Navigation überspringen
© Privat

28.06.2013 / Interview / Lesezeit: ~ 7 min

Autor/-in: Jan D.

Gefaltete Fäuste

Jesus und den Kampfsport lieben - wie das zusammenpasst, erklärt Kickboxer Wolfgang Lindemeyer im Interview mit ERF Online.

Die Vereinigung christlicher Kampfsportler (kurz: VCK) setzt sich dafür ein, dass das Evangelium auch in diesem Bereich des Sports gelebt wird. Jesus soll in die Herzen der Sportler gebracht und Christen im Bereich des Kampfsports beraten werden. ERF Online hat zu diesem ungewöhnlichen Vorhaben den Vereinsvorsitzenden Wolfgang Lindemeyer befragt.

ERF Online: Herr Lindemeyer, Sie betreiben Kickboxen. Wie passt das mit dem Evangelium von Jesus Christus zusammen?

Lindemeyer: Wir sind Christen, die sich für Kampfsport interessieren und möchten vor allem zwei Dinge: Kampfsportler und Kampfsportinteressierte mit dem Evangelium in Verbindung bringen und Christen im Bereich des Kampfsports beraten.

Der Kampfsport ist kein Weg, um in den Himmel zu kommen – das Evangelium hingegen schon. Wir betreiben den Sport für die Fitness, die Gesundheit, und zur Selbstverteidigung und Nothilfe in Notfallsituationen. Es geht uns also nicht darum, durch Kampfsport bessere Menschen zu werden oder unsere Erlösung zu erwirken. Eine Anleitung für unser Leben finden wir in der Bibel und Erlösung haben wir nur durch Jesus Christus.

Uns ist aber bewusst, dass es Kampfsportarten gibt, die von Elementen fernöstlicher Religionen durchdrungen sind und Kampfsport als Lebensweg zur Selbsterlösung propagieren. Deshalb muss jeder Kampfsportler letztlich für sich mit Gott ausmachen, ob er Christ und Kampfsportler zugleich sein kann.

„Gewalt ist das letzte Mittel“

ERF Online: Wie wenden Sie dann die Bibelstelle aus Matthäus 5,39 persönlich an:  „Und wer dich auf die eine Wange schlägt, dem biete die andere auch dar“?

Lindemeyer: Diese Bibelstelle wird gerne aus dem Zusammenhang gerissen. Es geht hier nicht um Selbstverteidigung oder körperliche Angriffe, sondern um den Umgang mit Rache und Beleidigungen. Im griechischen Urtext steht hier das Wort „rhapizo“, das einen Schlag mit dem Handrücken ins Gesicht bedeutet. Dies war eine Geste, die zum Beispiel ein Herr gegenüber seinem Knecht tun durfte. Bei Gleichgestellten galt sie als schwere Beleidigung, die nach rabbinischem Recht doppelt bestraft wurde. Deshalb soll man sich durchaus beleidigen lassen, ohne sich zu wehren oder sich zu rächen. Das ist die Kernaussage dieser Bibelstelle.

Im Prinzip ist unser Notwehrgesetz ähnlich aufgebaut. Man darf einen Angriff abwehren, der gegenwärtig ist. Kämpft man weiter (z. B. wenn der Angreifer auf dem Boden ist), wird man selbst zum Angreifer und vom Notwehrgesetz nicht mehr geschützt. Dies ist ein wichtiger Bestandteil des Selbstverteidigungstrainings.

Deshalb könnte man das Notwehrgesetz durchaus biblisch nennen. Außerdem soll man in Notfallsituationen auch seinem Nächsten helfen, wenn er in Not ist. Selbstverteidigungstraining kann hier Hilfestellungen geben. Der bekannte reformierte Pfarrer Dr. Peter Vogelsanger hat dies so formuliert: „Die Notwehr ist dem Christen sogar geboten, weil er bei Verzicht darauf die ganze Ordnung des menschlichen Zusammenlebens in Frage stellt.“

ERF Online: Geht es Ihnen also lediglich um die professionelle Ausübung des Sports oder mussten Sie ihn auch schon mal zur Selbstverteidigung bei Konflikten außerhalb der Trainingshalle nutzen?

Lindemeyer: Interessanterweise brauchte ich das als Christ nicht mehr (lacht). Durch den Kampfsport entwickelt man eine ganz andere Ausstrahlung. Es gibt Menschen, die in eine typische Opferrolle passen und eher ängstlich durch das Leben gehen. Der Kampfsport trägt dazu bei, dass man ein anderes Auftreten entwickelt und nicht mehr von anderen als „leichtes Opfer“  gesehen wird, das sich nicht wehren kann. Das muss nicht immer gleich ein handfester Streit sein, sondern kann zum Beispiel auch eine Pöbelei betreffen.

