dafür Zuschauerzahlen. Ein Kommentar

Im November und Dezember 2014 lief auf Sat1 die Quoten-Kuppelshow „Hochzeit auf den ersten Blick“. Wissenschaft sollte hier zu Liebe werden: Ein vierköpfiges Expertenteam hat anhand von psychologischen Tests aus allen Bewerbern vier Paare „gematcht“. Aus Sicht der Wissenschaft sollten Bea und Tim, Jana und Rico, Steffi und Pierre sowie Tatjana und Dennis zusammenpassen. Jana und Rico und auch Steffi und Pierre trennten sich bereits in der Sendung, die anderen zwei Paare blieben vorerst zusammen.

Am Sonntag, den 08. Februar, zeigte Sat1, wie es den „gematchten“ Paaren acht Monate nach ihrer Blind-Date-Hochzeit geht. Kurz zusammengefasst: Ein Paar möchte zusammenbleiben, drei Paare haben sich dauerhaft getrennt. Trotz dieser Zahlen sind sich die Matching-Experten Ingrid Strobel, Dr. Sandra Köhldorfer, Uwe Linke und Martin Dreyer einig: Das Experiment hat sich gelohnt. Alle Teilnehmer haben viel über sich lernen können – Scheidung hin oder her.

Arm in der Liebe, reich an Erfahrungen

Das Sat1-Vorzeigepärchen Bea und Tim besucht das Wackelkandidaten-Pärchen Tatjana und Dennis, die nicht mehr traurig Verlassenen Rico und Pierre sitzen mit Dr. Sandra Köhldorfer auf dem Sofa und der distanzierte „Eisblock“ Jana macht es sich neben Martin Dreyer bequem. Alle sehen die bewegenden Momente ihrer Show, kommentieren eigene und andere Reaktionen. Eine im Bunde fehlt allerdings: Steffi. Sie ist emotional noch nicht in der Lage für einen öffentlichen Auftritt.

Es wird gelacht, gewitzelt und gestichelt. Vor allem aber wird eins: Werbung gemacht. Damit meine ich nicht die halbstündige Werbeunterbrechung, die bei Sat1 jeweils rund zehn Minuten dauert. Im Herbst soll eine zweite Staffel von „Hochzeit auf den ersten Blick“ anlaufen und der Bewerbungszeitraum hat bereits begonnen. Da ist es angebracht, die erste Staffel zusammenzufassen und in ein positives Licht zu rücken: Bea und Tim haben den Partner für’s Leben gefunden (und wieder lächelt Bea in die Kamera und wiederholt das Motto „Ja, aus Wissenschaft kann Liebe werden“) und die anderen sechs Kandidaten sind um so viele Erfahrungen reicher.

Eine frohe Botschaft?

Das betonen nicht nur die drei Psychologen, sondern auch Theologe Martin Dreyer. Wenn man etwas dazulernen kann, ist es also vollkommen in Ordnung, eine wildfremde Person zu heiraten und nach wenigen Wochen die Scheidung zu beschließen? Wenn Jesus in seiner berühmten Bergpredigt über Scheidung spricht, ist mir dieser Zusatz – „es sei denn, sie lernen etwas daraus“ – noch nie aufgefallen. Vielleicht muss ich die von Dreyer geschriebene Volxbibel nochmal studieren.

Eine Brücke zum christlichen Glauben zu schlagen, ist nicht möglich. Dreyer wird aber sehr kreativ bei seinem Versuch dabei: Als Botschafter des Evangeliums – der guten Nachricht – war es ihm eine außerordentliche Freude, den Kandidaten ihre persönliche frohe Kunde zu überbringen: „Wir haben den passenden Partner für dich gefunden.“ Die Reaktion der Kandidaten konnte mit dieser Frömmigkeit fast mithalten. Drei der acht Kandidaten kreischten direkt in die Kamera: „Oh mein Gooooott!“

Das Ziel der Show hat nichts mit biblischen Vorstellungen der Ehe zu tun, muss ich fairerweise ergänzen. Stattdessen sollte die Show ein Alternativkonzept zur Liebeshochzeit vorstellen. „Die Liebesheirat hat ausgedient“, verkündete die psychologische Beraterin Ingrid Strobel anfangs in ihrem Experteninterview. Auch Martin Dreyer denkt, dass man das Modell Liebesheirat hinterfragen müsse. Schließlich gebe es eine Scheidungsrate von fast 50 Prozent. Diese Aussage hat Dreyer allerdings vor dem Experiment gewagt – bevor feststand, dass ihre Quote bei 75 Prozent liegt.

Wissenschaft, die Gott spielt

Wenn eine Ehe basierend auf wissenschaftlichen Faktoren nun auch nicht funktioniert, warum kommt im Herbst eine zweite Staffel? Findet man beim zweiten Anlauf etwa Kandidaten, die sich mehr auf das Experiment einlassen? Die Experten schieben die gescheiterten Ehen den Teilnehmern – nicht dem Konzept – zu. Sie wären nicht offen genug, sich auf das Vorgehen einzulassen. Oder sieht sich Sat1 als Freund und Helfer, der dazu beiträgt, dass Kandidaten für ihr Leben lernen können? Möglicherweise. Vielleicht spielen die über zwei Millionen Zuschauer auch eine Rolle – aber das wäre nur eine abwegige Vermutung.

Eventuell hat die Show uns Zuschauer doch bereichert. Man wurde mit zusätzlichen Methoden vertraut gemacht, mit denen man überprüfen kann, ob man zu seinem Partner passt – das konventionelle Kennenlernen bietet anscheinend keine solide Basis für diese Entscheidung. Wer genug Geld hat, lässt einen DNA-Test machen und schaut, ob man sich riechen kann. Das kann man nämlich nicht selbst herausfinden, das muss die Wissenschaft übernehmen. Wer es günstiger haben möchte, geht mit seinem Partner in einen Stoffladen. Wenn sich beide dasselbe Stück Stoff aussuchen, harmonieren sie auf erotischer Ebene. Ein Hoch auf die Wissenschaft, die Gott spielen möchte!

 Christine Keller

Christine Keller

  |  Redakteurin

Hat in der Redaktion von ERF Jess gearbeitet. Ist ansonsten als freie Journalistin auch online und hinter der Kamera unterwegs. Sie hat Hummeln im Hintern, was aber nicht weh tut. Sie liebt es, To-Do-Listen zu schreiben und abzuhaken. Wenn‘s doch mal entspannt sein soll, nimmt sie gern ein gutes Buch zur Hand.

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Kommentare (1)

Uschi /

Schon längst vor den drei "Scheidungen" war ich entsetzt, dass ein Christ wie Martin Dreyer da mitmacht. Eine Hochzeit ist doch wohl viel zu wichtig um eine solche Show daraus zu machen. Aber Herr mehr

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