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14.02.2011 / Buchtipp / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: Hanna Willhelm

Ich kann vor Liebe nicht mehr schreiben...

Christen sind prüde? Und die vergangener Jahrhunderte sowieso? Eine Sammlung Liebesbriefe von berühmten Christen lässt anderes erahnen.

Mit diesem Buchtipp beginnen wir anlässlich des Valentinstages eine kleine Serie zum Thema Liebe, Ehe und Beziehungen. In den folgenden Tagen finden Sie auf ERF.de deswegen u.a. einen Artikel über die geistliche Dimension einer Ehe oder ein Interview mit Markus Spieker zum Thema Treue und Monogamie.
 

Vielleicht ist Ihnen bekannt, dass Martin Luther seine Frau manchmal respektvoll „Herrin Käthe“ genannt hat. Aber hätten Sie Matthias Claudius zugetraut, dass er einen Brief an seine Frau Anna Rebecca nach 26 Jahren Ehe mit „Dein alter Liebhaber MC“ schließt? Ganz abgesehen davon, dass er auch Briefe zuvor ganz leger mit „Dein Matz“ unterschrieben hat? Gut, sagen Sie, von Matthias Claudius weiß man, dass er das Leben auch im ausgehenden 18. Jahrhundert zu genießen wusste.

Aber wie ist es bei einem knochigen Reichskanzler wie Otto von Bismarck? Dessen Frau hatte doch sicher nichts zu lachen. Weit gefehlt. Liest man folgende Sätze, würde manche Ehefrau heute vielleicht gerne mit Johanna tauschen: „Meine liebe, liebe Johanna, muss ich Dir nochmals sagen, dass ich Dich liebe; sans phrase [ohne Umschweife], dass wir Freud und Leid miteinander teilen sollen, ich Dein Leid, Du das meine, dass wir nicht vereinigt sind, um einander nur zu zeigen und mitzuteilen, was dem anderen Freude macht, sondern dass Du Dein Herz zu jeder Zeit bei mir ausschütten darfst, und ich bei Dir, es mag enthalten, was es wolle…“

Briefe als letztes Lebenszeichen

Diese und andere Liebesbekundungen hat Arndt E. Schnepper in dem Buch „Ich kann vor Liebe nicht mehr schreiben… Liebesbriefe berühmter Christen“ zusammengestellt. Eindrücklich zeigt der Autor mit dieser Sammlung, dass Liebesehen nicht erst eine Erfindung der Neuzeit sind und dass es oft gerade Christen waren, die glückliche Ehen hatten - allen Unkenrufen von Prüderie zum Trotz. Kein Grund zum Mitleid also für die vergangenen Generationen, die angeblich nur unter dem Joch des Lebensbundes stöhnen konnten. Apropos Prüderie: Immer wieder schließen die Briefeschreiber mit einem Kuss, selbst wenn Bismarck nüchtern feststellt: „… der Deinige von Kopf bis zur Zehe. Küsse lassen sich nicht schreiben. Leb wohl.“

Auch die Frauen erlebten mit ihren Männern in den Briefen geistige und geistliche Gemeinschaft und teilten ihnen ihre Meinung mit. So schreibt Caroline Perthes ihrem Verlobten im Bezug auf die anstehende kirchliche Trauung: „Wir wollen Gott nach alter Weise um seinen Segen bitten, und er wird uns nach alter Weise segnen. Ach, lieber Perthes, tue es doch mit mir; ich bin so lebendig überzeugt, dass an Gottes Segen alles gelegen ist, wenn wir mit- und durcheinander glücklich werden wollen und unser Glück bestehen soll.“

Schneppers Sammlung findet ihren Höhepunkt in den Briefen, die die Paare Schneider, Moltke und Bonhoeffer - von Wedemeyer zur Zeit des Nationalsozialismus wechseln. Drehen sich die Briefe der anderen Ehepaare um die Kinder, die Arbeit oder das neckische Versichern der gegenseitigen Liebe in der Abwesenheit des Partners, schwingt in diesen Briefen aufgrund ihres Hintergrundes noch eine andere Dimension mit. Stellvertretend dafür ein Ausschnitt aus einem Brief, den Helmuth James Graf von Moltke wenige Tage vor seiner Hinrichtung an seine Frau Freya schrieb:

„Wenn ich jetzt gerettet werden würde – was ja bei Gott nicht wahrscheinlicher oder unwahrscheinlicher ist also vor einer Woche -, so muss ich sagen, dass ich erst einmal mich wieder zurecht finden müsste, so ungeheuer war die Demonstration von Gottes Gegenwart und Allmacht [während der Gerichtsverhandlung; Anm. d. Red.]. … Ich kann Dir nur eines sagen: Wenn Du das Gefühl absoluter Geborgenheit erhältst, wenn der Herr es Dir schenkt, was Du ohne diese Zeit und ihren Abschluss nicht hättest, so hinterlasse ich Dir einen nicht konfiszierbaren Schatz, demgegenüber selbst mein Leben nicht wiegt.“

Kleine Schätze deutscher Liebesbriefliteratur

Die Briefe sind größten Teils trotz der teilweise veralteten Ausdrucksweise und den vielen Schachtelsätzen, die in vergangenen Jahrhunderten anscheinend typisch waren, gut lesbar. Insgesamt sind sie ein tolles Zeitzeugnis für die tiefe Beziehung, die Ehepaare in der Vergangenheit miteinander hatten und für ihren Versuch, sich gegenseitig auch im Glauben und durch das Gebet zu unterstützen. Vor jedem Briefwechsel werden die Paare und ihr zeitlicher Hintergrund kurz vorgestellt. Das hilft dem Leser, auch unbekanntere Personen einzuordnen.

Mein Fazit: Absolut lesenswert für alle Romantiker und alle, die wissen möchten, wie Liebe in vergangenen Jahrhunderten ausgesehen hat und wie sie auch die schwierigsten Zeiten überstehen kann. Arndt Schnepper hat mit den Briefen kleine Schätze ausgegraben, die Lust auf mehr machen. Das Literaturverzeichnis regt mit weiteren Büchern mit Liebesbriefen oder den kompletten Briefwechseln der beschriebenen Personen auf alle Fälle dazu an.

 

 Hanna Willhelm

Hanna Willhelm

  |  Redakteurin

Hanna Willhelm ist Theologin und Redakteurin im Bereich Radio und Online. Sie ist fasziniert von der Tiefe biblischer Texte und ihrer Relevanz für den Alltag. Zusammen mit ihrer Familie lebt die gebürtige Badenerin heute in Wetzlar und hat dabei entdeckt, dass auch Mittelhessen ein schönes Fleckchen Erde ist.

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Kommentare (4)

Tobias /

Eine schöne Idee und ich werde heute einfach mal meiner Mutter danken, dass sie mir mein Leben ermöglicht hat. Ach und an Dirk Halfmann: Ich war mir da mit Bismarck auch nicht so sicher, aber in Wikipedia steht da Aufklärendes.

pitti /

ein schönes Buch, dem es um Gottes Liebe in seiner Beziehung gelegen ist.

Dirk Halfmann /

Seit wann war Bismarck Christ?

Sabine /

super Idee zum Valentinstag :-)

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