Für mich als Christ ist es selbstverständlich, dass ich von mir aus keinen Streit anfange, auch wenn ich mich körperlich behaupten könnte. Außerdem gebe ich immer mein Bestes, um Konflikte zu entschärfen. Gewalt ist – wie für Nicht-Kampfsportler auch – das absolut letzte Mittel. Selbst wenn Gewalt nicht mehr vermeidbar ist, kann man sie auf ein Minimum eingrenzen.

Kampftechniken sind auch nur ein Teil des Selbstverteidigungstrainings. Die körperliche Auseinandersetzung ist die letzte Stufe, die es möglichst mit verschiedenen Strategien zu vermeiden gilt. Dazu gehören eine besondere Aufmerksamkeit und Wahrnehmung, um Situationen zu bewerten. Des Weiteren zählen Prävention, Selbstbehauptungsfähigkeit und  Fluchtbereitschaft zu diesen Strategien. Erst wenn sie alle versagen, sind Kampftechniken das letzte Mittel in einer Konfliktsituation.

Lieber Gott als sich selbst vertrauen

ERF Online: Kampfsport übt oft gerade auf Kinder und Jugendliche eine besondere Faszination aus. Was lernen Kinder dadurch, dass sie Kampfsport ausüben?

Lindemeyer: Kampfsport gibt Kindern die Möglichkeit, sich mal richtig auszupowern. Außerdem lernen sie, dass es weder im Sport noch sonst wo im Leben ohne Regeln zugeht. Denn gerade im Kampfsport ist es für alle Beteiligten besonders wichtig, klare Regeln einzuhalten.

Die Kinder entwickeln außerdem ein stärkeres Selbstbewusstsein. Sie selbst wissen: Ich kann etwas. Dieses Wissen hilft unter anderem dabei, Konflikte zu vermeiden. Die Kinder lernen auch verschiedene Formen der Deeskalation, also auch mal bewusst „Nein“ oder „Lass mich in Ruhe“ zu sagen. Es geht darum, anderen Kindern und auch Erwachsenen Grenzen aufzuzeigen. Kinder sollen von sich sagen können: Ich lasse nicht einfach etwas mit mir machen, das ich nicht will!

ERF Online: Kinder müssen solch ein Selbstbewusstsein ja erst noch entwickeln. Welchen Nutzen bietet der Kampfsport dabei?

Lindemeyer: Selbstbewusstsein ist ja das Bewusstsein meiner selbst und dahinter steht die Frage: Wer bin ich? Diese muss in erster Linie aus der Beziehung zu Jesus Christus beantwortet werden. Eine Identifikation kann nicht über den Kampfsport laufen, sondern muss zwischen mir und Gott entstehen.

Anders ist es beim Thema Selbstvertrauen. Durch Lob und Ermutigung im Sport können wir das Vertrauen der Kinder in sich selbst stärken. Natürlich darf man es nicht überbewerten, sodass die Kinder abheben und sich nur noch auf sich selbst verlassen. Mir ist wichtig, immer auch die Abhängigkeit von Gott zu betonen. Denn für Kinder wie Erwachsene ist nicht nur Selbst- sondern vor allem auch Gottvertrauen wichtig, um „sich selbst bewusst“ zu sein. In der Bibel sieht man das bei Josua, als er die Stadt Ai eingenommen hat. Das ging nicht ohne eine gute Mischung aus Vertrauen auf die eigene Stärke und das Eingreifen Gottes.

Wichtig aber ist zu vermitteln: Die, die sich prügeln, können nur verlieren! Entweder verlieren sie den Kampf und können sich dabei verletzen oder sie landen als vermeintliche Sieger der Schlägerei vor Gericht und werden verurteilt. Besitzt ein Angeklagter dann auch noch Kampfsportfähigkeiten, kann dies gegen ihn verwendet werden und die Strafe verschärfen. Außerdem lehrt die Bibel zu diesem Thema, dass wir mit allen Menschen, so es uns möglich ist, Frieden halten sollen (Römer 12,18).

Fernöstliche Einflüsse: Christen warnen

ERF Online: Gott sieht den Menschen ja als Einheit aus Geist, Seele und Leib, die in einer untrennbaren Beziehung zueinander stehen. Kampfsport hält vor allem den Körper fit. Welche positiven Auswirkungen hat er auf andere Lebensbereiche – erleben Sie persönlich auch einen geistlichen Nutzen?

Lindemeyer: Ein Blick in die Bibel verrät: Paulus hielt wenig von körperlicher Ertüchtigung (1. Timotheus 4,8). Fernöstliche Kampfsportarten basieren darauf, dass man durch äußerliches Training geistliche Resultate hervorruft. Als Christ wachse ich aber in erster Linie in meinem Glauben, indem ich die Bibel lese und mich vom Heiligen Geist verändern lasse. Geistliches Wachstum geschieht eben nicht durch mystische Rituale oder Sport, das wusste schon Paulus. Was sich aber übertragen lässt, ist die Disziplin, die man im Kampfsport entwickelt. Diese Fähigkeit benötige ich auch in anderen Lebensbereichen, zum Beispiel um nach dem Willen Gottes als Ehemann zu leben oder schlechten Gedanken keinen Raum zu geben.

ERF Online: Gerade in den fernöstlichen Kampfsportarten verunsichern spirituelle Rituale diejenigen Sportler, die dem christlichen Glauben angehören: Sie fürchten eine Vermischung mit religiösen Einflüssen. Können Christen dadurch in ihrem Glauben gefährdet sein?

Lindemeyer: Ich rate Christen, keine fernöstlichen Kampfsportarten zu betreiben. Immerhin gibt es auch Alternativen, wie zum Beispiel das israelische Selbstverteidigungssystem Krav Maga. Die Grenze zum spirituellen Bereich ist bei fernöstlichen Kampfkünsten einfach sehr schwammig. Sie basieren auf Religionen wie dem Taoismus, dem Buddhismus oder dem Konfuzianismus. Solche Einflüsse können nicht im Interesse eines Christen stehen.

ERF Online: Was raten Sie Menschen, die sich für einen Kampfsport interessieren, aber aufgrund von Unwissenheit oder aus Glaubensgründen nicht sicher sind, ob sie ihn ausüben sollten? Können Sie hier Entscheidungshilfen geben?

Lindemeyer: Christen sollten nicht einfach nach ihrem Bauchgefühl handeln. Mittlerweile kommt aus den USA ja sogar schon ein „christliches Yoga". Hier werden einfach völlig verschiedene religiöse Einflüsse vermischt. Deshalb würde ich eher komplett vom Kampfsport abraten, als sich darauf einzulassen und zu versuchen, einen Mittelweg zu finden, den es nicht gibt.

„Manchmal beruft Gott Kampfsport-Missionare“

ERF Online: Mit welchen anderen Vorurteilen haben Sie zu kämpfen, weil Sie als Christ Kampfsport betreiben und diesen sogar für evangelistische Kontakte nutzen?

Lindemeyer: Ganz klassisch: Manche werfen uns Okkultismus vor. Andere meinen, wir würden das Christentum mit weiteren Religionen wie dem Buddhismus mischen.  Es gibt auch Stimmen, die eine pazifistische Einstellung von uns als Christen verlangen.

ERF Online: Ihr eigentliches Anliegen ist ja der Kampfsport. Was tun Sie, um Jesus unter Kampfsportlern trotzdem bekannt zu machen?

Lindemeyer: Unsere Mitglieder sind in Deutschland weit verteilt. Daher lebt jeder Kampfsportler des VCK den Glauben in seinem eigenen Verein aus. Ein Trainer von uns betet zum Beispiel mit den Sportlern vor und nach dem Training. Vor allem im persönlichen Gespräch geben wir gerne etwas von Jesus weiter. Jeder von uns schaut ganz individuell, wie er Jesus Christus im Bereich des Kampfsports dienen kann.

Hauptanliegen ist und bleibt aber das Evangelium. Kampfsport ist nur eine Nebensache. Trotzdem versuchen wir, von Jesus zu erzählen, wo es geht. Ich habe auch schon mal auf einem großen Kampfsportevent eine Andacht gehalten. Der VCK möchte Christen im Kampfsport vernetzen und Hilfestellung geben, wenn Fragen zu diesem Thema entstehen. Und manchmal beruft Gott eben auch Menschen, gerade in diesem Bereich missionarisch aktiv zu werden.

ERF Online: Vielen Dank für das Gespräch!

Ihr Kommentar

Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Alle Kommentare werden redaktionell geprüft. Wir behalten uns das Kürzen von Kommentaren vor. Ein Recht auf Veröffentlichung besteht nicht.

Kommentare (1)

M. Rother /

Hallo erf-Team, hallo VCK-Team,
vielen Dank für den Beitrag, der hilft den Kampfsport nicht als "Religion" oder Ersatz zu verstehen, wie er sehr weit verbreitet ist oder auch so angesehen wird.
Ich mehr

Das könnte Sie auch interessieren